Von unserer Redakteurin Doris Schneider
Dass das außerdem noch geschieht, während der Verkehr auf der Brücke weiterläuft, das ist schon etwas ganz Besonderes.
Umso gespannter sind auch die RZ-Leser, die sich an diesem Nachmittag im Baucontainer in der Weinbergstraße versammelt haben. Hier hat das Tiefbauamt für die Dauer des Neubaus eine Dependance eingerichtet, um ständig an Ort und Stelle die Lage im Blick zu haben. Der fällt im Moment auf eine Brücke, deren (stadteinwärts gesehen rechte) Hälfte abgerissen ist, während der Verkehr auf der linken Seite weiterrollt. Da oben gibt es zwar keine Schutzplanken, aber trotzdem kann nichts passieren, versichert Peter Schwarz, Leiter der Abteilung Straßen- und Brückenbau: „Das ist so gut gesichert, dass keiner runterfällt, auch wenn er dagegenfährt.“ Denn ein etwas mulmiges Gefühl haben viele schon, wenn sie so nah an der Abbruchkante fahren. Auch deshalb hat die Stadt den „Gafferzaun“ ein bisschen verlängert, denn unmittelbar vor der Baustelle konnte man von oben zuvor noch einen Blick runterwerfen. „Und da sind dann alle plötzlich nur 20 gefahren, obwohl 50 erlaubt ist.“
Die Besucher aber schauen im Moment von unten auf die Brücke, die mit rund 100 000 Fahrzeugen eine der meistbefahrenen und wichtigsten Brücken in Deutschland ist. Das ist auch der Grund, warum die spektakuläre Arbeitsweise gewählt wurde, wie sie nun hier abläuft. Um zu gewährleisten, dass immer zwei Spuren stadteinwärts befahren werden können, wird das 200 Meter lange marode Stück, die alte Vorlandbrücke über Lützel (siehe auch unten stehenden Text) in zwei Etappen abgerissen und neu gebaut. Dadurch ist es bis auf ganz wenige Tage möglich, den Verkehr in diese Richtung fließen zu lassen.
Aber das klingt nicht nur kompliziert, das ist es auch. Kein Wunder, dass die Leser wieder und wieder ungläubig nachfragen und es sich noch mal und noch mal von Peter Schwarz und Baudezernent Martin Prümm erklären lassen: Die Brücke ist der Länge nach durchgeschnitten worden. Der Verkehr fließt jetzt auf dem linken Teil, der rechte ist abgerissen worden, nachdem die sogenannten Brückenkappen, auf denen unter anderem Fuß- und Radweg waren, entfernt worden waren.
Gerade sind neue Pfähle mit einem Durchmesser von 1,20 Meter tief in den Fels gebohrt worden. Das ist nötig, weil der Boden selbst zu weich ist, um die Brücke zu tragen. Die Pfähle (durch neue Techniken sind nur noch sechs nötig, nicht mehr zwölf wie bei der alten Brücke) werden zur Grundlage für die Stützen, die in den kommenden Wochen und Monaten aufbetoniert werden.
Und dann wird es richtig kompliziert: Wenn der rechte Teil der Brücke so weit vorbereitet ist, wird der auf den Pfeilern aufliegende sogenannte Brückenüberbau mit Längsträgern aus Spannbetonfertigteilen und einer Fahrbahntafel aus Beton hergestellt. Ist dies fertig, wird der Verkehr auf diese neue Fahrbahn gelegt.
Und weiter geht es mit der zweiten Hälfte der Brücke: Auch dieser Teil, der dann zwischen der neuen Brückenhälfte und der stadtauswärts führenden Brücke liegt, wird abgerissen, die Pfähle werden gebohrt, die Stützen gebaut. Und dann wird mit hydraulischen Geräten die neue Fahrbahn von der einen auf die andere Seite gezogen, sodass der Verkehr wieder (wie heute) auf der linken Seite der Brücke fährt. Das ist nötig, weil nur auf der rechten Seite genug Platz ist, um die noch fehlende Fahrbahn mit großen Geräten zu bauen.
Wenn alles fertig ist, wird die Brücke in etwa die gleichen Maße haben wie vor dem Neubau, natürlich auch wieder einen Rad- und Fußweg, sagt Peter Schwarz. Er ist zuversichtlich, dass alles wie geplant bis Frühjahr 2016 über die Bühne ist.
Genauso sicher ist er auch, dass die Brückenfachleute in Koblenz nie arbeitslos werden. „Aber das ist in anderen Städten genauso.“ Als nächstes großes Projekt steht der Neubau der Pfaffendorfer Brücke an, voraussichtlich etwa ab dem Jahr 2017. „Und das wird noch anspruchsvoller als die Europabrücke.“