Theater in Ehrenbreitstein
Der Sprung ins kalte Wasser namens Leben
Bereit für das Leben!? Kjell Bjarne (Annika Woyda, links) und Elling (Josa Butschkau).
Alexander Thieme-Garmann

Gestern noch in der Psychiatrie, heute in freier Wildbahn: Kann das funktionieren? Das Theaterstück „Elling - Zurück ins Leben!“ liefert auf die Frage kuriose Antworten. Zu sehen in der Mikrowerkstatt in Ehrenbreitsein.

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Raus aus der Klapse und hinein ins Leben: Die beiden Psychiatrie-Insassen Elling und Kjell Bjarne werden im Zuge eines staatlichen Resozialisierungsprogramms nach zwei Jahren entlassen. Man ahnt, dass der Weg zurück in die Gesellschaft für beide nicht leicht sein wird. Zu sichtbar sind die Anzeichen krankhafter Züge wie Putzzwang und Sexsucht. Trotz einer stolzen Sammlung psychischer Erkrankungen soll die Rückführung in die Gesellschaft gelingen. Doch diese bekommt vom dauerhaften Freigang des ungleichen Paars nicht wirklich viel mit – mitzuerleben im Stück „Elling – Zurück ins Leben!“ im Theater am Ehrenbreitstein.

Unlösbare Aufgaben

Schnell zeigt sich, dass beide Internierte auch an einer sozialen Phobie leiden, sodass Einkäufe und selbst Telefonate eine schier unlösbare Aufgabe darstellen. So bleibt das Duo die meiste Zeit in seiner zugewiesenen Wohnung und lebt weiter in seiner Scheinwelt. Nur ihrem Betreuer Frank ist es zu verdanken, dass der Kontakt zur Außenwelt nicht vollends abbricht. Die Geschichte nimmt eine Wende, als die beiden Protagonisten ihre Nachbarin im Hausflur vorfinden, betrunken und nebenbei noch hochschwanger. Während der sexsüchtige, indes in Liebesdingen unerfahrene Kjell Bjarne glaubt, die Frau seines Lebens gefunden zu haben, entwickelt der gefühlskalte Elling einen Sinn für Poesie und versieht alsbald Sauerkrautverpackungen in Supermarktregalen mit selbstverfassten Gedichten. So entdecken beide ihr Potenzial und damit ihre Bereitschaft für das wirkliche Leben.

Die Protagonisten: (von links) Johanna Münch, Annika Woyda, Josa Butschkau und Jens-Peter Fiedler
Alexander Thieme-Garmann

Regisseur Gabriel Diaz bringt mit der Kultursommer-Produktion “Elling – Zurück ins Leben!" eine anrührende Komödie auf die Bühne der Mikro-Werkstatt. Dabei reichert er den Wahnsinn seiner Charaktere mit weiteren Verrücktheiten an. So schlüpft Johanna Münch, die die schwangere Reidun spielt, einmal in die Rolle eines menschlichen Radios. Überhaupt darf Münch bei mehreren Kurzauftritten in anderen Rollen ihre Vielseitigkeit zeigen. Schaurig-schön bannt Diaz den Schlafsaal der Heilanstalt auf die Leinwand, der lange Zeit ein Sehnsuchtsort der Hauptcharaktere bleibt. Josa Butschkau als Elling nimmt man den psychisch Kranken ohne Weiteres ab, behält er doch seine Pedanterie und Besserwisserei lange Zeit konsequent und ohne die Spur eines Lächelns bei.

Rollen auch für norwegische Holzfäller

Annika Woyda kommt in ihrer Hosenrolle als Kjell Bjarne im Outfit eines norwegischen Holzfällers daher. Sehr amüsant in ihrem ausufernden Drang nach körperlicher Liebe bildet sie quasi das Pendant ihres scheinbar nur sachlich orientierten WG-Bewohners. Auch Jens-Peter Fiedler als herrlich windiger Betreuer Frank lässt wie seine ihm anvertraute Klientel gewisse Ungereimtheiten durchscheinen. So trauert er seiner Verflossenen in der Kluft eines abgehärteten Altrockers nach.

Das Theaterstück von Axel Hellstenius nach dem Bestseller-Roman von Ingvar Ambjornsen war die Vorlage für den für einen Oscar nominierten Spielfilm von Peter Naess. Es wurde deutschlandweit bereits an mehr als 50 Theatern aufgeführt.

Weitere Aufführungstermine im Internet auf der Webseite www.theater-am-ehrenbreitstein.de.

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