Seit dem Strukturwandel in den 1990er-Jahren kämpft Bendorf mit dessen Folgen. In der kleinen Stadt am Rhein herrscht Einigkeit: Es muss etwas passieren. So wurde etwa die – wenn auch erfolglose – Bewerbung für die Landesgartenschau 2027 mit einem umfangreichen Konzept zur Stadterneuerung verknüpft. „Nach der Absage hat sich dann in der Stadt eine regelrechte Jetzt-erst-recht-Stimmung breitgemacht“, erinnert sich Bürgermeister Christoph Mohr (SPD). Gemeinsam habe man dann überlegt, welche Bestandteile der Bewerbung man weiterverfolgen könne, hin zu einem klimaangepassten Stadtumbau.
Schönere Spielplätze und mehr
Hierzu gehören Themen wie die Verschönerung von Spielplätzen oder die Einführung einer Parkflächensensorik. Man sei bei solchen Projekten in der Vergangenheit gut mit Fördermitteln unterschiedlicher Fördergeber bedacht worden. Von beantragten 30 Millionen seien bereits 21 Millionen bewilligt worden, so der Bürgermeister weiter.
Doch bei den restlichen neun Millionen tauchen nun Probleme auf. Betroffen sind zwei wichtige Themen: der Umbau des Bendorfer Hafens und der fehlende Bahnanschluss. „Der Hafen ist unser wichtigster Wirtschaftszweig, setzt aber mit dem Umschlag von Baustoffen und Mineralöl auf zwei Bereiche, die extrem vom Klimawandel betroffen sein werden“, sagt der Bürgermeister.
Die Lösung: Der Rheinhafen sollte zum Wasserstoff-Umschlagplatz transformiert werden. „Das war vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges ein Riesending, wir hatten Unternehmer und Politik mit im Boot, als wir uns für das Wasserstoffprogramm ’HyStarter’ beworben haben“, erzählt Mohr.
Erfolgreiche Untersuchungsphase
Nach einer erfolgreichen und geförderten Untersuchungsphase wollte man jetzt an die Umsetzung gehen. Doch vor Kurzem hieß es aus der Zukunft-Umwelt-Gesellschaft gGmbH (ZUG), die für die Vergabe der Fördergelder aus dem Bundeswirtschaftsministerium zuständig ist, dass ein solches Projekt nicht förderfähig sei. „Uns wurde immer kommuniziert, dass unser Vorhaben den Richtlinien entspreche. Und plötzlich heißt es, dass es bereits im Jahr 2023 eine Richtlinienänderung gegeben habe“, klagt Christoph Mohr.
„Wie will man denn da Klimaneutralität erreichen, wenn die Kommunen bereit sind, etwas zu machen, aber nach der Bundestagswahl alle Zusagen zurückgezogen werden?“, sagt der Bürgermeister, der im Übrigen keinen Hinweis auf die angebliche Richtlinienänderung im Jahr 2023 finden konnte.
„Da sind bereits viele Ressourcen hineingeflossen.“
Bürgermeister Christoph Mohr (SPD)
„Uns ist klar, dass wir keinen Anspruch auf die Gelder haben, aber es muss doch klar sein, wie viele Ressourcen da bereits hineingeflossen sind.“ Mohr zählt etliche Netzwerktreffen und Veranstaltungen auf, kann die Stunden seiner Verwaltung, die in das Projekt gegangen sind, kaum mehr nachhalten und benennt vor allem auch die investierte Zeit der ehrenamtlich tätigen Mitglieder des Stadtrates. Man habe die zuständigen Bundestagsabgeordneten auf seiner Seite und plane, die Entscheidung anzufechten.

Einen zweiten regelrechten Förderschock gab es kürzlich beim Thema Bahnanschluss. „Bendorf ist das einzige Mittelzentrum an einer Bahnlinie ohne eigenen Bahnanschluss“, sagt Mohr. Dabei verfügt die Stadt über ein geeignetes Grundstück, und die Bahn hat den Willen bekundet, in Bendorf einen Haltepunkt einzurichten. Voraussetzung: Es müsse eine Erschließung für Radfahrer und Fußgänger direkt vom Zentrum aus geben, sprich eine Brücke über die Bundesstraße 42.
