Nach wie vor ist ungeklärt, ob Flüchtlinge auf der Pfaffendorfer Höhe bleiben dürfen - Bei Mietgesuchen werden sie beschimpft
Flüchtlingsfamilien leben in Angst und Unsicherheit: Bei Mietgesuchen werden sie beschimpft
Beim Gespräch im Garten für alle berichten die Flüchtlingsfamilien, wie schwierig die Wohnungssuche ist – und wie frustrierend, zumal sie ja gar nicht wegziehen wollen. Doch die Stadt besteht darauf, da die Wohnungen nur für den Übergang gedacht sind. Foto: Sascha Ditscher
Sascha Ditscher

Daumen-runter-Zeichen oder sich grün übergebende Emojis – solche Reaktionen auf Mietgesuche sind für Familien auf der Paffendorfer Höhe an der Tagesordnung, wenn sie potenziellen Vermietern erklären, dass sie Flüchtlinge aus Syrien sind oder dass sie mehrere Kinder haben.

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Beim Gespräch im Garten für alle berichten die Flüchtlingsfamilien, wie schwierig die Wohnungssuche ist – und wie frustrierend, zumal sie ja gar nicht wegziehen wollen. Doch die Stadt besteht darauf, da die Wohnungen nur für den Übergang gedacht sind. Foto: Sascha Ditscher
Sascha Ditscher

Die Familien stecken in einem schrecklichen Zwiespalt: Einerseits wollen sie gar nicht weg von der Pfaffendorfer Höhe, wo sie in Wohnungen der Bima in verschiedenen Häusern und Straßen zum Teil seit fünf Jahren eine neue Heimat gefunden haben. Denn sie fühlen sich wohl hier, ihre Kinder sind gut in Kita und Schule integriert. Andererseits aber besteht die Stadt darauf, dass sie ausziehen. Denn die Wohnungen waren nur für den Übergang gedacht. Nun sollen die, die schon länger hier sind, Platz machen für neue Flüchtlingsfamilien (die RZ berichtete).

Alle drei Monate muss er der Stadt nachweisen, welche Anstrengungen er unternommen hat, eine andere Wohnung zu finden, beschreibt Ammar Alcerer stellvertretend für die anderen und blättert eine Mappe mit Absagen durch: Dieser eine Vermieter will gar nicht an Familien vermieten, obwohl die Wohnung groß ist. Ein anderer jedenfalls nicht an eine Familie mit vier Kindern. Viele antworten gar nicht. Und manche schicken eben kotzende Emojis.

Seine Kinder gehen zur Schule, seine Frau macht gerade eine Prüfung und ist dann Zahnärztin, sagt Alcerer. Aber sie ist – wie alle Familien, die in dieser Situation sind – gestresst, unter Druck. Die Erlaubnis der Stadt, in der Wohnung zu bleiben, wird immer nur für drei Monate verlängert. Das ist nicht viel, sagen alle, die zu dem Gespräch mit der RZ in den Garten für alle gekommen sind, einem Projekt des BUND unter der Initiatorin Anja Hainz. Die Familien sehnen sich nach Sicherheit, nach Planbarkeit.

Einer der Männer zeigt eine Mail: Jemand vom Integrationsbeirat hat ihm vor Kurzem einen Artikel weitergeleitet. Die SPD hatte diese Pressemitteilung reingegeben, nach der die Bima die Wohnungen in normale Mietwohnungen umzuwandeln bereit sei. Bisher sind sie als Übergangswohnungen für Flüchtlinge von der Stadt angemietet. „Der hat mir gratuliert, dass wir bleiben können“, sagt der Mann ein wenig fassungslos. Denn die Freude war verfrüht: Während Detlev Pilger (SPD) die Information hatte, die Bima stimme der Umwandlung zu, will die Stadt an den Übergangswohnungen festhalten.

„Man hat uns lediglich angeboten. dass zehn Familien für drei Jahre bleiben könnten“, sagt Laura Martin Martorell, integrationspolitische Sprecherin der Grünen. „Aber damit verschiebt man das Problem nur. Und wer will auswählen, wer bleiben darf und wer nicht?“ Die Stadt wolle dazu Kriterien entwickeln, sei ihnen gesagt worden: Familien mit Grundschulkindern sollen bevorzugt werden, „aber das haben fast alle hier“, sagt Sabine Brunke vom Malteser Hilfsdienst, die in der Flüchtlingshilfe engagiert ist. Die Stadt bestätigt auf Anfrage in aller Kürze: „Es zeichnen sich vereinzelte temporäre Lösungen ab, die Stadt befindet sich aber derzeit noch in Gesprächen mit der Bima.“

Negative Zeichen oder Bemerkungen auf ihre Bewerbungen um Wohnungen sind für die Flüchtlingsfamilien an der Tagesordnung. Foto: Doris Schneider

Einige Familien haben in den vergangenen Monaten eine andere Wohnung gefunden. Über Bekannte, nie über den normalen Wohnungsmarkt, sagt Ammar Alcerer. „Ja, wir ziehen auf die Karthause“, sagt eine der Frauen leise. Die Wohnung ist größer als die hier auf der Pfaffendorfer Höhe – „aber meine Kinder sind total traurig, dass sie wegmüssen.“ Aber sie hat den Druck nicht mehr ausgehalten, nicht zu wissen, wie es weitergeht.

Mit der Stadt gab es ein Gespräch zu der Situation, sagt Laura Martin Martorell. Dabei sei eingeräumt worden, dass es ein Fehler war, die Familien mit bis zu fünf Jahren so lange in den Übergangswohnungen zu lassen, dass sie sich eingelebt haben und die Pfaffendorfer Höhe als ihre Heimat betrachten. Gleichzeitig bestehe die Stadt aber nun darauf, dass die Wohnungen geräumt werden, damit sie im Sinne des Integrationskonzeptes mit neuen Flüchtlingsfamilien belegt werden können. Denn diese Stufen sieht das Integrationskonzept vor: Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft, Umzug von Familien in Übergangswohnungen mit Betreuung, Umzug in eigene Mietswohnungen. „Dabei werden die Wohnungen im Moment überhaupt nicht gebraucht. Es geht nur um Zahlen und Verwaltungsaufgaben“, sagt Laura Martin Martorell. In der Gemeinschaftsunterkunft Niederberg leben derzeit 71 Personen, davon sieben Familien, in der Gemeinschaftsunterkunft Rauental 59, darunter elf Familien, so die Stadt auf Anfrage.

„Der auf der Pfaffendorfer Höhe gelebten Integration und den Anstrengungen, die dafür in den letzten Jahren sowohl von der Seite der Geflüchteten als auch von der Aufnahmegesellschaft geleistet wurden, wurde keine Bedeutung zugemessen“, schreibt die Nachbarschaftsinitiative in einem Brief an Oberbürgermeister David Langner und Bürgermeisterin Ulrike Mohrs nach einem ersten Gespräch. Für die Familien sei es grausam, wieder vertrieben zu werden, zumal die Stadt kaum Anstrengungen unternommen habe, Alternativen zu schaffen, beispielsweise im Sozialen Wohnungsbau. Im Viertel funktioniere echte Integration, die nun ausgehebelt werde. Auch für die Schule sei es mehr als schwierig, wenn sie sich jetzt auf immer neue Familien einstellen müsse und diese dann auch wieder wegziehen, kaum dass sie sich eingelebt haben. „Mit Integration hat das nichts zu tun“, sagt Laura Martin Martorell bitter.

Von unserer Redakteurin Doris Schneider

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