Vom Rasen auf die Ohren: Das Audioformat ist unter vielen Fans des Klubs mittlerweile Kult - Heute erscheint Folge 200
Fußball auf den Ohren: Wie ein Podcast die TuS Koblenz verändert
TuS-Vize Nils Lappahn ist selbst passionierter Podcasthörer. Und er ist sich sicher, dass dieses Format besonders bei Fußballvereinen gut funktioniert.
Matthias Kolk

Transparent will man sein: Im Podcast „61 Meter“ macht sich Fußball-Regionalligist TuS Koblenz gerne nackig, für ihre Fans. Hier wird zusammen geplaudert, gefeiert und getrauert. Nun erscheint die insgesamt 200. Folge. Im Interview spricht Nils Lappahn, Ex-Moderator des Podcasts und stellvertretender Vorsitzender der TuS, über seinen emotionalsten Podcastmoment und darüber, wie Audioaufnahmen eine gesamte Vereinskultur prägen.

TuS-Vize Nils Lappahn ist selbst passionierter Podcasthörer. Und er ist sich sicher, dass dieses Format besonders bei Fußballvereinen gut funktioniert.
Matthias Kolk

Adrian Ramos, Stürmer von Hertha BSC, legt sich den Ball kurz hinter der Mittellinie ein Stück zu weit vor. Michael Stahl antizipiert am schnellsten und knallt das Leder in die Maschen. Aus 61 Metern. Das 1:0 der TuS gegen Berlin wurde 2010 zum Tor des Jahres gewählt. Und ist der Namensgeber für euren Podcast geworden. Herr Lappahn, gab es überhaupt einen Alternativvorschlag?

Ich bin immer ein Fan davon, Projekten einen Namen zu geben, der über Generationen haften bleibt. Er muss eingängig sein und einem leicht über die Lippen gehen. Das Tor von Michael Stahl ist wahrscheinlich das bekannteste Tor der TuS. Es ist eine schöne Story. Der Name ist eine kleine Hommage an die Vergangenheit, aber auch ein Brückenschlag zur aktuellen Situation. Immerhin ist Michael jetzt unser Cheftrainer. Und Co-Host des Podcasts.

Am 11. Februar 2020 ging die erste Folge online. Warum hat der TuS ein eigener Podcast gefehlt?

Als wir als Team 2019 zur Vorstandwahl angetreten sind, haben wir uns Gedanken gemacht: Was könnte eine gute Methode sein, um die Leute näher ranzuholen an den Verein? Ein Fußballverein ist absolutes Tagesgeschäft. Es gibt immer was zu berichten. Wir versuchen, unseren Fans den kleinen Blick durchs Schlüsselloch zu gewähren. Sie wollen nah dran sein. Es gibt, glaube ich, gar nicht zu viel vom eigenen Lieblingsverein. Wenn irgendwas passiert, ist mittlerweile immer schon der Aufschrei nach einem Podcast da. Das ist unser Organ, über das wirals Verein gut kommunizierenkönnen.

Bei den Bundesligisten gehören Podcasts mittlerweile fast selbstverständlich zum Repertoire dazu. In der Regionalliga Südwest haben neben euch nur noch die Kickers Offenbach einen eigenen Podcast. Ihr seid da in einer Vorreiterrolle. Was macht euren Podcast denn so besonders?

Dinge funktionieren am besten, wenn man sie konsequent durchzieht. Egal, was ist. Und das macht unseren Podcast so ein bisschen aus. Ich glaube, wir hatten seit dem Start nur eine Woche, in der keine Folge erschienen ist. Außerdem glaube ich, dass es das nicht so oft gibt, dass Verantwortliche so viele tiefe Inhalte preisgeben wie bei uns. Das ist ein bisschen unser Markenzeichen: völlige Transparenz.

Der Podcast kann natürlich auch für eure Gegner eine gute Informationsquelle sein. Werden Sie von Konkurrenten auf ihn angesprochen?

Sehr, sehr oft sogar. Ich weiß von vielen, dass die den Podcast hören, ob das Trainer sind oder ehemalige Spieler. Und super interessant: auch Spieler, mit denen wir mal verhandelt haben, ob sie zu unskommen.