Absage ist nicht anfechtbar
Eine ebenfalls von der ZUG geförderte Machbarkeitsstudie kam auf Kosten von 8 Millionen Euro für dieses Vorhaben. Erhofft hatte man sich eine 100-prozentige Förderung dank eines coronabedingten Sonderbetrages. „Der Fördergeber hat uns im Jahr 2023 signalisiert, dass er die Förderfähigkeit des Projektes nicht sieht, aber zugleich empfohlen, im Jahr 2024 eine Neubewerbung zu starten, wenn auch dann nur noch für eine 90-prozentige Förderung“, erinnert sich Mohr. Am 4. März dieses Jahres bekam die Stadt jedoch die Absage der ZUG bereits in der ersten Projektphase, mit dem Hinweis, dass diese Entscheidung nicht anfechtbar sei.
Mohr versteht die Welt nicht mehr. „Uns wurde von derselben Förderstelle eine Machbarkeitsstudie für genau dieses Vorhaben bewilligt und jetzt fliegen wir da raus. Das frustriert uns schon.“ Zwei Tage später wird die Frustration des Bürgermeisters auf die Spitze getrieben. Am 6. März erhält die Stadtspitze einen Bescheid eben jener ZUG, mit einer Zusage über die Verlängerung der Machbarkeitsstudie zum zwei Tage zuvor abgelehnten Verkehrsprojekt.
Bundestagsabgeordnete stärken Bendorfern den Rücken
„Wir sind bereit, eine Perspektive für die Stadt zu entwickeln. Ich war optimistisch, dass wir noch in diesem Jahrzehnt endlich einen Bahnanschluss bekommen.“ Aber diesen Optimismus habe er nun nicht mehr.
Josef Oster (CDU), Mitglied des Bundestages für den Wahlkreis Koblenz, versteht die Enttäuschung: „Ich bedauere sehr, dass diese so innovativen und zukunftsorientierte Projekte in Bendorf nun doch keine Förderung erhalten, obwohl dies den Akteuren anders signalisiert wurde. Die Stadt hat viel Fleiß und Geld investiert und gute Konzepte erarbeitet, die jetzt teilweise aus nicht nachvollziehbaren Gründen ausgebremst werden.“
Er sehe allerdings Möglichkeiten, dass die beiden Bendorfer Projekte im Rahmen des jetzt aufgelegten Infrastrukturpaketes noch einmal neu bewertet werden. Zwar seien hier bislang noch keine Details ausgearbeitet, aber durch die beschlossene Grundgesetzänderung seien die Weichen gestellt, so der Bundestagsabgeordnete. „Ich werde mich in diesem Rahmen dafür einsetzen, dass der neue Bahnhaltepunkt in Bendorf und das Wasserstoffprojekt noch einmal auf den Prüfstand kommen und eine neue Chance erhalten.“

Auch der Sozialdemokrat Thorsten Rudolph, wie Oster für den Wahlkreis Koblenz im Parlament, versteht die Enttäuschung: „Das ist natürlich eine bittere Entscheidung. Die Stadt verfolgt unter Bürgermeister Christoph Mohr einen klaren und überzeugenden Plan für eine zukunftsfähige Entwicklung – dazu gehören auch der Bahnhaltepunkt, die Geh- und Radwegbrücke und der Energie-Hub im Hafen. Dass die Förderanfragen in beiden Fällen nicht von Erfolg gekrönt waren, ist deshalb mehr als bedauerlich.“
Er stehe seit Beginn seiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter im regelmäßigen Austausch mit Bürgermeister Mohr und habe sich auf Bundesebene immer wieder für Förderanträge der Stadt eingesetzt. „In den genannten Fällen habe ich beispielsweise sehr eindringlich schriftlich bei Bundeswirtschaftsminister Habeck und der für die Förderung zuständigen ZUG gGmbH für die Projekte geworben – leider ohne Erfolg.“
Keine Förderung für den Hafen-Umbau?
