Hand aufs Herz. Wer kann einer leckeren Portion Eis wirklich widerstehen? Für viele Koblenzer gehört der Besuch im Eissalon Brustolon zu den festen Sommerritualen. Bereits vor 100 Jahren wuchsen im Dolomitenort Val di Zoldo echte Spezialisten in Sachen Speiseeis heran. Der Eiswagen eines gewissen Corrado Brustolon, den er im Jahr 1932 vor seinem Eisgeschäft in Santa Lucia aufgestellt hatte, schaffte es sogar ins New Yorker Museum für Wissenschaft und Technik.
Die Eishersteller aus den Dolomiten zogen los in die Welt. Wie zum Beispiel Arcangelo Brustolon, der 1934 sein Eiscafé in Koblenz am Jesuitenplatz eröffnet hat. Zu dieser Zeit war die Eisherstellung noch mit harter Knochenarbeit verbunden. Eier, Milch, Sahne und Früchte galt es, per Hand zu verarbeiten. Das Pasteurisieren dauerte Stunden, immer wieder musste die Masse umgerührt werden.
Gianluca und Marco Brustolon berichten: „Unser Opa bekam noch hier am Jesuitenplatz das Eis in Blöcken geliefert. Das musste dann in Handarbeit zerkleinert werden.” Mit Salz als Kältemittel wurde die Haltbarkeit verlängert. Arbeitszeiten wie im Bäckerhandwerk waren durchaus üblich. Frühmorgens um 3 bis 4 Uhr ging bereits der Arbeitstag los.
In den 1970er-Jahren erlebten die Eisdielen ihren großen Boom. Sie waren überaus beliebte Treffpunkte für die Jugend. Das Eis gab es in Silberschälchen. Gianluca erinnert sich: „Wir hatten einen großen Laden in der Löhrstraße. Ein 20-köpfiges Team kümmerte sich um die Kundschaft. Und natürlich durfte die Jukebox nicht fehlen.” Da die Auswahl noch überschaubar war, stellte die Kellnerin nach Aufnahme der Bestellung einfach einen Becher in der richtigen Größe auf die Theke. Die Familie verteilte sich auf mehrere Standorte. In Neuwied, Boppard, Höhr-Grenzhausen und Bad Ems wurde die Eisqualität der Familie Brustolon bald ebenso geschätzt wie in Koblenz.
Sonderstatus Außengastro
Der Pioniergeist der Familie führte zu immer neuen Eissorten, aber auch zu in Deutschland noch gar nicht verbreiteten Gastronomieformaten. So war das Eiscafé am Jesuitenplatz im Jahr 1987 in Koblenz das erste seiner Art mit Außengastronomie. Nach intensiven Verhandlungen mit der zuständigen Behörde durften schließlich sechs Tische aufgestellt werden.
Anfang der 1990er-Jahre übernahmen Marco und Gianluca von ihrem Vater Alessandro den Eissalon am Jesuitenplatz. Die beiden Brüder sagen: „Wir konnten zwar Eis herstellen, aber das Geschäftliche war neu für uns.” Sie kämpften sich durch die Büroarbeit und sind heute vom Jesuitenplatz nicht mehr wegzudenken.
Wenn man sich das mal überlegt: Früher gab es insgesamt nur ein paar wenige Sorten, heute haben wir allein zehn verschiedene Sorten Joghurteis.
Die Eiskultur hat sich extrem gewandelt, findet Marco Brustolon
Zeiten und Geschmäcker verändern sich, Corona tat ein Übriges, Gastronomiekonzepte zu überdenken. Gianluca und Marco waren sich einig. „Wir sind praktisch mit dem Eiscafé groß geworden, haben unser Handwerk von der Pike auf gelernt. Wir fühlen uns in unserem Metier rundum wohl.” Also fokussierte man sich auf das Produkt Eis. Zum Credo der beiden gehört nach wie vor, täglich frisch zu produzieren. Gern werde experimentiert. Marco sagt: „Wenn man sich das mal überlegt: Früher gab es insgesamt nur ein paar wenige Sorten, heute haben wir allein zehn verschiedene Sorten Joghurteis.”
Während Gianluca auch im Winter in Koblenz bleibt, zieht es Marco dann in die alte Heimat. Daher ist natürlich beiden der Vergleich zwischen italienischen und deutschen Kunden möglich. „In Italien wird mehr Eis in der Waffel verlangt, in Deutschland mehr die großen Becher, auch oft zum Mitnehmen.” Einen Traum haben die beiden Gelatieri: „Wir würden gern in der Art eines Front-Cooking unsere Eismaschine fürs Publikum sichtbar hinter der Theke aufstellen und betreiben.”
Damit Koblenz im Winter nicht ganz auf die Leckereien verzichten muss, haben die beiden Brüder einen Eisautomaten aufgestellt. In den Wintermonaten sind neben dem Allzeitklassiker Spaghettieis auch die Sorten Zimt und Spekulatius im Angebot. Bis es dann am 1. März wieder heißt: „Drei Bällchen im Becher, bitte!”