Gremium zeigt klare Kante gegen Vorgehen der Sana-AG - Entscheidung am Montag?
Demo vor der Rhein-Mosel-Halle: Koblenzer Stadtrat erklärt sich mit GKM-Klinikmitarbeitern solidarisch
Demonstranten flankieren aufmerksam die Sitzung des Koblenzer Rates. Sie spenden lauten Beifall, als SPD-Fraktionschefin Marion Lipinski-Naumann betont, dass der Austritt des GKM aus dem Arbeitgeberverband „unter allen Umständen verhindern werden müsse“. Fotos: Thomas Brost
Thomas Brost

Koblenz/Kreis MYK. In einer fast dreistündigen Sitzung hat der Stadtrat Koblenz die Marschroute für weitere Verhandlungen mit der Sana-AG abgesteckt und gleichzeitig das Gebaren des Gesundheitskonzerns, der das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein (GKM) zum 1. April 2023 übernehmen möchte, scharf kritisiert.

Demonstranten flankieren aufmerksam die Sitzung des Koblenzer Rates. Sie spenden lauten Beifall, als SPD-Fraktionschefin Marion Lipinski-Naumann betont, dass der Austritt des GKM aus dem Arbeitgeberverband „unter allen Umständen verhindern werden müsse“. Fotos: Thomas Brost
Thomas Brost

Insbesondere die Ankündigung von Geschäftsführerin Melanie John, das Weihnachtsgeld der mehr als 4300 Mitarbeiter um 70 Prozent zu kürzen und das Revirement kurze Zeit später wurde von allen Fraktionen verurteilt.

Montagabend, 19.30 Uhr, Rhein-Mosel-Halle: Bei eiskalten Temperaturen versammeln sich mehr als 100 Krankenhaus-Mitarbeiter aus den fünf Standorten Koblenz, Boppard, Nastätten und Mayen vor dem Foyer, um mit einem Trillerpfeifenkonzert den eintreffenden Ratsmitgliedern ihre Wut und Enttäuschung über den Kurs des Klinikums Luft zu machen. Für sie spricht Tobias Zejewski von der Gewerkschaft Verdi. „Wir geben den Stadträten mit auf den Weg, dass der TVöD der richtige Tarifvertrag ist“, sagt der Gewerkschaftssekretär. Die Meinung der Beschäftigten solle bei der Entscheidungsfindung vom Rat berücksichtigt werden. Die Weihnachtsgeldaktion habe „viel Vertrauen zerstört“ und die Ankündigung, dass Sana fordere, dass das GKM aus der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände austreten soll, „für richtig Unstimmung gesorgt“. Applaus brandet auf, als Ratsfrau Marion Mühlbauer (SPD) – sie ist auch Betriebsrätin im Kemperhof – verkündet, dass die SPD-Fraktion keinen Zentimeter weichen werde. „Wir haben beschlossen, dass wir uns in puncto Tarifvertrag und Arbeitgeberverband auf keinen Kompromiss einlassen“, sagt Marion Mühlbauer.

Druck machen Mitarbeiter des Klinikums und Gewerkschaftsvertreter vor der Sitzung des Koblenzer Stadtrates. Mit dabei auch sechs Mitarbeiter des St.-Elisabeth-Krankenhauses in Mayen. Wie dort die Stimmung ist? „Prickelnd“, sagt eine Mitarbeiterin ironisch. Man arbeite dort unter hoher Zeit- und Arbeitsbelastung. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe dies krank gemacht.
Thomas Brost

Drinnen, im Atrium der Rhein-Mosel-Halle, positionieren sich die GKM-Mitarbeiter oben über den Ratsmitgliedern, ohne eine Drohkulisse aufzubauen. Die ist auch nicht nötig, denn zwischen beiden Seiten besteht in vielem Konsens. Oberbürgermeister David Langner betont, er sei sehr froh, dass die Kürzung des Weihnachtsgeldes zurückgenommen worden sei. „Diese völlig falsche Entscheidung hat aber einen Flurschaden und einen Vertrauensverlust angerichtet.“ Sprecher aller Farben sehen dies genauso.

