Koblenz
Der Koblenzer Dominik Müller hat den Ägypter Mina Louka in seiner WG aufgenommen
Nina Borowski

Koblenz. Mina sitzt neben Dominik am Tisch in der WG-Küche. Er lächelt scheu, sein Blick ist verlegen. Dominik fängt an zu reden: "Wir haben uns einmal kurz gesehen, und danach ist Mina quasi auch schon hier eingezogen." Seit einem Dreivierteljahr teilen sich die beiden jungen Männer nun schon die Wohnung - gegen alle Vorurteile.

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Von unserer Redakteurin Nina Borowski

Mina Louka (27) ist Asylbewerber. „Es klappt gut. Wir haben schnell gemerkt, dass wir auf einer Wellenlänge sind“, sagt Dominik Müller (27), der an der Koblenzer Uni Pädagogik studiert. Er engagiert sich in Güls beim Runden Tisch Asyl und hat die Wohnraumnot für Asylbewerber durch sein Engagement dort hautnah miterlebt. Als Ende Februar in seiner WG ein Zimmer frei wurde, war für ihn sofort klar: „Da ist Platz für einen Asylbewerber.“ An Karneval zog Mina ein.

Während der 27-Jährige davon erzählt, sitzt Mina aufmerksam neben ihm und nickt immer wieder zustimmend. Seine Hände liegen ineinander gefaltet auf dem Holztisch. Seine dunkelbraunen Augen lassen erahnen, dass in den vergangenen Jahren viel passiert ist. Dinge, die der gebürtige Ägypter so leicht nicht mehr vergessen wird. Erlebnisse, die sich tief eingebrannt haben.

Mina beginnt, von seiner Geschichte zu erzählen. Sein Blick ist fest und zuversichtlich, gleichzeitig aber auch verletzlich. Mina war Tauchlehrer in Ägypten. Seine Arbeit und vor allem die Menschen, die er dabei kennengelernt hat, mochte er sehr. Über seine Mundwinkel huscht immer wieder ein Lächeln, während er erzählt.

Mina hatte ein sorgenfreies Leben. Er hatte eine Wohnung, ein Auto und genug Geld zum Leben. Heute ist Mina Asylbewerber. Seit einem Jahr ist er in Deutschland und versucht, sich ein neues Leben aufzubauen. Seit einem Jahr wartet der 27-Jährige darauf, dass sein Asylverfahren eröffnet wird. „Noch hatte Mina keinen Termin beim Amt“, berichtet Dominik. Der Grund: Überlastung. Mina zieht die Schultern hoch und schüttelt ungläubig den Kopf. Trotz all der Ungewissheit, wie sein Leben nun weitergehen wird, ist er zuversichtlich. Und dankbar. Dankbar darüber, dass er hier sein kann.

In seiner Heimat Ägypten hat Mina Schreckliches erlebt

Als er nach Deutschland kam, sprach er kein Wort Deutsch. Um die Sprache zu lernen und vor allem, um Kontakte zu knüpfen, hat er zunächst für ein halbes Jahr ehrenamtlich in einem Altenheim in Güls gearbeitet. Über den Runden Tisch Asyl wurde ihm ein Basiskurs an der Volkshochschule finanziert, in dem er einige Grundlagen gelernt hat. Doch das war ihm nicht genug. Mina hat sich einen Intensivkurs an einer privaten Sprachschule gesucht und die Kosten von seinem kleinen Taschengeld, das er vom Sozialamt bekommt, aus eigener Tasche finanziert.

In seiner Heimatstadt Alexandria hat er schreckliche Dinge erlebt, Abneigung und Gewalt erfahren. Minas Gesichtszüge spannen sich an, sein Blick wird ernst. Er und seine Familie sind koptisch-orthodoxe Christen. Kopten werden in Ägypten verfolgt, bedroht und unterdrückt, obwohl die koptisch-orthodoxe Kirche die ursprüngliche Kirche Ägyptens ist, berichtet Mina. Das Wort „koptisch“ bedeutet „ägyptisch“. Verbindliche Zahlen über die Anhänger der Glaubensgemeinschaft im Land gibt es nicht. Schätzungen gehen von 15 bis 20 Prozent aus. Die koptische Kirche war nie Staatskirche. Ägypten ist der Verfassung nach ein islamischer Staat. Im Laufe der Zeit wurden die koptischen Christen immer wieder Opfer von Verfolgung und Unterdrückung.

„Sie haben uns Angst gemacht, in die Kirche zu gehen. Trotzdem sind wir gegangen, um zu beten“, erinnert sich Mina. „Ich habe den Tod gesehen“, ergänzt er mit leiser Stimme. Es war in der Neujahrsnacht 2011, als eine Bombe in seiner Kirche explodierte. Es gab unzählige Tote und Verletzte. Passiert ist Mina nichts, aber in der Zeit danach hat er eine zunehmend feindliche Stimmung unter seinen muslimischen Nachbarn gespürt. Nach einem Angriff von einem Muslim aufgrund seiner Glaubenszugehörigkeit stand für Mina fest: „Ich will hier nicht mehr leben.“ Er hat ein paar Sachen und etwas Geld eingepackt und einen Flug gebucht. Einen Flug in eine ungewisse Zukunft, angetrieben von der Hoffnung auf ein besseres Leben. Am Flughafen in München hat er den Behörden gesagt, dass er bleiben möchte. Sie haben ihm Geld und Papiere abgenommen und ihn zunächst nach Trier geschickt. Minas Schwester lebt mit ihrer Familie bereits seit einiger Zeit als Asylbewerberin in Brühl. Zu ihr wollte er. Doch er wurde der Stadt Koblenz zugeteilt. Rückblickend ist er froh: „Ich habe hier so viele nette Menschen kennengelernt. Alle haben sich um mich gekümmert, mir geholfen.“ Aus vielen Bekanntschaften sind mittlerweile Freundschaften entstanden.

