Koblenz
Gängelt Koblenz seine Autofahrer? „Es gibt eine Anspruchshaltung, dass der Parkplatz selbstverständlich ist“
Robin Kulpa Deutsche Umwelthilfe
Weiß, wo dein Auto steht: Robin Kulpa, stellvertretender Bereichsleiter Verkehr und Luftreinhaltung der Deutschen Umwelthilfe.
DUH/Finke

Das halbe Land diskutiert über die steigenden Parkgebühren einiger Tausend Koblenzer – was verrät das über die Autofahrernation Deutschland? Robin Kulpa vom Verein Deutsche Umwelthilfe kritisiert überzogene Ansprüche in der Verkehrspolitik. Er sagt: "Die Leute wollen ja nicht Auto fahren, sie wollen mobil sein."

Robin Kulpa Deutsche Umwelthilfe
Weiß, wo dein Auto steht: Robin Kulpa, stellvertretender Bereichsleiter Verkehr und Luftreinhaltung der Deutschen Umwelthilfe.
DUH/Finke

Lange waren die Parkgebühren für Anwohner in Rheinland-Pfalz bei schmalen 30,70 Euro im Jahr gedeckelt. Seit der Mainzer Landtag den Städten hier mehr Spielraum zugesteht, erhöhen immer mehr von ihnen die Preise. Ausgerechnet die steigenden Gebühren in Koblenz sind jetzt viral gegangen. Vom „Spiegel“ über die „Welt“ bis zu Sat.1 besprechen überregionale Medien die neue Koblenzer Auto-Arithmetik „Länge x Breite x 0,45 Euro x 52“ – wohl auch, weil sich darin die sehr zeitgeistige Debatte über das Auto als Freiheitsvehikel widerspiegelt.

Auf der Suche nach Perspektiven auf das emotional aufgeladene Thema haben wir uns an Robin Kulpa gewandt. Er ist stellvertretender Bereichsleiter Verkehr und Luftreinhaltung bei der Deutsche Umwelthilfe. Der Verein ist für zugespitzte Statements bekannt, nennt große Autos auch mal „Stadtpanzer“ und „Monster-SUV“. Robin Kulpa glaubt: Die Gesellschaft ist in Sachen Mobilität oft schon weiter als die Verkehrspolitik.

Herr Kulpa, wenn Koblenz ab 1. März die Gebühren für das Anwohnerparken erhöht, betrifft das 6000 Besitzer eines entsprechenden Ausweises. Trotzdem diskutiert gerade das halbe Land darüber. Was sagt das über die Autofahrernation Deutschland?

Wir haben hier eine Anspruchshaltung, wonach es selbstverständlich ist, dass der öffentliche Raum kostenlos für Autos zur Verfügung gestellt werden muss. Für andere Nutzungen wie Außengastronomie oder einen Marktstand werden teilweise enorm hohe Gebühren fällig – nur das Auto soll weitestgehend kostenlos parken. Eine Person, die kein Auto hat, kann aber auch nicht auf die Idee kommen, plötzlich ihren Billardtisch auf die Straße zu stellen und sich dort ein Billardzimmer einzurichten. Und weil die Zahl der Autos in unseren Städten Jahr für Jahr steigt und zeitgleich die Autos immer größer, breiter, länger und schwerer werden, ist es eigentlich Notwehr der Städte, hiergegen vorzugehen.

Allerdings werden auch die gestiegenen Gebühren zwischen 100 und rund 200 Euro niemanden in Koblenz vom Auto abbringen. Sind solche Gebühren dann überhaupt effektiv?

Allgemein fordern wir Gebühren für einen Bewohnerparkausweis von mindestens einem Euro pro Tag, also 30 Euro im Monat. Das muss natürlich die richtigen Leute treffen – man sieht im Winter oft Fahrzeuge, die seit einer Woche Schnee auf der Windschutzscheibe haben und nicht bewegt werden. Wenn wir diese Autos abgeschafft bekommen, profitieren vor allem die Leute, die wirklich aufs Auto angewiesen sind.