„Wir müssen vom Getriebensein loskommen. Ein Zeitgewinn ist jetzt wichtig.“

Ulrich Kleemann, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Langner drängt darauf, rasch in den nicht öffentlichen Teil der Sitzung überzugehen. Es gebe wichtige Informationen, auch in rechtlicher Hinsicht, die angesichts der täglich mit neuen Nachrichten angereicherten Lage besprochen werden müssten. Nach fast zwei Stunden sind zwar keine Beschlüsse gefasst worden, die Fraktionen haben aber offenbar über einige Dinge Einigkeit erzielt. CDU-Fraktionschef Stephan Otto spricht davon, dass „wir als Stadtrat bewiesen haben, dass wir Kante zeigen können und Solidarität denen gegenüber, die bewiesen haben, dass sie Krise können.“ Einmütig zeige der Stadtrat Flagge, ergänzt Ulrich Kleemann (Grüne).

Der Rat sende ein geschlossenes politisches Signal aus, dass man sich nicht unter Druck setzen lasse. Kleemann deutet an, dass Zeitgewinn jetzt wichtig sei. Ende März endet die Geschäftsbesorgung vonseiten der Sana-AG. Jetzt würden Weichen gestellt, dass über dieses Datum hinaus Dienstleister gesucht würden, die „sich auf Geschäftsführung in diesem Bereich spezialisiert haben“, so Kleemann. Stephan Otto betont, dass man nun in die Öffentlichkeit gehe und auf Bewerber hoffe. Marion Lipinski-Naumann (SPD) appelliert an die kirchlichen Stiftungen als Gesellschafter, „sich genauso ihrer Verantwortung zu stellen und diese nicht an die Kommunen abzudrücken.“ Nur so ließen sich gemeinsame Ziele erreichen. Stephan Wefelscheid (Freie Wähler) sieht gar jetzt die Zeit gekommen, um den Fokus auf eine Rekommunalisierung des Klinikums zu richten. „Wir brauchen Alternativen“, sagt Wefel-scheid deutlich, der die Einmütigkeit im Rat über den grünen Klee lobt: „So geschlossen haben die Ratsfraktionen bisher noch nicht agiert.“

Es gebe keinen Königsweg in dieser Situation, erläutert Joachim Paul (AfD). Die Situation sei, auch in finanzieller Hinsicht, sehr angespannt. Er bringt die Johanniter ins Spiel, von ihnen ist kürzlich erst berichtet worden, dass sie Interesse an einer Übernahme des Klinikums gezeigt hätten. „Dieses Versäumnis war kein schweres Foul“, so Paul, es müssten aber alle Infos auf den Tisch. Torsten Schupp (WGS) lobt die Phalanx von Rat, Gewerkschaften, Patienten, Ärzten und weiteren Mitarbeitern in den jüngsten Wochen. Er wünsche sich, dass diese Geschlossenheit „jetzt auch auf die anderen Gesellschafter übergeht“.

Der Einzige, der offen bekennt, dass er „mit Sana zu einem guten Ende kommen“ will, ist Christoph Schöll. Der FDP-Sprecher erklärt, angesichts der Schieflage sei ein starker Partner alternativlos, das GKM in seiner jetzigen Struktur „nicht überlebensfähig“.

Wichtig ist jetzt, was die Wirtschaftsprüfer an Datenmaterial zusammengetragen haben. Das soll sowohl dem Stadtrat als auch dem Kreistag MYK am Montag vorgelegt werden. „Vieles hängt von der Fortführungsprognose ab, das Beauftragte wird uns neue Aufschlüsse geben“, sagt Stephan Otto. „Wir brauchen eine schnelle Lösung, insofern wird der 19. Dezember ein entscheidender Tag werden“, blickt Marion Lipinski-Naumann gespannt voraus.

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