Auch Dominik ist ein wichtiger Ansprechpartner für Mina geworden. Gemeinsam bestreiten sie den Alltag und stellen sich den vielen Formalitäten, die auf Mina zukommen. Bei gemeinsamen Abendessen tauschen sie sich immer wieder über Religion, Gesellschaft und Beziehungen aus. „Ich habe immer viel gefragt, warum ist das so und nicht anders“, sagt Mina, während Dominik zustimmend nickt und ergänzt: „Ich habe dabei auch viele Dinge in einem anderen Licht gesehen und dazugelernt.“

Das Zusammenwohnen ist eine Bereicherung für beide Seiten

Der Student wünscht sich, dass mehr Privathaushalte seinem Beispiel folgen und Asylbewerber bei sich aufnehmen. „Wenn ich hier die Straße hinunterschaue, dann sehe ich so viele große Häuser, in denen nur zwei Personen wohnen. Da wäre noch Platz für einen Asylsuchenden“, sagt er und ergänzt: „Es ist eine Bereicherung für beide Seiten.“ Seine Vermieterin war damals gleich einverstanden. „Als Hauptmieter habe ich Mina einen normalen Untermietvertrag geschrieben“, sagt Dominik. Das Mobiliar für Minas Zimmer hat er dank Unterstützung von Freunden und Bekannten zusammenbekommen. „Ich hatte am Ende so viele Angebote, dass es für zwei Zimmer gereicht hätte“, freut sich Dominik.

Mina fühlt sich wohl in seinem Reich: Ein Bett, einen Schrank, einen Schreibtisch und eine Schlafcouch kann er sein Eigen nennen. Ein paar persönliche Dinge liegen auf seinem Nachttisch. Mehr hat er nicht. „Das ist nicht schlimm. Das ist mir nicht mehr so wichtig“, sagt er schulterzuckend und streicht mit der Hand über den Tisch in der Küche. Sein Blick ist nun fest und entschlossen. Nach langem Warten hat Mina kürzlich endlich eine Arbeitserlaubnis bekommen. Ab Mitte Dezember wird er in einer Behinderteneinrichtung arbeiten. Für den 27-Jährigen ein wichtiger Schritt in seinem neuen Leben. Und zudem eine Herzensangelegenheit: „Ich habe so viel Unterstützung bekommen, und davon möchte ich etwas zurückgeben.“

Bürger engagieren sich in Güls

Runder Tisch Asyl vermittelt zwischen Asylbewerbern und Einheimischen

Koblenz. Anfang Februar haben sich in Güls und Bisholder 15 Menschen zusammengetan, die etwas tun wollten – in erster Linie helfen und unterstützen. Sie haben den Runden Tisch Asyl ins Leben gerufen. Denn seit einiger Zeit war das Gebäude der ehemaligen Gaststätte „Zur Traube“ in Bisholder als Unterkunft für Asylbewerber umfunktioniert worden.

Gleich 17 überwiegend junge Männer und eine Großfamilie wohnten damit nun auch in dem Ortsteil. Wenn eine gewachsene Gemeinschaft auf einmal so großen Zuzug aus der Fremde bekommt, kann es zu Fragen oder Ängsten kommen. „Wir möchten gern dazu beitragen, dass Probleme vermieden oder gelöst werden“, beschreibt die Gruppe auf ihrer Internetseite ihren Antrieb. Neben der Vermittlung zwischen Neulingen und alteingegessenen Ortsbewohnern bemüht sich die Gruppe aber auch darum, dass die Asylsuchenden so schnell wie möglich in einen geregelten Tagesablauf hineinkommen.

Dabei helfen sollen auch sogenannte Patenschaften. Während Gülser den Asylbewerbern helfen, Sprachbarrieren zu überwinden und im Alltag anzukommen, können die Paten-„Kinder“ beispielsweise bei der Gartenarbeit oder beim Einkauf behilflich sein. Dominik hat eine solche Patenschaft für Mina übernommen. „Bei all den Anträgen musste ich mich selbst erst zurechtfinden. Es ist für einen Asylbewerber nahezu unmöglich, das allein zu bewältigen. Das war auch für Mina am Anfang nicht ganz einfach. Mittlerweile ist sein Deutsch sehr gut“, sagt das Mitglied Dominik Müller. Darüber hinaus sind die Mitglieder um Wohnraum für die Flüchtlinge bemüht. „Wir suchen immer Vermieter, die bereit sind, Zimmer oder Wohnungen an Flüchtlinge zu vermieten“, betont er.

Dass ihre Arbeit ankommt, merken die Mitglieder nicht nur an der Rückmeldung der Flüchtlinge: Der Runde Tisch Asyl ist von der Stadt Koblenz mit der „Ehrennadel für Integration“ ausgezeichnet worden. Der Erfolg und die Anerkennung bestärken die Mitglieder nur noch mehr, dass es wichtig ist, sich im eigenen Ort zu engagieren. Mit Blick in die Zukunft wünschen sie sich noch weitere Unterstützung, zum Beispiel in Form von Patenschaften. Aber auch mit Blick auf die kalte Jahreszeit sind warme Wintersachen etwas, das noch dringend gebraucht wird. nbo

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