Koblenz/Mainz
CDU-Mann bepöbelt Malu Dreyer – Vorstand des CDU-Ortsverbands Süd in Koblenz tritt zurück [5. Update]

Koblenz/Mainz. Die SPD auf der „behinderten Mitleidsschiene“? Eine Ministerpräsidentin, die „Erwerbsminderungsrente beantragen und abtreten“ soll? Äußerungen des Koblenzer CDU-Mannes Daniel Wilms bei Facebook sorgen für Wirbel im Landtagswahlkampf. Am Abend traf sich der Vorstand des CDU-Ortsverbands Koblenz-Süd wegen der Äußerungen – und trat kurz darauf zurück. 

Lesezeit 6 Minuten

Äußerungen des Koblenzer CDU-Mannes Daniel Wilms bei Facebook sorgen für Wirbel
RZ/Screenshots/Facebook
Äußerungen des Koblenzer CDU-Mannes Daniel Wilms bei Facebook sorgen für Wirbel
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Von unseren Redakteuren Ingo Schneider und Tim Kosmetschke

Auslöser der Empörungsspirale sind Kommentare von Wilms, der im Vorstand des CDU-Ortsverbandes Süd aktiv ist, in einer öffentlichen Gruppe im Onlinenetzwerk Facebook namens „Ministerpräsidentin Malu Dreyer“. Dort hatte der Mainzer SPD-Unterstützer Björn Rodday – nach eigenen Angaben „Visual Artist“, Filmemacher und Musiker – eine drei Jahre alte Bildergalerie des Magazins der „Süddeutschen Zeitung“ gepostet. In der Rubrik „Sagen Sie jetzt nichts“ gibt Malu Dreyer darin Bildantworten auf Fragen der Journalisten – mit Mimik und Gestik. Auf dem ersten Bild sitzt Dreyer, die an Multipler Sklerose erkrankt ist, in einem Rollstuhl.

Dies nahm Daniel Wilms zum Anlass, der SPD vorzuwerfen, auf der „behinderten Mitleidsschiene“ zu fahren. So lautet sein Kommentar wörtlich wörtlich: „Will die ,SPD‘ im Land nun auf der behinderten Mitleidsschiene für Frau Dreyer fahren, anstatt mit Leistung, Inhalten und Verantwortung für Ihr Handeln?“

Empörung im Netz ist groß

Diverse Facebook-Nutzer reagierten rasch mit empörten Kommentaren, woraufhin Wilms wiederum auf die Meinungsfreiheit verwies. Außerdem schrieb er: „Ihr Socken greift nun jeden Strohhalm, das ist erbärmlich ... und ihr beleidigt alle Behinderten damit!“ Mit Socken meint er die SPD-Angehörigen. Etwas später schrieb er noch: „Richtig ist, dass Dreyer damit fischen geht, um vom Filz wegzukommen ... lichten wir Schäuble ab, um ,behinderte‘ Stimmen zu bekommen?“

Zudem postete Wilms selbst noch ein weiteres Foto aus der SZ-Bildergalerie, auf dem Dreyer einen Staubwedel in der Hand hält. Er kommentierte dies so: „Genau, ab nach Hause! Für den Hausputz reicht es noch …“ Nachdem er auch dafür von anderen Nutzern scharf kritisiert wurde, schrieb er noch in Bezug auf Dreyer: „War sie auch eine arme Frau und behindert, als sie mit MP Beck in der MP-Runde alles zum Ring mitgehört haben muss??? Hat sie eventuell auf schuldunfähig plädiert??“

