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Der Schemmer-Mord: Die Tat, der Prozess, das Urteil

Längere Haare, eine freundlich-sommerliche Bluse, Perlenohrringe: Henrike Schemmer macht am letzten Prozesstag (hier mit ihrem Anwalt Johann Schwenn) einen zuversichtlichen Eindruck. Bis das Urteil fällt.

Sascha Ditscher

Es war einer der aufsehenerregendsten Prozesse der vergangenen Jahre: das Verfahren gegen Henrike Schemmer nach der Ermordung von Waltraud und Heinrich Schemmer aus Koblenz. Jetzt, gut zwei Jahre nachdem das Gericht die Schwiegertochter zu lebenslanger Haft verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt hat, liegt das rechtskräftige Urteil vor.

Dieses Bild bot sich den Zuschauern: links die Anklage, rechts die Angeklagte mit ihrer Verteidigung. 

Sascha Ditscher

Von unserem Redakteur Hartmut Wagner

Koblenz. Die Menschen im Großraum Koblenz waren in Aufruhr, Zuhörer standen Schlange vor dem Gerichtssaal, Hobbyermittler diskutierten im Internet: Selten hat ein Verfahren am Landgericht Koblenz für derart viel Aufsehen gesorgt wie der Doppelmordprozess gegen Henrike Schemmer (49). Er begann am 18. Dezember 2012 und lief bis zum 5. August 2013, unsere Zeitung berichtete über alle 24 Prozesstage. Das Gericht hat die Angeklagte zu lebenslanger Haft verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Sie fuhr demnach am Abend des 7. Juli 2011 von ihrem Wohnort 350 Kilometer nach Koblenz, drang ins Haus ihrer Schwiegereltern Waltraud (68) und Heinrich (75) Schemmer ein – und tötete beide. Eiskalt, mit großer Brutalität.

Jetzt liegt das rechtskräftige Urteil vor. Darin heißt es: Das Gericht ist „davon überzeugt, dass die Angeklagte ihre Schwiegereltern tötete, damit ihr Ehemann erben und mit dem Erbe ihre Wünsche nach einer Verbesserung und Sicherung ihres Lebensstandards erfüllen konnte. Das darin liegende rücksichtslose Streben nach Gewinn um jeden Preis erfüllt das Mordmerkmal der Habgier, das bei der Angeklagten auch tatbeherrschend war.“

Henrike Schemmer sagte zu Prozessende: „Ich habe die Tat nicht begangen.“ Mehr sagte sie nicht, nur diesen Satz. Ihr Anwalt forderte Freispruch. Es gebe „keinen einzigen Sachbeweis“, der für ihre Täterschaft spricht. Sie müsse aus dem Gefängnis entlassen, für ihre 13-monatige Untersuchungshaft entschädigt werden.

Das Urteil umfasst im Original 140 Seiten: Drei Seiten befassen sich mit den persönlichen Verhältnissen Henrike Schemmers, 16 Seiten mit ihrer Schuldfähigkeit, der rechtlichen Würdigung und der Strafzumessung, 119 Seiten mit der Beweiswürdigung. Auf mehr als 30 Seiten werden von der Polizei abgehörte Telefonate dokumentiert, die Henrike Schemmer mit Polizisten oder ihrem Mann führte.

Im Urteil heißt es: „Die Angeklagte ist der Tat überführt, weil sie als einzige Person die Gelegenheit zur Tatausführung hatte und durch weitere Indizien belastet wird.“ Das Urteil nennt unter anderem folgende vier Indizien: Henrike Schemmer hatte erstens Zugang zu einem Schlüssel zum Haus der Opfer. Zweitens wurde der BMW, welcher ihr zur Verfügung stand, zur Tatzeit von einem Motorradfahrer in Koblenz gesehen. Drittens versuchte sie, für Juli 2011 über Dritte ein Auto zu mieten. Viertens verhielt sie sich nach der Tat verdächtig – unter anderem fasste sie am Tatort mindestens eine Leiche an und versuchte später, sich ein falsches Alibi zu beschaffen.

Das Gericht ist „aufgrund einer Gesamtschau aller Beweisergebnisse“ davon überzeugt, dass Henrike Schemmer den Doppelmord an ihren Schwiegereltern verübte. Sie „hatte die Gelegenheit, in der Tatnacht unbemerkt von ihrer Familie mit dem BMW“ nach Koblenz und zurückzufahren. Und: „Entlastende Indizien sind nicht zutage getreten (...).“

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