Adissa Ibrahim soll als Nachtkulturbeauftragte von Koblenz frischen Wind in das Amt und in die Szene bringen - Ideen hat sie genug
Für Klubs, Kultur und Kneipen: Das ist die neue Nachtkulturbeauftragte von Koblenz
Jung, initiativ und voller Ideen: Adissa Ibrahim will in der Nachtkultur in Koblenz den ein oder anderen Stein ins Rollen bringen.
Agatha Dziewulski

Adissa Ibrahim soll eine Vermittlerin sein zwischen der Verwaltung und Kulturschaffenden, Klubbetreibern, Gastronomen und die Arbeit ihres Vorgängers weiterführen. Dabei ist sie gerade mal 22 Jahre alt. Druck? Den verspürt die Studentin nicht. Sie strotzt geradezu vor Ideen für Kneipen, Kultur und gegen Leerstand.

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Jung, initiativ und voller Ideen: Adissa Ibrahim will in der Nachtkultur in Koblenz den ein oder anderen Stein ins Rollen bringen.
Agatha Dziewulski

Schwarze Jacke, Palazzohose, Nasenpiercing und ein breites Lächeln: Zum Treffen mit der RZ erscheint die neue Nachtkulturbeauftragte Adissa Ibrahim so, wie sie viele kennen. Sie soll die Arbeit ihres Vorgängers Mike Spriestersbach weiterführen, eine Vermittlerin sein zwischen der Verwaltung und Kulturschaffenden, Klubbetreibern, Gastronomen. Dabei ist sie gerade einmal 22 Jahre alt. Wie geht sie mit so viel Verantwortung um? Und wie tickt die Neue im Amt überhaupt? „Habt ihr auch Mandelmilch?“, fragt sie die Kellnerin im Café. Die sei leider aus. Adissa überlegt kurz. „Dann nehm ich einen Eistee“, sagt sie und bedankt sich.

In gewisser Weise handelt die neue Nachtkulturbeauftragte in diesem Moment schon den ersten Punkt ihres Sechs-Schritte-Plans ab, den sie in Vorbereitung auf ihr neues Amt erstellt hat: Sie führt Gespräche mit Menschen aus der Branche. Sich einen Überblick über die kulturellen Aktivitäten in der Stadt machen, steht auch auf ihrer Liste. Oder: rechtliche Rahmenbedingungen zum Lärmschutz recherchieren. „Das gehört auf jeden Fall zu den Top-Fünf-Themen der Nachtkulturbeauftragten.“

Enge Kontakte in die Szene

Offiziell startet die Psychologie- und Soziologiestudentin im Januar ins Ehrenamt. Die Vorbereitung darauf läuft bei ihr aber schon lange. Vorbereitet wäre sie aber auch ohne Sechs-Schritte-Plan gewesen. Adissa ist top vernetzt. „Koblenz ist groß genug, aber auch klein genug. Dadurch ist man in ganz vielen Kreisen schnell bekannt“, sagt sie. Viele Gastronomen kenne sie schon lange über ihren Partner. Er ist Koch im Café Hahn.

Seit sieben Jahren arbeite sie im Café Flowery, ehemals Café Köstlich, in der Löhrstraße. Und bei Greenpeace ist sie genauso engagiert wie beim Skatepark auf dem Oberwerth. Mit ihrem Freund betreibt sie ein Fotostudio. Viele Kneipenwirte zähle sie mittlerweile zu ihren Freunden. Nur zur Klubszene habe sie (noch) nicht diesen engen Draht. „Ich muss ganz ehrlich sagen: Das letzte Mal war ich mit 17 mit einem Mutti-Zettel in Koblenz in einem Klub.“

Mit dem Titel „Nachtkulturbeauftragte“ ist Adissas Portfolio um ein weiteres Engagement reicher. Es scheint fast so: Ehrenämter sammelt die 22-Jährige wie andere Briefmarken. Aber wird das alles nicht irgendwann zu viel? „Nee, eigentlich gar nicht“, sagt Adissa und schiebt hinterher: „Ich bin immer der Meinung: Wenn eine Sache Spaß macht, dann ist sie auch keine Arbeit. Und dann macht es mir auch nichts aus.“ Dass ihr das Amt der Nachtkulturbeauftragten Spaß machen würde, hatte sie schon vor langer Zeit gespürt.