Daniel Wilms reagierte auf eine Anfrage unserer Zeitung auf Facebook, wollte sich aber inhaltlich zunächst nicht äußern. Der rheinland-pfälzische SPD-Generalsekretär Jens Guth ließ über die Pressestelle des SPD-Landesverbandes noch am Abend eine Pressemeldung verschicken. Darin heißt es: „Ich bin empört und erschüttert. Aufgrund ihrer klaren Haltungen und Standpunkte zu Themen wie AfD und Rechtsextremismus sind Beschimpfungen, Herabwürdigungen und Drohungen gegen Malu Dreyer im Netz mittlerweile trauriger Alltag. Nicht das erste Mal hören wir aus CDU-Kreisen üble Andeutungen, nun sind sie schwarz auf weiß belegt. Wenn jedoch CDU-Funktionäre wie Daniel Wilms sich in einer Art und Weise äußern, wie es heute geschehen ist, bewegen wir uns auf einem neuen Level der Niedertracht. Wilms’ Aussagen sind menschenverachtend und widerlich.“ Zudem verlangte er eine Erklärung der CDU und von CDU-Landeschefin Julia Klöckner.

Eine Reaktion von Klöckner forderte auch der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag, Alexander Schweitzer, auf Twitter. Klöckner selbst äußerte sich aber zunächst nicht. Dafür verurteilte der CDU-Landesverband Wilms' Kommentare aufs Schärfste. „Das geht gar nicht. Wir legen Wert darauf, dass dieser Herr nicht für die CDU spricht“, sagte ein Sprecher auf Anfrage unserer Zeitung. Ähnlich empört äußerten sich andere CDU-Landespolitiker beim Kurznachrichtendienst Twitter: „Geht gar nicht und ist voll daneben“, schrieb etwa der CDU-Landesgeschäftsführer Jan Zimmer. CDU-Parteistratege Robin Schmidt stimmt dem zu: „Voll daneben trifft's“, schreibt er.

Unser Posting zum Thema:

„Unterste Schublade“

Die Empörung über Wilms' Kommentare auf Facebook sind sowohl bei der SPD als auch bei der CDU groß. Der Koblenzer SPD-Chef und Staatssekretär David Langner sagt: “Das ist wirklich unterste Schublade.„ Im weiteren Verlauf schrieb Wilms noch in Bezug auf die SPD: “Ihr könnt mit nix punkten und stellt eure kranke MP in den Vordergrund für den Wahlkampf! […] Außerdem beleidigt mich das persönlich, denn ich bin selbst behindert!„

Der Koblenzer CDU-Chef und Landtagsabgeordnete Andreas Biebricher versuchte vergeblich, Wilms für ein klärendes Gespräch zu erreichen. Verständnislos reagierte er auf die Entgleisungen: “Wir haben uns sofort klar davon distanziert„, betonte er, “das ist eine unglaubliche Geschmacklosigkeit, die durch nichts zu rechtfertigen ist.„ In keinem Falle habe sich Wilms für die CDU oder in deren Sinne geäußert – im Gegenteil. Wilms sei nur ein Beisitzer in einem Ortsverband und keinesfalls in der Position, für die Partei zu sprechen.

Bereits in der Vergangenheit habe es Äußerungen von Wilms gegeben, die Biebricher als grenzwertig bezeichnet. Daraufhin habe es persönliche Gespräche gegeben, zwischen ihm und Wilms sowie zwischen dem CDU-Ortsverbandsvorsitzenden Rudolf Kalenberg und Wilms. Tenor: Er möge so etwas künftig unterlassen. Der aktuelle Vorfall aber hat aus Sicht von Biebricher eine ganz neue Qualität.

Vorstand tritt geschlossen zurück

Der Vorstand des CDU-Ortsverbandes Koblenz Süd traf sich bereits am Donnerstagabend mit Wilms und legte ihm den Austritt aus der Partei nahe. Doch Wilms zeigte sich uneinsichtig. Daraufhin trat der gesamte Vorstand des Ortsverbands zurück, sodass neu gewählt werden muss.

Daniel Wilms ist Beisitzer im CDU-Ortsverband Süd. Bei der Kommunalwahl 2014 trat er auf Listenplatz 53 für die CDU an, wurde aber nicht in den Stadtrat gewählt.

Am “Morgen danach" äußerte Daniel Wilms sich per Facebookpost:

Mitarbeit: rt/jo/htz/nbo/msc

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