Grüne, SPD und FW äußern sich
Deutliche Kritik an Koblenzer CDU-Fraktionschef Otto
Weisen die Kritik des Koblenzer CDU-Fraktionschefs Stephan Otto von sich: (von links) Kim Theisen, Christopher Bündgen, Marion Lipinski-Naumann, Stephan Wefelscheid und Edgar Kühlenthal
Jan Lindner

Im Koblenzer Stadtrat arbeiten Grüne, SPD und Freie Wähler seit ein paar Monaten zusammen. Zusammen erscheinen sie auch zum Interview mit der RZ, um die harte Kritik von CDU-Fraktionschef Stephan Otto zurückweisen – und um in die Offensive zu gehen.

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Der Koblenzer CDU-Fraktionschef Stephan Otto hatte in einem Interview mit unserer Zeitung deutliche und kritische Worte gefunden: zu Stephan Wefelscheid, Fraktionschef der Freien Wähler im Stadtrat, zu den Grünen, zu den Haushaltsberatungen samt neuer Zusammenarbeit zwischen Grünen, SPD und Freien Wählern. Vertreter dieser drei Fraktionen sind sehr verärgert über Ottos Kritik und gehen im Interview mit unserer Zeitung selbst in die Offensive.

Noch vor einem Jahr wäre eine Zusammenarbeit im Koblenzer Stadtrat zwischen Grünen, SPD und Freien Wählern schwer vorstellbar gewesen. Zu unterschiedlich waren die politischen Ansichten zwischen Freien Wählern (FW) und den anderen beiden Fraktionen, zu hart bisweilen die Angriffe.

Noch dazu ist FW-Ratsmitglied und Ex-SPDler Christian Altmaier für viele in seiner alten Partei und bei den Grünen ein rotes Tuch. In den vergangenen Monaten jedoch scheinen sich die Fraktionen angenähert zu haben. Zum Interview im Verlagsgebäude der RZ erscheinen sie denn auch zusammen: Grünen-Fraktionschefin Kim Theisen, SPD-Fraktionschefin Marion Lipinski-Naumann, FW-Fraktionschef Stephan Wefelscheid, Christopher Bündgen (Co-Vorsitzender der Koblenzer Grünen) und FW-Ratsmitglied Edgar Kühlenthal.

Frau Theisen, Frau Lipinski-Naumann, Herr Wefelscheid, Herr Bündgen, Herr Kühlenthal: Grüne und SPD haben kürzlich ihre Zusammenarbeit offiziell besiegelt, allerdings ohne die Freien Wähler. Warum kommen Sie nun zusammen zu diesem Gespräch?

Marion Lipinski-Naumann: Um Halbwahrheiten von Herrn Otto zu korrigieren.

Kim Theisen: In dem Interview wurden unsere drei Fraktionen explizit angesprochen. Es gab Bündnisgespräche, auch mit der CDU. Aber die Ausführungen hierzu waren schlichtweg falsch, auch die zum Haushalt. Die CDU hatte vergangenen Herbst im Kern Sparvorschläge in Höhe von 40 Millionen Euro unterbreitet. Sinnvoll umsetzbar waren aber nur 1,4 Millionen Euro, größtenteils war die Umsetzung der anderen Vorschläge rechtlich nicht möglich. Trotzdem spricht die CDU immer noch von 40 Millionen.

Lipinski-Naumann: Die Wahrheit ist, dass wir einen unausgeglichenen Haushalt verabschiedet haben. Ein unausgeglichener Haushalt ist immer gesetzeswidrig, das war uns allen klar.

Theisen: Und: Anders als von der CDU behauptet, hätte eine haushaltslose Zeit fatale Konsequenzen gehabt, etwa können dann die Zuschüsse für Vereine nicht ausgezahlt werden. Etwa für Solwodi und Roxanne – sie brauchen das Geld dringend, um ihre Arbeit zu machen.

Stephan Wefelscheid: Die Zuschussfrage ist für die betroffenen Vereine ein relevanter Faktor. Entscheidend ist, dass wir als Stadt einen genehmigten Haushalt haben, um handlungsfähig zu sein. Sonst verschieben sich viele Projekte, etwa Sanierungen in den Schulen. Klar war auch, dass die Aufsichtsbehörde Steuererhöhungen verlangen würde.

„Im Mainzer Profi-Politikbetrieb passiert so ein Interview wie das von Herrn Otto nicht. Das ist wahnsinnig unprofessionell.“
Stephan Wefelscheid (Freie Wähler)

Nun hat Herr Otto argumentiert, dass man den Haushaltsentwurf ohne Erhöhung der Grundsteuer B verabschieden solle, um die Aufsichtsbehörde, die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), in die Position zu bringen, dass sie dem Stadtrat die Erhöhung vorschreibt.