Als der Funke überspringt

Es ist Mittwoch, der 27. Oktober 2021. Adissa Ibrahim sitzt im Partykeller des Circus Maximus. Die Talkshow „Kulturgesichter“ feiert Premiere (hier zum Bericht über die Veranstaltung). Ein Format für diejenigen, die das Nachtleben in der Stadt prägen und bereichern. Auf der Bühne sitzt Mike Spriestersbach, der erste Nachtkulturbeauftragte von Koblenz. Er plaudert und schnackt mit den anderen Gästen im Scheinwerferlicht. Adissa hört ihm abseits des Scheinwerferlichts gespannt zu. Von der Arbeit des Nachtkulturbeauftragten ist sie ganz angetan. „Das ist eine supercoole Stelle!“, habe sie damals gedacht. Was sie noch nicht dachte: dass sie eines Tages Spriestersbach Erbin sein würde.

Wenn eine Sache Spaß macht, dann ist sie auch keine Arbeit.

Adissa Ibrahim

Mit ihrem Vorgänger sei sie im Übrigen auch „befreundet“. Die beiden eint mehr als das Amt des Nachkulturbeauftragten. Ihre Wege kreuzen sich in der Vergangenheit immer wieder. Am Tresen von Spriestersbachs letzter Kneipe, die er betrieb – dem BKA – lernte Adissa ihren heutigen Freund kennen.

Am 1. Juni 2023 steht Mike Spriestersbach wieder einmal im Rampenlicht. In dem neuen Vernetzungsformat „AustauschBar“ kündigt er seinen Rückzug als Nachtkulturbeauftragter an. In der Talkrunde in der Altas Bar wird direkt über das Profil eines Nachfolgers diskutiert. Man ist sich einig: Frischer Wind in diesem Amt kann nur hilfreich sein, um die Nachtkultur in Koblenz zu stärken.

Rodi Hamo, Besitzer der Atlas Bar, hatte bei frischem Wind sofort eine ganz bestimmte Person im Kopf. „Er hat mich gefragt, ob ich nicht Lust drauf hätte“, sagt Adissa Ibrahim. Allzu lange musste sie nicht überlegen. Und wie die Geschichte ausgeht, ist bekannt. Jetzt ist sie der frische Wind, das neue Gesicht, der Gegenentwurf, den sich viele gewünscht haben: eine junge Frau, gut vernetzt, aber nicht so tief als Akteur verankert wie ihr Vorgänger. Und noch dazu voller neuer Ideen.

Nicht reden, sondern machen

Schritt Fünf in Adissas Sechs-Schritte-Plan heißt „Pilotprojekt starten“. „Ich bin mehr die Person, die selbst was in die Hand nimmt. Einfach mal loslegen. Und irgendwo findet man dann Probleme, die man hoffentlich dann auch bereinigen kann.“ Scheitern ist erlaubt, sagt sie mit Überzeugung. „Es ist eine Stelle, wo du halt auch mal auf die Schnauze fallen kannst.“ Ihr Motto: lieber hinfallen, als gar nicht erst loslaufen.

Inspiration für neue Ideen hole sie sich zum Beispiel bei Städtetrips. In Hamburg wird sie fündig. Ein alter Galeria Kaufhof am Hauptbahnhof diene heute als Ausstellung, Konzertsaal und Kulturraum, erzählt Adissa. Das Gebäude heißt heute Jupiter. Im Internet wird es als „Kreativplanet der Hansestadt“ beworben. Potenzial für so ein Konzept sieht die 22-Jährige auch in Koblenz. Stichwort Leerstand im Forum: „Vielleicht kriegt man mit so einem Konzept wieder mehr Leute hierher.“

Ich denke, dass super viele Leute Lust darauf haben, unsere Kultur zu fördern und zu revolutionieren.

Adissa Ibrahim

Was Adissa bei alldem wichtig ist: Sie sei längst nicht die Einzige, die viele Ideen hat, sagt sie. „Ich denke, dass super viele Leute Lust darauf haben, unsere Kultur zu fördern und zu revolutionieren. Es gibt so viele Vereine, Kollektive oder Organisationen, die Ideen haben, aber vielleicht nicht gehört werden.“ Genau für diese Menschen wolle sie ein Sprachrohr sein, sagt die neue Nachtkulturbeauftragte.

Donnerstag, 23. November: Die zweite AustauschBar des Jahres steht an, diesmal im Mephisto. Mike Spriestersbach sucht man auf der Bühne vergeblich. Diesmal sitzt dort Adissa Ibrahim. Schwarzes Kleid, dunkle Strumpfhose, Nasenpiercing – und ein breites Lächeln im Gesicht. Es ist ihr erster offizieller Auftritt als Nachtkulturbeauftragte. Ab Januar werden viele weitere folgen.

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