Dieblich/Sumbawanga
Dieblicher Ehepaar führt kostenlose medizinische Behandlungen in Tansania durch

Die Dieblicher waren auch Zeugen bewegender Schicksale: Das Bein eines Mädchens konnte nach einer starken Infektion nicht mehr gerettet werden. Die Amputation rettete ihr aber wohl das Leben.

Dieblich/Sumbawanga. Mit einem Urlaub hatte die Reise von Dr. Dieter und Helga Knapp nach Tansania wenig zu tun. Denn das Ehepaar aus Dieblich gehörte zu einem 16-köpfigen Team von Interplast Germany (siehe auch Zusatztext), das in einem Krankenhaus im Südwesten des afrikanischen Landes innerhalb von drei Wochen kostenlos Operationen und Behandlungen durchführte.

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Bei ihrem Einsatz in Tansania hatten Helga und Dieter Knapp ein volles Programm.

Von unserem Redakteur Volker Schmidt

Eine Hilfe, die es für die Menschen in der abgelegenen Region sonst nicht gibt. „Dort kommt auf 3 Millionen Einwohner ein Chirurg“, verdeutlicht Dr. Dieter Knapp, der vor seinem Ruhestand Chef der Orthopädie im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz war.

Viele Menschen kamen, um die Möglichkeit einer Behandlung durch das deutsche Ärzteteam in Anspruch zu nehmen.

Für ihn und seine Frau Helga, eine gelernte Physiotherapeutin, war es nicht der erste humanitäre Einsatz. Zuvor arbeiteten beide schon mehrmals in ähnlichen Teams in Nepal – immer unbezahlt. In Tansania waren die Dieblicher jetzt aber zum ersten Mal. Mit ihnen vor Ort waren Narkoseärzte, plastische Chirurgen, ein Allgemeinchirurg sowie Krankenschwestern und Pfleger.

Die Mediziner arbeiteten in einem kleinen Krankenhaus in Sumbawanga. Um möglichst viele Patienten behandeln zu können, operierten sie in zwei Operationssälen an je zwei Tischen – an 14 bis 15 Stunden pro Tag. Allein Knapp führte 37 Operationen durch, das gesamte Team kam auf 130. Auch andere Maßnahmen innerhalb der Vor- und Nachbehandlung wurden angeboten.

Dabei wurde Dieter Knapp oft mit Krankheitsbildern konfrontiert, die man in Deutschland so kaum noch kennt. Die häufigsten Erkrankungen waren Klumpfüße, Entzündungen von Knochen und Gelenken, frische und falsch verheilte Knochenbrüche und Gelenkfehlstellungen nach kindlichen Verletzungen der Wachstumsfugen. Den Unterschied zum Arbeiten in Deutschland macht Knapp weniger an der Ausstattung der OPs fest, denn Interplast Germany hatte im Vorfeld bereits eine Menge medizinisches Material nach Afrika transportieren lassen. „Wenn ich hier einen Fall habe, der nicht alltäglich ist, dann kann ich mich mit einem Kollegen besprechen. Dort ist das nicht möglich.“

Und ungewöhnliche Fälle gab es einige. Knapp erzählt zum Beispiel von einem Mann, der mit einer zum Oberschenkel hin verschobenen Kniescheibe zu ihm kam. „Als ich ihn fragte, wie lang er das schon habe, hat er gesagt: ,Seit sechs Jahren.'“ Eine Operation war in diesem Fall sinnlos, erklärt Knapp, denn die Muskulatur hatte sich in der Zeit so verkürzt, dass man die Kniescheibe nie wieder an ihrem angestammten Platz hätte fixieren können.

Bewegt hat ihn das Schicksal eines kleinen Mädchens, dem man wegen einer starken Infektion infolge einer Fraktur und einer drohenden Sepsis schließlich das Bein amputieren musste. „Kurz nach der Operation lief sie schon mit Krücken durch die Gegend“, zeigt sich der Arzt beeindruckt von der Tapferkeit des Mädchens, aber auch von der vieler anderer, vor allem kleiner Patienten.

Vielen davon konnten Knapp und seine Frau, die nicht nur bei den Operationen assistierte, sondern auch die physiotherapeutische Nachbehandlung übernahm, zu einer deutlichen Verbesserung ihrer Lebensumstände verhelfen, ihnen eine bessere Zukunft geben. So etwa einem Mädchen, das mit einem Trümmerbruch im Oberschenkel ins Krankenhaus kam. Mithilfe eines Fixateurs wurde das Bein wieder gerichtet. „Ohne die Operation wäre sie vermutlich an einer Sepsis gestorben. Bestenfalls wäre das Bein amputiert worden“, sagt Knapp und erklärt damit auch, was ihn motiviert.

Denn die Dankbarkeit, die einem entgegen gebracht wird, tue zwar gut, die Bedürftigkeit der Menschen ist aber sein Hauptantrieb: „Wenn wir nicht dahin fahren, dann tut es kein anderer“, so Knapp. Von daher wird der Ausflug nach Tansania wahrscheinlich nicht der letzte humanitäre Einsatz gewesen sein, an dem sich er und seine Frau beteiligt haben.

Hintergrund: Interplast Germany

Bei Interplast Germany handelt es sich um einen gemeinnützigen Verein, der 1980 durch Gottfried Lemperle gegründet wurde. Der Verein hilft Menschen in Entwicklungsländern, indem er kostenlos Operationen durchführt. Dabei handelt es sich größtenteils um plastische Operationen. Behandelt werden meist Kriegs- und Verbrennungswunden sowie Gesichtsfehlbildungen. Neben plastischen Chirurgen werden aber zum Beispiel auch Orthopäden eingesetzt, die Fehlstellungen oder Verletzungsfolgen behandeln sollen. Die Ärzteteams der 13 verschiedenen Sektionen von Interplast, zu denen auch OP-Schwestern, aber auch Krankengymnasten gehören, reisen für einen bestimmten Zeitraum in ein vorher bestimmtes Gebiet und stehen den Menschen dort für mehrere Wochen zur Verfügung. Der Verein finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge und durch Spendengelder. Weitere Informationen zum Verein und zur Möglichkeit des Spendens gibt es unter www.interplast-germany.de. vos

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