Wefelscheid: Für den Fall hat er die ADD als „Täter“ bezeichnet, über die Wortwahl bin ich gestolpert. Es gibt hier keine „Täter“ und keine „Opfer“. Es ist geltendes Recht, dass sich die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer B geändert hat. Um gleich viele Steuern einzunehmen, musste der Hebesatz steigen.

Christopher Bündgen: Ich gehe davon aus, dass auch der CDU klar war, dass es keine Alternativen zu Steuererhöhungen gab. Die CDU hat sich verlaufen, ist zuletzt zu oft falsch abgebogen und weiß nicht mehr, wo sie steht. Ich habe den Eindruck, sie stecken in ihrer Oppositionsrolle fest und suchen eher die schnelle Schlagzeile statt wirklicher Verantwortung.

Lipinski-Naumann: Die CDU versucht, den Bürgern etwas zu vermitteln, was nicht stimmt. Zwischen den Haushaltsberatungen im November und der Ratssitzung im März 2025, bei der der Haushalt zum zweiten Mal beschlossen werden musste, lagen einige Monate. Die CDU hätte nach den Beratungen sagen können: ,Lieber Oberbürgermeister, wir brauchen eine Sondersitzung, wir brauchen weitere Zeit für Beratungen.’ Das hat sie aber nicht getan, sondern den Haushalt komplett abgelehnt.

Wefelscheid: Im Mainzer Profi-Politikbetrieb passiert so ein Interview wie das von Herrn Otto nicht. Das ist wahnsinnig unprofessionell. Es ist unüblich, dass es so auf die persönliche Ebene geht. Das ist zudem politisch unklug. Er ist Fraktionschef, ich bin es auch. Eine der unklügsten Varianten ist, dem anderen derart gegen das Schienbein zu treten.

„Spätestens seit der Kommunalwahl ist das Verhalten der CDU beachtlich. Ich nehme nicht wahr, dass sie sich mit uns über sachliche Fragen unterhalten, geschweige denn Lösungen finden will.“
Christopher Bündgen (Grüne)

Herr Otto hat Ihnen, Herr Wefelscheid, vorgeworfen, nur an sich selbst zu denken, da Ihre Fraktion sich an Grüne und SPD angenähert hat. Wie erklären Sie sich das?

Wefelscheid: Noch einmal: Im Mainzer Politikbetrieb passieren solche Dinge nicht. Wenn er glaubt, mit dem Beschäftigen von diesen Inhalten, etwa auch dieser unsägliche Flaggen-Antrag, der AfD Wähler abzunehmen, sollte er mal mit seinen Kollegen im Landtag sprechen, wie man da besser vorgeht.

Bündgen: Spätestens seit der Kommunalwahl ist das Verhalten der CDU beachtlich. Ich nehme nicht wahr, dass sie sich mit uns über sachliche Fragen unterhalten, geschweige denn Lösungen finden will.

Die CDU ist im Stadtrat stärkste Fraktion, sie hat nach der Kommunalwahl ihren Führungsanspruch formuliert und Bündnisgespräche mit allen Fraktionen geführt, außer AfD und Linken. Was ist daraus geworden? Warum ist kein Bündnis mit der CDU zustande gekommen?

Bündgen: Es gab viele Themen, wo wir nicht mit der CDU zusammengekommen sind: etwa die Demos gegen Rechtsextremismus oder der von uns vorgeschlagene Runde Tisch aller Demokraten. Dennoch werden wir nicht müde, weiter anzufragen. Der Wille, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, fehlt aus meiner Sicht von Seiten der CDU aber meistens.

Lipinski-Naumann: Ich kann nicht sagen, dass wir als SPD nicht mit der CDU über einzelne Themen sprechen würden. Ein Austausch findet statt.

Edgar Kühlenthal: Wir sprechen mit allen außer der AfD. Es finden informelle Gespräche auf sachlicher Ebene statt. Herr Otto will den Eindruck erwecken, dass die Freien Wähler entzweit wären, was die Unterstützung von David Langner als OB-Kandidat angeht (Wefelscheid und Kühlenthal hatten sich für Langner ausgesprochen, Anm. d. Redaktion). Ich kenne Stephan Wefelscheid schon seit Urzeiten (2008 gemeinsame Gründung der BI für einen grünen Zentralplatz, Anm. d. R.). Es sind bodenlose Spekulationen. Herr Otto will ihn in eine völlig falsche Ecke stellen.