Anwohnerparken in Koblenz
Parkplatzsuche in Koblenz kann auch mal länger dauern. Der Umweltaktivist argumentiert: Der öffentliche Raum sollte allen gleichermaßen zur Verfügung stehen – Autofahrern und Menschen ohne Auto.
Sascha Ditscher

Kommunen brauchen Geld – das ist fast überall so. Wird das Koblenzer Modell trotz der aktuellen Kontroverse bald Schule machen?

Wir haben die Hoffnung, dass dieses Modell Schule macht, weil es gut ist. Es enthält eine Staffelung nach Fläche, die in Anspruch genommen wird. Das ist nur fair und entspricht auch einem höchstrichterlichen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Dort wurde die Freiburger Regelung moniert, die sehr hohe Sprünge vorgesehen hat: Bei 50 Zentimetern Längenunterschied konnte sich die Gebühr um 240 Euro erhöhen. So einen Sprung sieht das Koblenzer Modell nicht vor. Damit haben wir hier eine mustergültige Umsetzung dieses Urteils und auch ein Vorbild für andere Städte in Deutschland.

Eine Person, die kein Auto hat, kann aber auch nicht auf die Idee kommen, plötzlich ihren Billardtisch auf die Straße zu stellen.

Was machen denn andere Städte bereits jetzt?

In Tübingen gibt es 50 Prozent höhere Anwohnerparkgebühren für besonders schwere Autos. Auch Köln hat kürzlich eine Staffelung der Parkgebühren eingeführt. Übrigens werden bei dem Thema örtlich auch soziale Aspekte beachtet: In Karlsruhe und Heidelberg kann man sich einen Teil der erhöhten Gebühren für einen Bewohnerparkausweis über den Sozialpass wieder zurückholen, um soziale Härten abzufedern.

Erste Städte diskutieren zudem über Null-Emissionszonen, also Zonen, wo ausschließlich Rad- und Fußverkehr und elektrische Fahrzeuge einfahren dürfen. Und es gibt Städte im europäischen Ausland mit City-Maut, auch Staugebühr genannt. Die kann man so ausgestalten, dass es vor allem zu den Rushhour-Zeiten teurer ist, und dass die Leute, die viel mit dem Auto unterwegs sind, mehr zahlen.

Die neue Regelung in Paris mit deutlich höheren Parkgebühren für schwere Autos nannte Ihr Geschäftsführer Jürgen Resch einen „Weckruf für deutsche Städte“. Aber Koblenz ist nicht Paris, hier gibt es keine Metro und der Bus ist schweineteuer. Ist der ÖPNV in Deutschland einfach zu schlecht für progressive Autopolitik?

Der öffentliche Nahverkehr muss ausgebaut werden, ohne Frage. Hier haben wir ein Henne-Ei-Problem. Wir brauchen Geld für Bus und Bahn, aber dieses Geld wird bisher weitestgehend in den Autoverkehr investiert. Dann kann man sich nicht wundern, dass Bus und Bahn entsprechend schlecht ausgebaut sind. Hier brauchen wir einen echten Paradigmenwechsel: Mehr Investitionen in Rad- und Fußverkehr, in Bus und Bahn, und weniger in den Neubau von Straßen – da möchte ich allerdings ganz explizit Ersatzneubauten von Brücken ausnehmen.

Der Fußverkehr ist sowieso die Mobilitätsvariante, die am meisten genutzt wird.

Viele Menschen abseits der Metropolen werden aber trotzdem sagen: Sorry, ohne Auto geht es nun mal nicht.

Im ländlichen Raum sieht es natürlich noch mal anders aus. Aber in den Innenstädten, auch in der Innenstadt von Koblenz, gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Der Fußverkehr ist sowieso die Mobilitätsvariante, die am meisten genutzt wird: Die meisten Leute legen Strecken zu Fuß zurück, mehr, als mit dem Auto unterwegs sind. Auf Strecken bis 10 Kilometer ist auch das Fahrrad ein hervorragendes Mittel – allerdings wird es aktuell nur von Leuten genutzt, die mutig genug dafür sind, weil die Infrastruktur so schlecht ist. Und es müssen mehr Gelder in Bus und Bahn fließen, dann werden die Leute auch diese Alternativen nutzen. Die Leute wollen ja nicht Auto fahren, sie wollen mobil sein.

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