Anwohner kritisieren Entscheidung der Stadt
Geplante Flüchtlingsunterkunft an den Koblenzer Rheinanlagen: Der Widerstand wächst
Das Haus, in dem voraussichtlich ab 2027 Flüchtlingsfamilien untergebracht werden sollen, liegt direkt an den Rheinanlagen.
Doris Schneider

Koblenz. Die geplante Flüchtlingsunterkunft im Gebäude der ehemaligen Bundespolizei, am Rhein zwischen der Bundesanstalt für Gewässerkunde und dem Hotel Kleiner Riesen gelegen, sorgt für wachsenden Widerstand.

Mehr als 30 Personen sind bei einem Treffen gewesen, bei dem vor allem Anwohner aus der Vorstadt ihre Kritik an der geplanten Flüchtlingsunterkunft in den Rheinanlagen formuliert haben. Sie überlegen, wie sie die geplante Einrichtung der Unterkunft verhindern können. Wichtig ist ihnen: „Wir sind nicht ausländerfeindlich!“, sagt Jürgen Nohr, Besitzer des Hotels. Seine Frau Helga, er selbst und Pit Arndt, der in der Nähe seinen Firmensitz der Arndtgruppe hat und auch wohnt, fassen im Gespräch mit der RZ die Kritikpunkte zusammen, die die Anwohner beschäftigen.

1 Das sind die Pläne der Stadt: Die Stadt will das ehemalige Gebäude der Bundespolizei umbauen in eine Flüchtlingsunterkunft. Die Bima, Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, überlasse der Stadt das Haus unentgeltlich, hatte Bürgermeisterin Ulrike Mohrs vor ein paar Wochen gegenüber der RZ berichtet. Auch die Kosten für den Umbau übernimmt der Bund. Mit dem Bezug sei ab dem Jahr 2027 zu rechnen, so die Stadt.

In dem Haus sollen 70 bis 90 Personen leben können. Und zwar „vorrangig Familien oder allein reisende Personen mit Kindern“, heißt es in der Unterlage, die dem Stadtrat Anfang Februar vorlag. Mit fünf Gegenstimmen entschied der Rat, dass die Stadt das Gebäude von der Bima zu diesem Zweck anmieten solle.

Und: Das Haus soll keine Menschen beheimaten, die gerade erst nach Deutschland und Koblenz kommen, sondern Menschen, die bereits einige Zeit beispielsweise in einer der Sammelunterkünfte gelebt haben und schon „ein Stück weit integriert“ seien, so Mohrs im Februar gegenüber der RZ. Im Haus soll es auch eine Stelle des Ausländeramtes geben, außerdem Sozialarbeiter als Ansprechpartner und Betreuer.

2 Der Hauptkritikpunkt: Der Charakter der Rheinanlagen verändere sich, befürchten die Anwohner. Auch wenn am Anfang nur Familien mit Kindern einzögen, was bei dem Treffen der Bürger schon durchaus bezweifelt wurde, so habe doch auch das große Auswirkungen auf die Umgebung, sagen das Ehepaar Nohr und Pit Arndt. „In vier Jahren sind aus den Kindern Halbwüchsige geworden, und das ist ja das schwierigste Alter!“, sagt Arndt.

Dazu komme: Die Wohnräume im Haus würden nicht groß, es gebe keine Balkone – „natürlich werden sich die Leute draußen aufhalten, sobald es etwas wärmer wird“, sagt Helga Nohr, „und da werden Freunde, Familien, Bekannte dazukommen. Das kann man ja nicht verbieten.“ Der Charakter der Rheinanlagen, den viele Koblenzer als leicht erreichbares Naherholungsgebiet nutzen, werde sich enorm verändern, ist Jürgen Nohr sicher. „Wir halten es nicht einmal für vereinbar mit dem Weltkulturerbe, zu dem ja auch die Anlagen gehören.“ Auch in touristischer Hinsicht sei diese Veränderung problematisch, ist die feste Überzeugung der Anwohner.

