Wer stimmt wie ab?
Diskussion um Abstimmungen spaltet den Koblenzer Rat
Wer hebt die Hand für was? In Koblenz fordern einige Fraktionen im Stadtrat die Aufschlüsselung von Abstimmungen nach Fraktionen.
Justin Buchinger

Welche Partei stimmt wie ab? Für Bürger könnte eine Aufschlüsselung von Abstimmungen nach Fraktionen mehr Transparenz schaffen, argumentieren einige Fraktionen des Koblenzer Stadtrats. Andere sehen darin viel Aufwand, aber wenig Nutzen.

Abstimmungen über Beschlüsse gehören in der Politik dazu, wie der Schängel zu Koblenz. Doch aus Sicht einiger Fraktionen im Koblenzer Stadtrat gibt es ein Problem: Bisher ist nicht ersichtlich, welche Fraktion wie abstimmt. Sie fordern, das Abstimmungsverhalten der Fraktionen muss für alle sichtbar gemacht werden. Bei dem Thema spaltet sich der historische Saal im Koblenzer Rathaus in zwei Seiten – zum wiederholten Mal.

Welche Partei stimmt dafür und welche dagegen? Diese Frage ist im Zuge der Debatten um die Migrationspolitik zuletzt bundesweit in den Fokus gerückt. Nach der Abstimmung über das Zustrombegrenzungsgesetz der CDU veröffentlichte der Bundestag im Detail, wie welcher Abgeordnete abgestimmt hat. Im Bundestag ist das bei umstrittenen Themen gängige Praxis. Ähnliches forderten nun auch die Ratsfraktionen die Linke-Partei, SPD, Bündnis90/Grüne und die Wählergruppe Schängel (WGS) für Koblenz. Bisher wird im Rat nur gebündelt die Zahl der Jastimmen, Neinstimmen und Enthaltungen dokumentiert. Künftig soll dies nach Fraktionen aufgeschlüsselt werden, sagen sie.

Befürworter: Mehr Transparenz möglich

Für Oliver Antpöhler-Zwiernik wäre das nur richtig. „Niemand sollte sich einem Feedback komplett entziehen, wenn wir doch nur hier sitzen dürfen, weil andere Menschen uns das Vertrauen schenken. Das ist der Kern der Demokratie“, begründete der Vorsitzende der Fraktion Die Linke-Partei den Antrag vor seinen Ratskollegen. Bürger hätten so die Gelegenheit, zu vergleichen, ob Parteien halten, was sie versprechen, wenn es um konkrete Entscheidungen geht.

Die Befürworter des Antrags sehen nur Vorteile. „Das ist ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz für die Bevölkerung“, sagte Anne Plato (WGS). Carl-Bernhard von Heusinger hob hervor: Die höhere Transparenz stärke wiederum die politische Verantwortung, „es macht deutlich, welche Meinungen Gruppierungen im Rat vertreten“.

„Die 14 CDU-Mitglieder werden diesem Antrag nicht ihre Zustimmung erteilen.“
Ernst Knopp (CDU), macht deutlich, dass seine Fraktion geschlossen gegen den Antrag ist.

Doch nicht alle der acht Fraktionen im Koblenzer Rat sehen das so. Ernst Knopp (CDU) fühlte sich an den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ erinnert. Zum fünften Mal seit 2020 landete der Antrag (oder ein ähnlicher) auf der Tagesordnung einer Ratssitzung. Knopp machte deutlich, dass auch diesmal nicht mit Zustimmung der Christdemokraten zu rechnen ist: „Die 14 CDU-Mitglieder werden diesem Antrag nicht ihre Zustimmung erteilen, dann brauchen wir auch keinen anderen, um die notwendige Mehrheit zu verhindern.“

Zum Verständnis: Für den Antrag müsste es eine Zweidrittelmehrheit geben, da durch ihn die Geschäftsordnung des Stadtrates geändert würde. In Koblenz wären 38 Jastimmen nötig. Bei 51 anwesenden Ratsmitgliedern reichten also die 14 Neinstimmen der CDU aus, damit nur noch höchstens 37 Jastimmen zusammenkommen würden. Doch so viele wurden es nicht.

Um das Abstimmungsverhalten nach Fraktionen festzuhalten, müsste die Geschäftsordnung des Stadtrats geändert werden.
Matthias Kolk

Auch die Freien Wähler, die FDP und die AfD stimmten gegen eine Aufschlüsselung nach Fraktionen. Joachim Paul (AfD) sagte: „Wir haben ja schon die umfassende Dokumentation durch den Livestream.“ Der Antrag sei zwar eine gute Sache, „nur leider zu bürokratisch und eigentlich überflüssig“. FDP-Vorsitzender Christoph Schöll schloss sich der Argumentation der CDU an, die ihre Haltung wiederum mit einer Stellungnahme der Verwaltung begründete.

Stadt äußert rechtliche Bedenken

Als der Antrag im März 2024 das letzte Mal diskutiert wurde, hatte die Verwaltung in ebendieser Stellungnahme Zweifel geäußert, ob die geforderte Änderung der Geschäftsordnung nicht den Regeln des Gemeinderechts widersprechen könnte. Zudem hält sie die Aufschlüsselung nach Fraktionen in der Praxis für kaum umsetzbar. „Das Abstimmungsverhalten nach Fraktionen von Hand auszuzählen, würde die Ratssitzungen erheblich verlängern oder könnte dazu führen, dass nicht alle Tagesordnungspunkte einer Sitzung behandelt werden können“, hieß es in der Stellungnahme.

Oliver Antpöhler-Zwiernik hielt dem entgegen: Mit einer „gesicherten Abstimm-App“ könnte man die Auszählung vereinfachen. Marion Lipinski-Naumann (SPD) verwies zudem darauf, dass die meisten Beschlüsse im Rat ohnehin einstimmig geschlossen werden, „da ist ja der Aufwand wirklich im Rahmen“. Verständnis für die Sicht der Verwaltung und auch derer, die den Antrag ablehnen, hatte sie nicht. „Das verstößt gegen unser Demokratieverständnis.“

Hilfreich wäre die Dokumentation des Abstimmungsverhaltens aus ihrer Sicht nicht nur für Bürger, sondern auch für die Ratsmitglieder selbst. So könne man selbst Entscheidungsprozesse besser nachvollziehen, wenn bei Themen über Jahre immer wieder Beschlüsse gefasst wurden.

Doch auch der fünfte Versuch scheiterte. Die Linke-Partei, SPD, Grüne und WGS stimmten geschlossen für eine Aufschlüsselung nach Fraktionen, die CDU, Freie Wähler, FDP und AfD stimmten dagegen. Mit 25 Jastimmen war man von einer Zweidrittelmehrheit weit entfernt.

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