Koblenz
Fehler im Gesundheitssystem: Koblenzer Krankenhäuser tragen das Risiko

Auch am Marienhof werden am Aktionstag Mitarbeiter auf die Unterfinanzierung der Krankenhäuser hinweisen.

Reinhard Kallenbach

Koblenz. Drohen weitere Einschnitte an deutschen Krankenhäusern? Trotz der jüngsten Entscheidung des Bundeskabinetts ist diese Frage nicht vom Tisch. Für Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen verbirgt sich hinter den versprochenen Nachbesserungen eine Mogelpackung, weil sogar weitere Einsparungen wahrscheinlich sind. Und die sind auch Thema beim Aktionstag am Mittwoch, 23. Juni, an Koblenzer Kliniken.

Eine Analyse von Reinhard Kallenbach

Auch in Krankenhäusern des Oberzentrums weisen Mitarbeitervertreter auf Fehler in einem System hin, das seit dem Inkrafttreten des Gesundheits-Strukturgesetzes am 1. Januar 1993 weiterentwickelt wurde. Um die Kostenexplosion an Krankenhäusern einzudämmen, wurden seinerzeit Fallpauschalen festgelegt. Das bedeutet, dass es unabhängig von individuellen Sonderlagen immer den gleichen Betrag gibt. In der Praxis heißt das: Wenn zum Beispiel ein Patient infolge einer Blinddarmoperation länger in der Klinik bleiben muss, als festgelegt, trägt das Krankenhaus das alleinige Risiko, zahlt also drauf. Bei der Notaufnahme von Patienten ist es sogar noch extremer: „Hier bezahlen die Kassen immer nur einen Teil, der Rest bleibt an den Krankenhäusern hängen“, sagt Walter Minning, Vorsitzender der Gesamtmitarbeitervertretung der BBT-Gruppe.

Tatsachen wie diese haben die deutsche Krankenhauslandschaft in den vergangenen 15 Jahren dramatisch verändert. Es gab zahlreiche Privatisierungen – bis auf die Ebene von Universitätskliniken. Kommunen oder gemeinnützige Träger, die genau das nicht wollten, weil sie eine Versorgung in der Fläche weiterhin garantierten, leiteten Fusionen ein. In Koblenz stehen hierfür das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein und eben das Katholische Klinikum. Die beteiligten Träger wollen auf diese Weise Strukturen straffen, Kosten senken und gleichzeitig bessere Entwicklungsmöglichkeiten für das Personal schaffen. Nicht nur Gewerkschafter bezweifeln, ob dies dauerhaft möglich sein wird. „Wenn überhaupt, wurden die Fallpauschalen eher nach unten korrigiert“, bilanziert Walter Minning. Dazu kommt, dass es regionale Unterschiede gibt, denn das Krankenhauswesen ist Sache der Länder. Somit gibt es mit dem Ländervergleich eine weitere Stellschraube. Nicht umsonst kritisieren Gewerkschafter, dass sich die öffentliche Hand trotz der gewährten Zuschüsse immer weiter aus der Verantwortung zieht. Ergebnis: Die Kosten bleiben an den Kassen und den Trägern der bundesweit rund 2000 Krankenhäuser hängen. Beide Seiten legen im Institut für das Entgeltsystem die Fallpauschalen fest. Viel Luft nach oben ist da nicht. Das hat Folgen. Verdi erinnert an eine europaweite Untersuchung, in der Deutschland gar nicht gut abgeschnitten hat. Demnach muss ein Pfleger hierzulande 9,9 Patienten betreuen. Schlechter war nur noch Belgien mit 10,2 Patienten. Am besten sieht es in Norwegen mit einem Schnitt von 3,7 Patienten aus. Auch die Niederlande (4,8), die Schweiz (5,3), Finnland (5,4) und England (7,8) sind deutlich besser dran. Bezeichnend ist, dass sich nur 49 deutsche Kliniken an der Erhebung beteiligten.

Notaufnahme: Krankenhäuser legen drauf

Die Aktion an den Koblenzer Kliniken hat auch einen bundespolitischen Hintergrund: Das Bundeskabinett hat erst am 10. Juni ein neues Krankenhaus-Strukturgesetz beschlossen.

Ziel dieses neuen Gesetzes, über das der Bundestag noch entscheiden muss, ist es, die Qualität der Krankenhausversorgung zu stärken und mehr Pflegekräfte ans Krankenbett zu bringen.

Der neue gesetzliche Rahmen bedeutet nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft kommunaler Großkrankenhäuser Kürzungen von mehr als 1 Milliarde Euro. Laut Pressemitteilung ist deren Vorstand vor allem über die Abschaffung des sogenannten Versorgungszuschlages verärgert. Dieser war erst im Jahr 2013 eingeführt worden, um chronisch unterfinanzierte Krankenhäuser zu unterstützen. Die Arbeitsgemeinschaft befürchtet, dass den Kliniken Zuschüsse in einer Gesamthöhe von 500 Millionen Euro verloren gehen. Das vom Bundeskabinett angekündigte Förderprogramm für Pflegekräfte gleicht aus Sicht des Vorstands Helmut Schüttig die Streichungen an anderer Stelle nicht aus.

Aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft ist die Situation an deutschen Krankenhäusern dramatisch. Sie rechnet exemplarisch vor, dass die Krankenkassen für einen Patienten, der in der Notaufnahme betreut wird, lediglich 30 Euro bezahlen. Dabei liegen die tatsächlichen Kosten bei durchschnittlich 120 Euro. Das bedeutet: Die Krankenhäuser legen drauf. Und das könnte auch in Zukunft so bleiben, wenn seitens der Politik nicht kräftig nachgebessert wird. ka

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