3 Menschen empfinden Unsicherheit: Ältere, die hier spazieren gehen, aber auch Frauen oder Mädchen, die beispielsweise die Ballettschule besuchten, empfinden eine größere Unsicherheit, sich in der Gegend aufzuhalten, sagen Jürgen Nohr und Pit Arndt. „Die Lage des Hauses kommt in Konflikt mit den Musikveranstaltungen im Pavillon“, fügt Nohr hinzu. „Die südliche Vorstadt ist schwerpunktmäßig von älteren Menschen bewohnt, deren Lebensgewohnheiten gefährdet sind.“

4 Kritiker ärgern sich: Dass den Anwohner unterstellt werde, sie fürchteten nur um den Wert ihrer Häuser, ärgert die Bürger massiv. Sie haben große Bedenken, dass sich ihr Lebensumfeld verändert – das ist ihr Antrieb, sich zu engagieren, sagen sie. Den Vorwurf kehrt Helga Nohr um: Der Stadt gehe es nur ums Geld, nur darum, dass die Bima die Kosten für die Unterkunft übernehme.

5Weitere Kritik: Die Unterkunft sei nicht nötig. „Wenn es um 70 bis 90 Personen geht, dann kann man für diese auch andere Unterkünfte finden“, sagt Jürgen Nohr und verweist unter anderem auf die bekannten mehr als 300 Wohnungen der Bima in Koblenz, die leerstehen.

Dass diese zum größten Teil nicht saniert seien, lassen die Anwohner nicht als Argument gelten. „Wenn jemand aus einem Krisengebiet geflüchtet ist, braucht er natürlich saubere Toiletten und ein sauberes Bad, aber er braucht keine Luxussanierung.“ Nohr berichtet, dass er auch bei der Bima schon nachgefragt habe, ob er das Gebäude, in dem die Unterkunft errichtet werden soll, nicht kaufen könne. Doch das sei verneint worden.

6Sind viele andere Fragen ungelöst? Die in der Vorstadt fehlenden Kita-Plätze sehen die Anwohner als ein weiteres Thema an, Bürgermeisterin Ulrike Mohrs hatte auf die in Bau befindliche neue Kita in der Goldgrube hingewiesen, in der es Kapazitäten geben würde. Und auch die Schulen, allen voran die Schenkendorfschule, seien nicht vorbereitet auf eine große Zahl an weiteren Grundschülern. Dazu käme die enge Zufahrt zwischen Hotel und Ballettschule, durch die Rettungsdienste müssten und vieles andere mehr.

7Informationspolitik der Stadt wird bemängelt: Dass es am Mittwoch, 3. April, eine Informationsveranstaltung der Stadt zu dem Thema geben soll, bewerten die Gegner fast schon als Hohn: Die Verträge seien unterschrieben, da sei eine solche Veranstaltung im Grunde ein Feigenblatt, eine Alibi-Aktion, sagen sie. Im Übrigen sind sie der Meinung, dass in den Unterlagen zur Stadtratssitzung Mitte Februar viel zu wenig detailliert beschrieben sei, welche Anstrengungen die Stadt unternommen habe, andere Unterkünfte zu akquirieren und dass auch keine Zahlen vorlägen, wie viele Flüchtlinge derzeit in den Sammelunterkünften untergebracht seien.

8 Anwohner haben Rechtsanwalt ins Boot geholt: Verhindern werden die Anwohner und Anwohnerinnen die Einrichtung der Unterkunft wohl nicht können, sagt Pit Arndt, aber sie haben sich einen externen Rechtsbeistand geholt und ein Bonner Rechtsanwaltsbüro mit der Interessenwahrung beauftragt. „Eine beantragte Akteneinsicht wurde bisher nicht gewährt.“ Nun wollen sie die Pläne der Stadt genau verfolgen

Stadt informiert am 3. April

Am Mittwoch, 3. April, findet um 18 Uhr im Atrium der Rhein-Mosel-Halle eine Bürgerinfoveranstaltung zum Thema Unterbringung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern statt. Speziell soll über die Unterbringung von Familien und allein reisenden Eltern mit ihren Kindern in den Kaiserin-Augusta-Anlagen 17 in der Koblenzer Vorstadt informiert werden, so die Stadt in ihrer Einladung. Oberbürgermeister David Langner, Bürgermeisterin Ulrike Mohrs und Vertreter vom Zentralen Gebäudemanagement und der Ausländerbehörde der Stadt Koblenz werden an der Veranstaltung teilnehmen. dos

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