Mit konzentrierter Miene stehen die Einsatzkräfte der Höhenrettung der Koblenzer Berufsfeuerwehr im Kreis und prüfen gegenseitig ihre Einsatzkleidung: Seile, Karabiner, Helm. Alles muss sitzen und bereit sein für den Einsatz. Um sie herum: Baustellenfahrzeuge, Gerüste und ein 40 Meter hoher Kran. Denn der heutige Einsatzort ist die Baustelle an der Pfaffendorfer Brücke in Koblenz. Doch obwohl das Szenario realistisch wirkt, ist es nur eine Übung für den Ernstfall – der allerdings jederzeit eintreten kann.
„Das Ziel unserer Übungen ist es, Erfahrung zu sammeln und Routine zu bekommen“, betont Tobias Hisgen, Mitglied der Höhenrettung Koblenz, kurz vor Beginn des Einsatztrainings. Beim heutigen Szenario wird zuerst ein Kranführer nach einem medizinischen Notfall aus der Kanzel gerettet und im Anschluss eine Person, die sich aus unerklärlichen Gründen auf dem Ausleger des Krans befindet.
Team ist durch Funk verbunden
Dann geht es auch schon los. Hisgen und vier seiner Kollegen klettern mit vorsichtigen Schritten den Kran hoch, unter ihnen der tosende Rhein. Bei jedem Schritt ertönt ein knackendes Geräusch. Janosch Seyl, Brandmeister bei der Berufsfeuerwehr Koblenz und ebenso Teil der Höhenrettung, nimmt seine Position am Boden ein, am Fuße des Krans, unmittelbar unter der Pfaffendorfer Brücke. Mit seinen Kollegen ist er durch Funk verbunden. Trotz des unaufhörlichen Regens, der die Sicht an diesem Morgen teilweise einschränkt, wendet er den Blick nicht von seinen Kollegen ab, die sich in diesem Moment in schwindelerregender Höhe befinden. „Hört ihr mich?“, fragt Seyl über Funk und geht dabei sichtlich angespannt auf der Stelle auf und ab. Die Antwort scheint positiv, denn es macht sich ein erleichterter Ausdruck auf seinem Gesicht breit.
Nach rund 20 Minuten haben die Höhenretter auf dem Kran alles soweit vorbereitet, dass sie ein Seil herablassen können, an das Seyl das nötige Equipment für die Rettung bindet. Mit vereinten Kräften ziehen die Ausrüstung kurze Zeit später wieder nach oben. Seyl steht nach wie vor am Fuße des Krans. Er ist bereit, jederzeit zu helfen, wenn seine Kollegen ihn darum bitten.
Seile müssen fest sitzen
Weitere 20 Minuten später: Seyl wird plötzlich hektisch. Er verlässt seine Position unter der Brücke und läuft schnellen Schrittes nach oben, auf die Brücke. Trotz des Lärms der vorbeirauschenden Autos, die die Brücke in diesem Moment passieren, lässt er sich nicht ablenken und befestigt dort mit geübten Griffen einige Seile, sowohl am Geländer als auch an einer nahe gelegenen Laterne. Um die Seile so sicher wie möglich zu machen, verwendet er zusätzlich verschiedene Knoten.
„Jetzt ist es gleich soweit. Die Kollegen oben auf dem Kran bereiten gerade alles vor, um den Patienten bald abzuseilen“, erklärt Seyl und schaut dabei ständig zu seinen Kollegen, die sich noch immer in mehr als 40 Meter Höhe befinden. Ein erneuter Austausch über Funk und es ist klar: Die Rettung der Person steht kurz bevor. Zunächst nimmt der Brandmeister das Seil entgegen, dass seine Kollegen vom Kran herablassen. Mit konzentrierter Miene bindet er es an das von ihm an der Laterne befestigte andere Seil. Die Verbindungsstelle der zwei Seile, die mit einem Karabinerhaken zusammengehalten wird, prüft er dabei mehrmals. Es darf nicht das Risiko bestehen, dass etwas reißt. Der Brandmeister zieht die Seile nochmals fest. Das Abseilen kann beginnen.
Das Abseilen ist die kritischste Phase
Ein kurzer Blick in den Himmel zeigt: Der Rettungsvorgang hat gestartet. Der Patient (gespielt von einem Mitglied der Höhenrettung) liegt in der Trage und wird in Begleitung eines weiteren Kollegen vom Kran abgeseilt. Trage und Retter kommen dem Boden immer näher. Bei Seyl herrscht volle Konzentration. Langsam lässt er das Seil immer weiter kommen. Kurz bevor sein Kollege und der Patient den Boden erreichen, muss er noch einmal all seine Kräfte zusammennehmen. Er muss das Seil gut festhalten, damit das Aufkommen sanft ist.
„Du kannst langsam loslassen!“, ruft Hisgen seinem Kollegen von oben zu, als es nur noch knapp ein Meter ist, bis Retter und Patient den Boden erreichen. Ein letztes Mal lässt der Höhenretter das Seil kommen, dann ist es geschafft. Hisgen und der vermeintliche Kranführer haben sicher den Boden erreicht. Bei den Einsatzkräften der Höhenrettung macht sich Erleichterung im Gesicht breit. Sie helfen dem Patient aus der Trage. Damit ist der Einsatz geschafft.
Auch das zweite geübte Szenario, bei dem eine Person vom Ausleger des Krans durch Abseilen gerettet werden muss, meistert das Team der Höhenrettung ohne Probleme, wie die Pressestelle der Stadt Koblenz auf Nachfrage mitteilt. Für Seyl und seine Kollegen war der Tag in allerlei Hinsicht erfolgreich. Neben zusätzlichen Erfahrungen für ernsthafte Einsätze habe besonders die Übung mit dem Kran einen Lerneffekt gehabt. „Wir haben gelernt, wie wir hier am besten den Vorstieg machen und wie wir unser Equipment nach oben bekommen. Das ist gut zu wissen für den Ernstfall“, betont Felix Schunck, ebenfalls Teil der Höhenrettung der Berufsfeuerwehr Koblenz.
Die Flut im Ahrtal hat 2021 auf erschreckende Weise gezeigt: Wenn Menschen in ausweglosen Situationen nur noch aus der Luft gerettet werden können, fehlen im nördlichen Rheinland-Pfalz nicht nur geeignete Hubschrauber, sondern auch spezielle Einsatzkräfte bei der Feuerwehr.Neue Spezialeinheit bei der Feuerwehr Koblenz legt los: Warum die Höhenretter dringend gebraucht werden
Was die Höhenrettungsgruppe macht
Die Höhenrettungsgruppe der Berufsfeuerwehr Koblenz ist seit Sommer 2023 im Dienst und wird für die spezielle Rettung aus Höhen und Tiefen ausgebildet. Sie kommt im gesamten nördlichen Rheinland-Pfalz immer dann zum Einsatz, wenn irgendjemand in großer Höhe – oder auch großer Tiefe – Hilfe braucht. Insgesamt 17 Feuerwehrmänner wurden speziell dafür geschult. Bis zum vergangenen Jahr waren die Feuerwehrleute aus Koblenz nur für die Höhensicherung ausgebildet – für die Höhenrettung mussten bei Einsätzen im Großraum Koblenz die Höhenretter aus Boppard gerufen werden. Nun sind sie selbst dazu in der Lage. Bei regelmäßigen Übungen im Koblenzer Stadtgebiet trainieren sie für den Ernstfall. kel