Nach welchem Spiel bekommt man denn den besseren Podcast auf die Ohren: nach einem ungefährdeten Heimsieg oder nach einer unverdienten Niederlage?

Ich glaube nach dem negativen Ereignis. Also dann, wenn die Leute Antworten suchen. Im Erfolg gibt es wenige Nachfragen. In den negativen Momenten sitze ich mit mehr Emotionen vor dem Podcast. Da ist es umso wichtiger, gut und sauber zu kommunizieren.

Alle Folgen des Podcasts der TuS Koblenz können auf den gängigen Streamingplattformen oder im Internet angehört werden unter www.61meter.de

Hat der Podcast die TuS verändert?

Ich glaube, man hat gelernt, Fehler offen anzusprechen. Im Fußball, aber vielleicht auch gerade bei der TuS, gab es keine gute Fehlerkultur. Wir haben eine Folge aufgenommen, in der wir anderthalb Stunden nur darüber gesprochen haben, was wir als Verantwortliche falsch gemacht haben (Folge 47). Warum nicht offen drüber sprechen? Wir sind alle Menschen und machen Fehler. Und die Fans sehen es ja eh.

Wir brauchen nicht drum herumreden. Ich glaube, dass es wesentlich einfacher zu verstehen ist, warum ein Spiel verloren gegangen ist oder warum eine Entscheidung gefallen ist, wenn man sich eine Stunde die Hintergründe dazu anhört. Man erzeugt Verständnis. Das hat der Entwicklung des Vereins gutgetan. Das baut eine Bindung zu den Fans auf.

Folge 175 trägt den Titel „Der Aufstieg“. Gemeint ist natürlich die Rückkehr in die Regionalliga in diesem Jahr. War das die bisher emotionalste Folge?

Nee, ich finde, wir hatten emotionalere. Zum Beispiel die Folge „72 Stunden“ (Folge 158, Anm. d. Red.). Da ging es um einen sehr dramatischen medizinischen Notfall mit einem Spieler. Es gab keine Gewissheit, was passiert. Wir waren kurz davor, ein Spiel abzusagen. Ich habe auch eine Folge aufgenommen mit unserem 100-jährigen Ehrenmitglied Peter Weißgerber (Folge 111, mittlerweile verstorben, Anm. d. Red.). Da haben uns Hörer im Nachgang geschrieben, dass sie Tränen in den Augen hatten.

Oder die Folge kurz nach der Entlassung unseres Trainers Anel Džaka (Folge 93). Das war ein hochemotionaler Tag für die TuS Koblenz, für uns alle. Online hatten wir einen riesigen Shitstorm kassiert. Viele Fans konnten die Entscheidung nicht nachvollziehen. Und da haben wir gesagt: Okay, wir müssen im Podcast darüber sprechen. Danach haben wir viele Nachrichten bekommen von Fans, die gesagt haben: „Danke für eure Transparenz. Ich kann zumindest jetzt eure Gedanken nachempfinden.“ Der Shitstorm war damit im Grunde komplett verschwunden.

Ab Folge 126 gab es nicht nur ein neues Intro, sondern auch eine neue Stimme. Rafael Beraz hat Sie als Moderator abgelöst. Wollten Sie selbst nicht mehr?

Ich glaube, dass sich alles irgendwann abnutzt. Irgendwann tut frischer Wind einfach gut. Mit Rafael haben wir eine tolle Stimme für uns gewonnen. Und das ist auch ein Weg, den wir gehen: Wir wollen jungen, talentierten Menschen eine Chance geben. Das Moderieren hat mir richtig Spaß gemacht. Aber man muss auch die Situation erkennen: Da war jemand, der das kann und richtig Bock drauf hat. Dann muss man den Platz räumen.

Träumen wir mal ein bisschen: In der Regionalliga geht es für die TuS diese Saison um den Klassenerhalt. Im Mai 2024 würde der erste Podcast nach dem Saisonende erscheinen. Welchen Titel würden Sie der Folge am liebsten geben?

Klassenerhalt vor Rekordkulisse. Das wäre die perfekte Überschrift für mich.

Und in welcher Liga spielt die TuS bei Jubiläumsfolge 300?

Regionalliga!

Die Fragen stellte Matthias Kolk

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