Michael Dötsch übergibt Ehrenamt als Bürgermeister von Kobern-Gondorf an seinen Bruder Martin - Schon Vater war Ortschef
Ein Ort in Familienhänden: Michael Dötsch übergibt Bürgermeisteramt an seinen Bruder Martin
Feierabend für den einen, Dienstbeginn für den anderen: Michael Dötsch (links) übergibt nach 15 Jahren im Ehrenamt die Geschäfte als Ortsbürgermeister an seinen Bruder Martin (rechts). Foto: Stefanie Braun
Stefanie Braun

In Kobern-Gondorf steht ein Machtwechsel an: Michael Dötsch (56) übergibt das Amt als Bürgermeister nach 15 Jahren an seinen Bruder Martin (58). Schon ihr Vater war Kommunalpolitiker und Winzer: Franz Dötsch war über 20 Jahre Verbandsgemeindebürgermeister, war Jahrzehnte im Kreistag, im Verbandsgemeinderat, vorab Ortschef. Wieso der eine Dötsch nun aufhört, der andere übernimmt und was Politik in der Familie Dötsch bedeutet, darüber reden die Brüder mit unserer Zeitung.

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Ermüdungserscheinungen sind es nicht, stellen die Brüder Martin und Michael Dötsch klar. Der Jüngere, Michael Dötsch, möchte nicht länger Ortschef von ihrer Heimatgemeinde Kobern-Gondorf sein, sein Bruder wird nach der Kommunalwahl Anfang des Monats das Amt übernehmen. Ja, nach einem Karriereschritt bei seinem Arbeitgeber Westnetz sei der Hauptjob fordernder geworden, heißt es von Michael, vor allem habe er sich selbst aber geschworen, dass er mit einem klaren Schnitt aus dem Ehrenamt scheiden möchte.

Deshalb hat er vor etwa einem Jahr seinen Bruder Martin angesprochen: Es gebe Projekte, die so weit wie möglich fortgeführt werden sollen, ob der Bruder sich das vorstellen könne. Martin Dötsch lässt sich Zeit zum Überlegen, bespricht es mit der Familie, immerhin führt man gemeinsam ein Weingut: „So eine Aufgabe ist mit Zeitaufwand verbunden“, fasst er die Bedenken zusammen. Der ausschlaggebende Grund, warum er sich schließlich für eine Kandidatur entscheidet, ist der Ort selbst. Er hängt an der Heimat, sieht das Amt als Möglichkeit, das eine oder andere anzugehen. Martin Dötsch gewinnt die Wahl mit 54,4 Prozent gegen den Gegenkandidaten Christian Comes.

Gemeinde kann gleich mehrere Projekte angehen

Er komme aus einem grünen Beruf, sagt Martin Dötsch, daher sei er besonders interessiert an Themen wie Hochwasser, Starkregenkonzepten, Forstwirschaft, Anpassungen an den Klimawandel. Kobern-Gondorf sei eine Flächengemeinde, mit sehr großen Anteilen an Ackerland, Weinbau und Wald, 2800 Hektar schlagen für diesen Bereich zu Buche. Sie als Weingut leisten ihren Beitrag um der Biotopbetreuung für den Mosel-Apollofalter unter die Arme zu greifen. Dazu zählt Wasser vor Ort zu schaffen oder auch Rückmeldung an Fachleute zu geben. Leider seien die Bestandszahlen in diesem Jahr noch weiter eingebrochen, weiß Martin Dötsch. Sein Vater habe in den 1980er Jahren noch zwischen 500 und 1000 Individuen im Weinberg gezählt, seit 2011 breche die Population massiv ein: „Ich weiß gar nicht, ob wir in den letzten Jahren in Kobern noch zweistellig waren, die Sichtungen sind erschreckend gering“, sagt Dötsch. Als Gemeinde könne man da wenig tun, als Winzer schon.

Aber es gibt auch genug Projekte, die die Gemeinde angehen will: Altersgerechtes Wohnen, ein zweiter Markt auf der freigelegten, aber stillstehenden Baufläche nahe der Moselgoldbrücke, hier hoffe man auf eine einvernehmliche Lösung mit der Denkmalbehörde. Immerhin wurden auf dem Areal Keltengräber gefunden. Das Gemeindehaus Dreckenach, die ehemalige Schützenhalle Gondorf, die Toilettenanlagen im Heimatmuseum, der potenzielle Bolzplatz direkt am Sportplatz, all dies steht auf dem Tableau.

Ich wollte nie aus dem Amt getragen werden.

Michael Dötsch

Themen, die Michael Dötsch nun übergibt. Für ihn war klar, es wird ein definiertes Ende geben: „Ich wollte nie aus dem Amt getragen werden“, sagt er. Natürlich sei es ein Amt, in dem man zusammen mit dem Rat Entwicklungen eines Ortes festlegt, dennoch habe jeder seine eigene Sichtweise auf Themen und deren Prioritäten. „Deswegen ist es wichtig, nach einer gewissen Zeit einen Wechsel zu haben, um andere Schwerpunkte zu setzen.“ Ja, er habe Erfahrungen, ein Netzwerk, wisse wie man effizient arbeitet, „aber dabei läuft man auch Gefahr, betriebsblind zu werden“. Das Herzblut und der Spaßfaktor seien weiterhin da – deswegen bleibe er auch Teil des Gemeinderates.