„Ob Christian Altmaier Herrn Langner persönlich unterstützt, müssen Sie ihn fragen.“
Stephan Wefelscheid (Freie Wähler)

Also unterstützt auch Christian Altmaier Herrn Langner bei seiner Wiederwahl? Es gibt schließlich die These, dass es innerhalb der FW-Fraktion starke Fliehkräfte in beide Richtungen gibt.

Wefelscheid: Nein, diese Fliehkräfte gibt es nicht. Und ob Christian Altmaier Herrn Langner persönlich unterstützt, müssen Sie ihn fragen.

Herr Otto unterstellt Ihnen, Herr Wefelscheid, auch, dass Sie womöglich bei der Bürgermeisterwahl nächstes Jahr antreten, auf Unterstützung von Grünen und SPD hoffen und damit die Absprache zwischen CDU, Grünen und SPD zu den Dezernentenwahlen torpedieren möchten.

Wefelscheid: Ich vermute, dass diese Behauptung der einzige Zweck des Interviews von Herrn Otto war. Um es klar zu sagen: Es war nicht meine Intention, eine Partnerschaft der Verantwortung im Stadtrat einzugehen, um Bürgermeister zu werden, sondern dass die Stadt Koblenz handlungsfähig bleibt. Ich trete wieder als Landtagskandidat an und will in Koblenz eine politische Anomalie schaffen: nämlich dass der Wahlkreis von der SPD an die Freien Wähler geht.

Es ist also ausgeschlossen, dass Sie nächstes Jahr Koblenzer Bürgermeister werden wollen?

Wefelscheid: Ich bin Politiker und schließe deshalb nichts aus. Wenn der Rat zu der Einschätzung käme, dass jemand besser geeignet wäre als Ulrike Mohrs ... Die Bewertung gibt die Politik ab, der Stadtrat wählt die Dezernenten ja direkt.

„Die Art, wie diese Wahl seitens der CDU im Interview aufgegriffen wurde, kann ich nicht nachvollziehen. Ich hätte erwartet, dass man das Gespräch intern sucht, anstatt solche Themen öffentlich zu platzieren und für Spekulationen zu sorgen.“
Kim Theisen (Grüne)

Stehen Grüne und SPD denn auch nächstes Jahr zu ihrer Zusage, die Bürgermeisterkandidatin der CDU zu unterstützen?

Theisen: Die Art, wie diese Wahl seitens der CDU im Interview aufgegriffen wurde, kann ich nicht nachvollziehen. Ich hätte erwartet, dass man das Gespräch intern sucht, anstatt solche Themen öffentlich zu platzieren und für Spekulationen zu sorgen.

Bündgen: Ich verstehe die Debatte nicht. Es gibt derzeit keinen Anlass dafür.

Lipinski-Naumann: Das, was wir vor zwei Jahren in Worte gefasst haben, bleibt im Wort.

„Wir hätten die Gespräche mit der CDU gerne fortgesetzt und haben Kreischef Josef Oster darauf angesprochen. Aber wenn man dort keinen Bedarf sieht, müssen wir das zur Kenntnis nehmen.“
Marion Lipinski-Naumann (SPD)

Herr Otto hat den Führungsanspruch der CDU im Rat untermauert. Grüne, SPD und Freie Wähler haben keine eigene Mehrheit und sind auf Stimmen der anderen angewiesen. Wie geht es weiter?

Lipinski-Naumann: Die Gespräche mit der CDU waren gut, aber durch die Bundestagswahl unterbrochen. Wir gehen gerne auf Partner zu, laufen aber keinem hinterher. Wir hätten die Gespräche mit der CDU gerne fortgesetzt und haben Kreischef Josef Oster darauf angesprochen. Aber wenn man dort keinen Bedarf sieht, müssen wir das zur Kenntnis nehmen.

„Die CDU hat uns im Oktober mitgeteilt, dass sie kein festes Bündnis mit uns möchte. Für uns war allerdings klar, dass wir weiter Verantwortung übernehmen und gestalten wollen.“
Kim Theisen (Grüne)

Hinter vorgehaltener Hand gab es Kritik, dass die CDU in den Bündnisgesprächen ein gewisses Platzhirschgehabe an den Tag gelegt habe.

