Rund um die nahende Veranstaltung der europäischen ENF-Fraktion in Koblenz wird viel geschrieben, veröffentlicht, im Internet gepostet und kommentiert – zu beurteilen, was davon wahr, unwahr oder gar satirisch gemeint ist, bereitet bisweilen Schwierigkeiten.
So hat jetzt offenbar ausgerechnet die islamkritische Pegida-Bewegung mit ihrem Vordenker Lutz Bachmann den Überblick verloren und ist auf die erfundene Nachricht reingefallen, die Stadt Koblenz wolle die Rhein-Mosel-Halle noch schnell verkaufen, damit sie den rechtspopulistischen und rechtsextremen Mitgliedern der ENF-Fraktion am 21. Januar die Halle nicht überlassen muss.
Rund um den Jahreswechsel war bekannt geworden, dass die ENF-Fraktion im europäischen Parlament mit der französischen Front-National-Chefin Marine Le Pen an der Spitze am Samstag, 21. Januar, in der Rhein-Mosel-Halle eine Tagung mit prominenten Rednern abhalten will.
Zu dem Treffen der ENF-Fraktion am 21. Januar in Koblenz werden unter anderem AfD-Chefin Frauke Petry und die Präsidentschaftskandidatin der rechtsextremen französischen Partei Front National, Marine Le Pen erwartet. Mehr als 1000 Menschen wollen gegen die Rechtspopulisten demonstrieren.
Die Stadt Koblenz als Halleneigentümerin prüfte, ob sie dagegen eine Handhabe hat – hat sie nicht, da es sich um eine öffentliche Halle handelt. Also wurde ein Mietvertrag abgeschlossen und Vorkasse vereinbart und geleistet.
Daran knüpfte Tage später die augenscheinlich satirisch gemeinte „Nachricht“ der erfundenen Zeitung „Kölner Abendblatt“ an. „Stadt Koblenz verhindert rechten Kongress durch Verkauf der Stadthalle“, lautet die Überschrift. In dem Text wird behauptet, dass der Stadtrat in geheimer Abstimmung mit großer Mehrheit (ohne die Stimmen der AfD) für den schnellen Verkauf an einen chinesischen Flughafenbetreiber gestimmt hat – und zwar für den Spottpreis von nur 17 Millionen Euro. Und das, obwohl die Totalsanierung der Halle schon 32 Millionen Euro gekostet habe. Koblenzer wissen freilich: Alles frei erfunden und auch klar kenntlich gemacht – aber durchaus pointiert.
"Unglaublich! Der Stadt Koblenz ist Demokratie ein Dorn im Auge", mit diesen Worten empörte sich Pegida-Vordenker Lutz Bachmann öffentlich auf Facebook, nachdem er den Artikel "Stadt Koblenz verhindert rechten Kongress durch Verkauf der Stadtkasse " gelesen hatte... Für Pegida-Anhänger ein gefundenes Fressen. "Schlimmer geht's doch fast nicht mehr" oder "Das ist ein Skandal erster Güte..." - war in den Kommentaren zu lesen... Und die Pegida-Facebookseite mit weit mehr als 40.000 Fans teilte den Beitrag ebenso... Und dann kam die Erkenntnis: "Da sind wir wohl mal reingefallen... der Artikel des Kölner Abendblatt zum Verkauf der Halle in Koblenz war wohl nicht echt. Chapeau!", schrieb Lutz Bachmann bei Facebook.
Doch die „Fake News“ (erfundene Nachricht) erregte offenbar die Aufmerksamkeit des Pegida-Gründers Lutz Bachmann. „Unglaublich!“, wütete er bei Facebook, „der Stadt Koblenz ist Demokratie ein Dorn im Auge!“ Sein Beitrag, der auf die Seite des „Kölner Abendblattes“ verwies, wurde wiederum von der offiziellen Pegida-Facebookseite weiterverbreitet (geteilt). Und rasch kamen die ersten Kommentare – Hinweise darauf, dass es sich um „Fake News“ handelt, aber auch Politikerschelte von Leuten, die der Meldung ebenfalls auf den Leim gegangen sind: „Wer wählt bloß solche Politiker, die solche Angst vor was haben?“, schreibt ein Nutzer. Auf Bachmanns Seite wird der Hallenverkauf als „Skandal erster Güte“ bezeichnet. Die Halle den Chinesen zu verkaufen findet ein anderer „ aber immer noch besser als den Türken“.
Wenig später scheint Pegida den Irrtum bemerkt zu haben. Das Posting wurde gelöscht, stattdessen wurde eine „Korrektur“ veröffentlicht:
„Da sind wir wohl mal reingefallen“, heißt es, „solche Fehler passieren natürlich auch uns mal.“ Dafür gibt es von der eigenen Klientel Lob: „Ihr steht wenigstens dazu, im Gegensatz zur Lügenpresse!“ Doch längst nicht jeder scheint dem Widerruf zu trauen. Einer kommentiert: „Wetten, der war echt. Nur um es zu vertuschen wird jetzt behauptet, dass es ein Fake war.“
Dokumentiert wurde der Reinfall auf der Seite „Reddit“. Aufmerksam gemacht wurde darauf unter anderem vom Koblenzer Kreisverband der Satirepartei „Die Partei“.
Von unserem Redakteur Tim Kosmetschke
[Update 16.45 Uhr] Nach Veröffentlichung des Artikels haben sich die Koblenzer Betreiber der Seite “Kölner Abendblatt" und anderer Seiten via Facebook bei der RZ gemeldet und erklärt, dass sie auch die Autoren der Meldung seien. Sie haben außerdem unter der Meldung ergänzt, dass auf ihrer Plattform neben Fake- auch Satireartikel veröffentlicht werden.