Dennoch: Zwei Brüder geben sich das Zepter in die Hand? Ist da der Gedanke an Vetternwirtschaft nicht nah? Die beiden schütteln den Kopf, sie seien seit 35 Jahren lokalpolitisch aktiv, man hätte gemerkt, wenn sie sich in der Zeit Aufträge zugeschustert hätten. „Dafür leben wir in einer Demokratie, und die Legitimation ist ja nun doppelt abgesichert, weil es ja noch einen Mitbewerber gab“, sagt Martin Dötsch. Sprich: Wäre das Vertrauen in ihn nicht da gewesen, hätte es ja auch der Gegenkandidat werden können. Der Bürgermeister sei sicher ein Taktgeber, weiß Martin Dötsch, aber der Gemeinderat ist die Legislative.

Als Taktgeber war auch ihr Vater im Einsatz: 1963 wurde Franz Dötsch Bürgermeister – da waren sie vielleicht in der Planung, scherzt Michael Dötsch. Gekannt haben sie den Vater nur so: als Kommunalpolitiker. Als der damalige Ministerpräsident Helmut Kohl 1969 anlässlich des Zusammenschlusses der Gemeinden Kobern und Gondorf zu Gast im neuen Kobern-Gondorf war, führte der Vater diesen durch den Ort – während ein noch sehr junger Michael an der Hand vom Ortsvorsteher Dreckenachs mitlief. Und natürlich kennen sie ihn als Vater, der mit ihnen Fußball spielen gegangen ist, sonntags Wanderungen gemacht hat. Bevor er 1983 den Weinbaubetrieb von den Eltern übernahm, war Franz Dötsch bei der Landsiedlung Rheinland-Pfalz GmbH, die landwirtschaftliche Betriebe aus den Ortszentren auf „die grüne Wiese“ versetzte.

Dort einbringen und aktiv sein, wo man lebt

Aber Politik war im Hause Dötsch immer ein Thema, erinnern sich die Söhne. Sonntags startete der Tag mit der Messe, nach dem Frühschoppen wurde die Bonner Runde geschaut, als Familie aktuelle Themen diskutiert, dann gab's Mittagessen. Mit vier Kindern konnten die Diskussionsrunden auch mal über das Mittagessen hinaus andauern. Das politische Interesse hat man mitgenommen, auch wenn es nie der explizite Wunsch der Eltern war, dass sie sich politisch engagieren. So habe er für den VG-Rat kandidiert, ohne dass der Vater es wusste, sagt Michael Dötsch. Das Credo der Eltern war eher, sich dort einzubringen, wo man lebt, aktiv in Vereinen zu sein. Stolz sei man auf die Familie schon, sagt Martin Dötsch, aber auch im Wissen, dass Engagement nicht bei allen auf Gegenliebe stoßen muss – und man in einen Schuhkarton gesteckt wird à la „Du bist ein Dötsch“.

Scharfe Gegenwinde hatte auch der Vater auszufechten und Rückschläge zu verkraften. Einer traf ihn ganz besonders: Als es um seine Nachfolge als VG-Bürgermeister ging, erlebte der Vater eine Ohrfeige aus der eigenen Partei, der CDU. Dem Vater sei das Parteibuch keine Bibel gewesen, sagt Martin, deswegen war er in den eigenen Reihen oft umstritten. Die CDU sollte als Gemeinschaft in eine andere Richtung gehen, war die Meinung von Franz Dötsch, da war er in der Minderheit. Auch was seine Nachfolge anbelangte. Ein Kandidat wurde mit großer Mehrheit aufgestellt, Dötsch hatte sich für einen anderen ausgesprochen, der ein stückweit in seinem Sinne weitermachen sollte. Die Demokratische Entscheidung gegen seine Idee habe er akzeptiert, die teils sehr direkten Redebeiträge gegen ihn enttäuschten ihn.

Familienhistorie in Kobern reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück

Auch die Kinder von Martin und Michael Dötsch – und auch Bruder Ralf Dötsch, selbst für die FWG im neuen VG-Rat – sind (teils politisch) aktiv und diskussionsfreudig. Martins Sohn Philipp ist mit 51 Prozent Anteilen der Entscheider im elterlichen Betrieb, über neue Ideen und nötige Anpassungen wird immer gesprochen. Michaels Jüngster bringt aus dem Sozialkunde Leistungskurs immer wieder Themen mit nach Hause.

Übrigens: Die Familie Dötsch in Kobern-Gondorf reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück, vorher seien sie auf dem Maifeld ansässig gewesen, weiß Michael. In seinen Augen etwas Schönes, dass man nicht berufsbedingt oder wegen anderen Gründen wegziehen musste. Seit Generationen sind sie hier im Weinbau tätig, sagt Martin, eine Wurzel mehr. Für die Zukunft wünsche er sich einen offenen, fairen Dialog. Er hoffe in seiner kommenden Amtszeit auf klare Worte, direkt ausgesprochen, um Fragen und anderer Meinungen in einem vernünftigen Rahmen klären zu können. Dass Entscheidungen alleine daran ausgerichtet werden, was dem Ort dienlich ist, wünscht sich Michael: „Sich um die besten Lösungen konstruktiv streiten, Entscheidungen treffen und dann umsetzen.“

Die konstituierende Sitzung des Gemeinderats mit Amtseinführung des Bürgermeisters beginnt heute, Mittwoch, 10. Juli, um 19.30 Uhr im Sitzungssaal der Gemeinde.

Von Stefanie Braun

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