Die Frauenrechtsorganisation Solwodi (Solidarity with women in distress/Solidarität mit Frauen in Not) berichtet von 104 Frauen, mit denen sie im vergangenen Jahr erstmalig Kontakt hatte. Die steigende Zahl an Erstkontakten zeigt, dass Gewalt gegen Frauen – insbesondere innerhalb patriarchaler Strukturen – weiterhin ein ernstes gesellschaftliches Problem bleibt, heißt es in einer Pressemitteilung.
Die Sozialarbeiterinnen von Solwodi Koblenz beraten häufig Frauen, die von ihrer Familie durch sogenannte Ehrgewalt bedroht sind. Im Jahr 2024 kam es bei einigen Betroffenen sogar zu konkreten Ehrenmorddrohungen durch Angehörige. Auch Zwangsverheiratungen oder die konkrete Gefahr einer solchen Verbindung spielten in mehreren Fällen eine Rolle. Dies betrifft insbesondere Schülerinnen, die sich nach Workshops von den Sozialarbeiterinnen an Schulen erstmals an Solwodi wandten. Insgesamt zeigt sich, dass das Thema Zwangsverheiratung durch die präventive Arbeit sichtbarer geworden ist. Ein Drittel aller Klientinnen erfuhr Gewalt innerhalb der Familie oder in Partnerschaften.
Während digitale Gewalt bislang eher ein Randthema war, nimmt die Bedeutung in den vergangenen Monaten spürbar zu. Besonders Frauen, die von sogenannter Ehrgewalt betroffen sind, berichten vermehrt von digitaler Überwachung und Bedrohung durch ihr Umfeld. Des Weiteren suchten einige Frauen, die von Prostitution betroffen sind, die Unterstützung der Fachberatungsstelle. Zudem beriet Solwodi Frauen, bei denen Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung und Zwangsprostitution vorlag.
„Die Gründe, warum Frauen sich an uns wenden, sind komplex und vielschichtig – viele erleben familiären Druck, existenzielle Unsicherheit und unterschiedliche Formen von Gewalt“, erklärt Maria Decker, Vorsitzende von Solwodi. „Unser Ziel ist es, die Frauen zu stärken und ihnen konkrete Perspektiven aufzuzeigen.“
Die Fachberatungsstelle Solwodi Koblenz begleitet betroffene Frauen mit psychosozialer, kultursensibler und traumasensibler Beratung. Neben rechtlicher Unterstützung und Hilfe bei Behördenkontakten steht die Entwicklung langfristiger Auswege im Fokus. Bei 17 Betroffenen erfolgte eine Vermittlung in Schutzunterkünfte. Ein besonderes Angebot ist die anonyme Unterbringung von Mädchen und jungen Frauen zwischen 16 und 21 Jahren, die bereits früh von Zwang oder Gewalt betroffen sind.
„Die hohe Zahl an Anfragen zeigt, dass Gewalt gegen Frauen keine Randerscheinung ist, sondern ein strukturelles Problem – mitten in unserer Gesellschaft. Betroffene brauchen niedrigschwellige Anlaufstellen, denen sie vertrauen können“, betont Decker.
Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Erstkontakte bei Solwodi Koblenz erneut gestiegen: von 93 auf 104. Der Anstieg der Erstkontakte spiegelt den bundesweiten Trend wider: auch deutschlandweit stieg die Zahl der Erstkontakte 2024 bei Solwodi um 12,8 Prozent. Dies deckt sich mit den Entwicklungen, die das Bundeskriminalamt in seiner Statistik zur Gewalt an Frauen für 2023 festhält. Häusliche Gewalt stieg um 5,6 Prozent, Menschenhandel zum Zweck sexueller Ausbeutung nahm um 6,9 Prozent zu. red