Die ZUG erklärt auf Anfrage zum abgelehnten Umbau des Bendorfer Hafens: „Die Entscheidung, keine Projekte mit Wasserstoffbezug zu fördern, fiel, da eine Förderung solcher Projekte im Einklang mit der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) stehen muss. Diese fordert unter anderem, dass staatliche Förderung sich auf Bereiche fokussieren sollte, in denen der Wasserstoffeinsatz zwingend erforderlich beziehungsweise alternativlos ist.
Die Überprüfung, ob ein Projekt im Sinne der NWS ist, wäre im Rahmen der Kommunalrichtlinie immer eine Einzelfallentscheidung und im Rahmen der als Breitenförderprogramm angelegten Förderung nicht leistbar. Dies mag im Einzelfall wie dem Energie-Hub enttäuschend sein, ist aber in Hinblick auf das Ziel einer schlanken Verwaltungspraxis und der schnellen Bearbeitung der Anträge in der Kommunalrichtlinie unerlässlich.“
Zur Querung der Bundesstraße zur Anbindung eines geplanten Bahnhaltepunktes heißt es aus der ZUG: „Die geplante Brücke zur Anbindung eines möglichen neuen Bahnhaltepunkts schafft nur in geringem Umfang zusätzliche Anreize zur Fahrradnutzung, die dadurch ausgelösten THG-Emissionsminderungen sind ebenfalls gering.“ Das vorgeschlagene Vorhaben leiste daher im Verhältnis zum notwendigen Fördermittelbedarf einen vergleichsweise nur geringen Beitrag zu den Förderzielen des Förderaufrufs „Klimaschutz durch Radverkehr“.

Bendorfer Hafen könnte zum Wasserstoff-Drehkreuz werden
Damit grüner Wasserstoff fossile Energieträger vor allem in der Industrie ablösen kann, muss er importiert und über Pipelines und per Schiff verteilt werden. Dabei soll auch der Bendorfer Rheinhafen eine gewichtige Rolle spielen.
Der Fortsetzung der Machbarkeitsstudie zum geplanten Bahnhaltepunkt steht auch nach abgelehntem Förderbescheid nach Angaben der ZUG nichts im Wege. So heißt es hier: „Es handelt sich hier um zwei unabhängige Förderprogramme, die unterschiedliche Leistungsphasen ansprechen. Daher besteht nach Förderung einer Machbarkeitsstudie kein Anspruch auf eine Förderung der baulichen Umsetzung.“ Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie könnten gleichwohl für eine mögliche Umsetzung außerhalb des NKI-Förderprogramms genutzt werden.

Bendorf ringt um Fassung
Die Bendorfer sind ins Risiko gegangen, wollen ihre Stadt transformieren. Nun gab es unerwartet ein „Nein“ für dringend benötigte Gelder. Das frustriert – und es liefert Erkenntnisse darüber, was sich in Deutschland ändern muss, meint unser Autor.
In diese Richtung denkt nun auch Mohr. Er gibt sich kämpferisch: „Wir in Bendorf stecken den Kopf nicht in den Sand und sehen die Themen Wasserstoff und Anschluss an die Rheinstrecke weiterhin als wahnsinnig wichtige Themen für unsere Stadt an. Daran werden wir auch weiterarbeiten.“
Ideen für den Bahnhaltepunkt
Für den Bahnhaltepunkt gebe es bereits erste Ideen, wie dieser in abgespeckter Form umgesetzt werden könne. Beim Thema Wasserstoff sieht Mohr andere in der Pflicht. Zuerst müsse man sich in Berlin und Brüssel einigen, in welche Richtung es überhaupt weitergehen solle. Wirtschaft und Kommunen stünden bereit. Man werden das Projekt in Bendorf umsetzen, wenn einem die Möglichkeit gegeben werde. Denn Christoph Mohr ist sich sicher: „Ohne starke Kommunen gibt es keine starke Bundesrepublik! Hier entscheidet sich, ob die Politik in Berlin das Leben der Menschen vor Ort verbessern kann.“