Zu diesem Zeitpunkt war die große Dringlichkeit eines anderen Ehrenamts ohnehin nicht mehr so gegeben. Durch die Heirat mit dem Arzt Dr. Yüksel Gök hatte die junge Koblenzerin nämlich plötzlich ganz neue, ihr bis dato unbekannte Themen wahrgenommen. Für deutsche Frauen, die mit einem Ausländer verheiratet waren, war die Welt im Jahr 1967 noch eine andere: Die Rechtsprechung sah noch Dinge vor, die man sich heute nicht mehr vorstellen kann. So bekamen beispielsweise die Kinder aus einer solchen Ehe – die Frau Deutsche, der Mann Ausländer – automatisch die Staatsangehörigkeit des Mannes. Wäre es umgekehrt gewesen – die Frau Ausländerin, der Mann Deutscher –, wären die Kinder Deutsche.
Dinge wie diese trieben Elvira Gök dazu, sich in der Interessengemeinschaft der mit Ausländern verheirateten Frauen zu engagieren, wie es damals hieß, dem heutigen Verband für binationale Familien und Partnerschaften. Lange Jahre war sie auch Landesvorsitzende der Gruppe. Sie baute gemeinsam mit anderen eine Kontaktstelle auf, beteiligte sich an Demonstrationen, verfasste Petitionen. „Das war doch nicht vereinbar mit dem Grundgesetz!“, noch heute kann sie sich über die Situation damals aufregen. Zumal diese Haltung weit ins Private reichte: Als sie als junge Frau, die in der Apotheke im Kemperhof arbeitete, dort ihren späteren Mann kennenlernte, einen Arzt, erntete sie vorsichtig gesagt sehr befremdliche Reaktionen. Eine Ordensschwester sagte gar, sie bete für sie, erinnert sich Gök noch heute.
Im Jahr 1992 hat sie dann gemeinsam mit Gotelinde Günneberg (heute Vowinckel) ein Buch herausgegeben, der Titel: Inländer Ausländer Freunde, in dem gezeigt wird, das Koblenz seit 2000 Jahren multikulturell ist. Dieses Engagement war denn auch der Hauptgrund, warum sie 1994 parteilos für den Stadtrat kandidierte. Zuvor hatte sie bereits für die Grünen im damaligen Ausländerbeirat mitgewirkt, dann wurde sie in den Stadtrat gewählt und wiedergewählt, später dann für die SPD, obwohl sie weiterhin parteilos blieb. „Es war eine interessante Zeit, aber als es vorbei war, war ich auch froh“, sagt sie und lächelt. Heute mit so vielen Fraktionen, das könnte sie sich nicht mehr vorstellen.
Aber nicht nur die Kommunalpolitik und der Einsatz für Integration haben sie nun viele Jahrzehnte begleitet, sondern eben auch das Engagement für Unicef. „Es ist toll, dass die Organisation einen so guten Ruf hat“, sagt sie, das macht es einem inhaltlich leicht, Spenden zu sammeln. Genug Arbeit bleibt es dennoch: Allein der Grußkartenverkauf im Löhr-Center, der über viele Jahre wahnsinnig erfolgreich war und Corona-bedingt ausfiel, erforderte ein rund 50-köpfiges Team. Denn die Öffnungszeiten von 10 bis 20 Uhr mussten eingehalten werden, allein sollte niemand Dienst machen müssen, damit man wenigstens eine kleine Pause machen kann. „Es gab auch immer sehr gute Gespräche mit Kunden“, erinnert sich Gök, außerdem über die Jahre unzählige Veranstaltungen im Löhr-Center, aber auch an vielen anderen Veranstaltungsorten. „Da standen uns immer alle Türen offen.“ Für ihr Engagement hat die Koblenzerin im Jahr 2006 das Bundesverdienstkreuz am Bande bekommen.
Jeden Monat trifft sich die AG Unicef, aber auch da werden es jetzt immer weniger Aktive, wie in vielen anderen Bereichen auch. Viele sind auch schon älter – ein Generationswechsel steht an. Der ehemalige Laden, der nach der Liebfrauenkirche viele, viele Jahre in der Mehlgasse war, ist heute nur noch ein Büro, das man sich mit anderen Gruppen im Dreikönigenhaus teilt. Dabei ist die Arbeit ebenso dringend wie immer, sagt Gök nachdenklich.
Viele Gruppen wie die Theatergruppe „Die Findlinge“ oder der Heartchor, in dem sie selbst länger gesungen hat, sind oft unentgeltlich für Unicef aufgetreten – ihnen gebührt der größte Dank, sagt Elvira Gök. Wie hoch die Spendensumme ist, die in den Jahren ihrer Leitung der AG zusammengekommen ist, hat sie nie gezählt. Gelohnt hätte es sich sicher.