Alle drei Monate muss er der Stadt nachweisen, welche Anstrengungen er unternommen hat, eine andere Wohnung zu finden, beschreibt Ammar Alcerer stellvertretend für die anderen und blättert eine Mappe mit Absagen durch: Dieser eine Vermieter will gar nicht an Familien vermieten, obwohl die Wohnung groß ist. Ein anderer jedenfalls nicht an eine Familie mit vier Kindern. Viele antworten gar nicht. Und manche schicken eben kotzende Emojis.
Seine Kinder gehen zur Schule, seine Frau macht gerade eine Prüfung und ist dann Zahnärztin, sagt Alcerer. Aber sie ist – wie alle Familien, die in dieser Situation sind – gestresst, unter Druck. Die Erlaubnis der Stadt, in der Wohnung zu bleiben, wird immer nur für drei Monate verlängert. Das ist nicht viel, sagen alle, die zu dem Gespräch mit der RZ in den Garten für alle gekommen sind, einem Projekt des BUND unter der Initiatorin Anja Hainz. Die Familien sehnen sich nach Sicherheit, nach Planbarkeit.
Einer der Männer zeigt eine Mail: Jemand vom Integrationsbeirat hat ihm vor Kurzem einen Artikel weitergeleitet. Die SPD hatte diese Pressemitteilung reingegeben, nach der die Bima die Wohnungen in normale Mietwohnungen umzuwandeln bereit sei. Bisher sind sie als Übergangswohnungen für Flüchtlinge von der Stadt angemietet. „Der hat mir gratuliert, dass wir bleiben können“, sagt der Mann ein wenig fassungslos. Denn die Freude war verfrüht: Während Detlev Pilger (SPD) die Information hatte, die Bima stimme der Umwandlung zu, will die Stadt an den Übergangswohnungen festhalten.
„Man hat uns lediglich angeboten. dass zehn Familien für drei Jahre bleiben könnten“, sagt Laura Martin Martorell, integrationspolitische Sprecherin der Grünen. „Aber damit verschiebt man das Problem nur. Und wer will auswählen, wer bleiben darf und wer nicht?“ Die Stadt wolle dazu Kriterien entwickeln, sei ihnen gesagt worden: Familien mit Grundschulkindern sollen bevorzugt werden, „aber das haben fast alle hier“, sagt Sabine Brunke vom Malteser Hilfsdienst, die in der Flüchtlingshilfe engagiert ist. Die Stadt bestätigt auf Anfrage in aller Kürze: „Es zeichnen sich vereinzelte temporäre Lösungen ab, die Stadt befindet sich aber derzeit noch in Gesprächen mit der Bima.“
Mit der Stadt gab es ein Gespräch zu der Situation, sagt Laura Martin Martorell. Dabei sei eingeräumt worden, dass es ein Fehler war, die Familien mit bis zu fünf Jahren so lange in den Übergangswohnungen zu lassen, dass sie sich eingelebt haben und die Pfaffendorfer Höhe als ihre Heimat betrachten. Gleichzeitig bestehe die Stadt aber nun darauf, dass die Wohnungen geräumt werden, damit sie im Sinne des Integrationskonzeptes mit neuen Flüchtlingsfamilien belegt werden können. Denn diese Stufen sieht das Integrationskonzept vor: Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft, Umzug von Familien in Übergangswohnungen mit Betreuung, Umzug in eigene Mietswohnungen. „Dabei werden die Wohnungen im Moment überhaupt nicht gebraucht. Es geht nur um Zahlen und Verwaltungsaufgaben“, sagt Laura Martin Martorell. In der Gemeinschaftsunterkunft Niederberg leben derzeit 71 Personen, davon sieben Familien, in der Gemeinschaftsunterkunft Rauental 59, darunter elf Familien, so die Stadt auf Anfrage.
„Der auf der Pfaffendorfer Höhe gelebten Integration und den Anstrengungen, die dafür in den letzten Jahren sowohl von der Seite der Geflüchteten als auch von der Aufnahmegesellschaft geleistet wurden, wurde keine Bedeutung zugemessen“, schreibt die Nachbarschaftsinitiative in einem Brief an Oberbürgermeister David Langner und Bürgermeisterin Ulrike Mohrs nach einem ersten Gespräch. Für die Familien sei es grausam, wieder vertrieben zu werden, zumal die Stadt kaum Anstrengungen unternommen habe, Alternativen zu schaffen, beispielsweise im Sozialen Wohnungsbau. Im Viertel funktioniere echte Integration, die nun ausgehebelt werde. Auch für die Schule sei es mehr als schwierig, wenn sie sich jetzt auf immer neue Familien einstellen müsse und diese dann auch wieder wegziehen, kaum dass sie sich eingelebt haben. „Mit Integration hat das nichts zu tun“, sagt Laura Martin Martorell bitter.