Wefelscheid: Die CDU hatte ihren Führungsanspruch formuliert und zu Gesprächen eingeladen. Herr Otto stellt es so dar, als hätten wir kein Interesse gehabt. Tatsächlich hatte die CDU nach der Kommunalwahl sehr klare Zielvorstellungen. Als vergangenen Sommer die Wahl der Queerbeauftragten anstand und wir als Freie Wähler einen Kandidaten aufgestellt haben, hat uns die CDU brutal auflaufen lassen und ihn abgelehnt. Wenn man eine feste Koalition will, und ich halte Koalitionen grundsätzlich für richtig, muss man schauen, dass man Vertrauen schafft. Wenn man aber bei so einer Wahl nicht die Unterstützung bekommt, fragt man sich schon, wie ernst eine Koalition gemeint ist. Nur die Hand zu heben, wenn es der CDU passt, ist zu wenig. Wir sind nicht deren Wurmfortsatz. Wenn man das Gefühl hat, man wird über den Tisch gezogen, klappt das nicht. Von Grünen und SPD wurden wir ernst genommen.

Theisen: Die CDU hat uns im Oktober mitgeteilt, dass sie kein festes Bündnis mit uns möchte. Für uns war allerdings klar, dass wir weiter Verantwortung übernehmen und gestalten wollen. Dazu brauchen wir natürlich andere Partner. Deshalb wollen wir auch künftig bei Themen Lösungen in Kompromissen suchen und so in die Gespräche gehen.

Lipinski-Naumann: Ich werfe Herrn Otto am meisten vor, dass er in seinem Interview Beurteilungen über den Zustand anderer Fraktionen abgibt. Deshalb möchte ich mich hierzu nicht äußern.

Bündgen: Es heißt nicht, dass die Tür für die CDU zu ist und dass sie nicht zurückfinden können. Unsere demokratische Hand bleibt ausgestreckt. Aber klar ist: Wir haben jetzt ein festes Bündnis mit der SPD, dessen inhaltliche Punkte sind Grundlage für alles, das kommt.

Spielt der OB-Wahlkampf auch eine Rolle? Die CDU stellt bekanntlich mit Ernst Knopp einen eigenen Kandidaten und muss eigene Akzente setzen.

Wefelscheid: Ja, das spielt sicher eine Rolle.

Bündgen: Irgendein Wahlkampf ist immer. Miteinander reden muss man trotzdem.

Theisen: Andere Fraktionen bekommen es hin.

Wefelscheid: Das Problem haben wir ja auch. Ich will in Koblenz das Direktmandat gewinnen, Anna Köbberling von der SPD auch.

Herr Wefelscheid, können Sie sich vorstellen, offiziell zum Bündnis von Grünen und SPD zu stoßen?

Wefelscheid: So weit sind wir noch nicht. Ich finde es klasse, dass sie einen Koalitionsvertrag hinbekommen haben. Wir haben das Projekt Haushalt sehr verantwortungsvoll hinbekommen, aber die Zusammenarbeit muss noch reifen. Wir müssen die nächsten Schritte gehen und schauen, wie wir andere Sachen hinbekommen. Solche Sachen fallen nicht vom Himmel.

In der Ratssitzung Anfang Mai gab es eine unsägliche Debatte um mehr Flaggen in Koblenz. Die CDU hatte zum Ursprungsantrag der AfD einen Änderungsantrag gestellt.

Theisen: Es hat uns massiv geärgert, dass die CDU den Rechtsextremisten der AfD damit die Tür aufgerissen hat. Denn auch bei einem Änderungsantrag der CDU bleibt es ein AfD-Antrag. Wir haben vorher versucht, nicht öffentlich mit der CDU zu klären, dass sie ihren Änderungsantrag zurückziehen, ohne Erfolg. Es hat uns keinen Spaß gemacht, die CDU da reinlaufen zu sehen. Wir wissen, wer gewinnt, wenn sich die demokratischen Fraktionen zerfetzen.

Wefelscheid: Unter der früheren CDU-Fraktionschefin Anne Schumann-Dreyer wäre so etwas nie passiert. Und es wäre auch nie auf die persönliche Ebene gegangen.

Theisen: Ich unterstelle der CDU nicht, dass sie das extra gemacht hat. Sie hat sich auch in dieser Sache verlaufen. Sie haben ihren Umgang mit der AfD noch nicht gefunden. Deswegen brauchen wir dringend Gespräche.

Bündgen: Wir müssen einen gemeinsamen Weg finden, wie wir mit der AfD umgehen.

Lipinski-Naumann: Eine solche Debatte wie um die Flaggen bringt uns nicht weiter, es interessiert die Bürger auch nicht. Sie wollen konkrete Lösungen: etwa, wie mehr Kita-Plätze entstehen und wann Projekte in den Stadtteilen endlich fertig werden.

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