Warum der erzielte Kompromiss zwischen Gewerkschaft und Fahrradhersteller eine Einigung auf den letzten Drücker gewesen ist
Canyon und IG Metall einigen sich auf Tarifvertrag: Warum es ein Kompromiss in letzter Sekunde war
Canyon Bicycles
Beschäftigte in der Canyon-Factory, der Produktionshalle an der A 61 in Koblenz, sollen von dem Haustarifvertrag profitieren, auf den sich der Fahrradhersteller und die IG Metall geeinigt haben.
Silke Kolbeck

14 Stunden rangen, diskutierten und verhandelten IG Metall und Canyon um einen Tarifvertrag bei dem Fahrradhersteller. Am Ende der vierten Verhandlungsrunde steht ein Ergebnis, bei dem beide Parteien von einer „innovativen“ Lösung sprechen. Letzten Endes ist es ein Kompromiss in letzter Sekunde. Hätte es jetzt keine Einigung gegeben, wäre laut Gewerkschaft eine Eskalation möglich gewesen. Und in trockenen Tüchern ist die ganze Sache auch noch nicht.

Canyon Bicycles
Beschäftigte in der Canyon-Factory, der Produktionshalle an der A 61 in Koblenz, sollen von dem Haustarifvertrag profitieren, auf den sich der Fahrradhersteller und die IG Metall geeinigt haben.
Silke Kolbeck

Ein auf Canyon zugeschnittener Haustarifvertrag ist also das Ergebnis der Tarifrunden der vergangenen sieben Monate. Dieser soll rund 1100 Beschäftigten des Fahrradunternehmens Sicherheit und mehr Geld bescheren. Man habe sich auf ein umfangreiches Maßnahmenpaket geeinigt, erklärte IG-Verhandlungsführer Ali Yener nach den intensiven Verhandlungen im Gespräch mit unserer Zeitung. Zugleich deutet er aber auch an: Bei ihren Forderungen hat die Gewerkschaft Abstriche gemacht und in Kauf genommen. „Es ist ein Kompromiss, mit dem beide Seiten zufrieden sein können“, so Yener.

Stillschweigen über die Eckpunkte des Tarifs

Welche Forderungen der Gewerkschaft letzten Endes in den Entwurf mit aufgenommen worden sind und welche nicht, dazu äußerte sich Yener nicht. Über die Eckpunkte des Tarifs sollten zuerst die Mitglieder auf ihrer Versammlung am 23. September erfahren. Sie müssen dem ausgehandelten Haustarifvertrag nämlich erst zustimmen, bevor dieser rechtssicher ausformuliert und fixiert werden kann.

Von Canyon gefordert hatte die Gewerkschaft unter anderem die Zahlung eines tariflichen Zusatzgeldes und die Reduzierung der Arbeitszeit auf 35 Stunden pro Woche. Außerdem sollte Canyon die Tarifverträge der regionalen Metall- und Elektroindustrie anerkennen. Die Einigung auf einen Canyon-spezifischen Haustarifvertrag legt zumindest nahe, dass die Gewerkschaft bei Letzterem den Kürzeren gezogen hat. Das Ergebnis sei aber für Canyon, die IG Metall und die gesamte Region ein „Fortschritt“, betonte Yener.

Warnstreik lag in der Luft

Er und seine Verhandlungspartner verhehlen nicht, dass die Gespräche „hart“ und „aufreibend“ gewesen sind, bei denen es mitunter „heiß her“ ging. In einer Pressemeldung Ende August, als beide Parteien noch weit auseinander lagen, hatte die Gewerkschaft schon angedeutet, dass die vierte Verhandlungsrunde die entscheidende werden würde. Was dort zwischen den Zeilen schon angeklungen war, bestätigt Yener auf Nachfrage noch einmal: „Eine Eskalation wäre drin gewesen.“ Sprich: Ein Warnstreik lag scheinbar im Bereich des Möglichen oder sogar schon in der Luft.

Canyon-CEO Nicolas de Ros Wallace kommentierte die Einigung mit der Gewerkschaft in einer Pressemeldung mit den Worten: „Es ist unsere Verantwortung als Unternehmen, die Arbeitsbedingungen im Sinne unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter positiv zu gestalten und unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.“ Die Canyon Bicycles GmbH hatte zuvor stets betont, die Einführung eines Tarifvertrages dürfe die eigene Wettbewerbsfähigkeit nicht in Gefahr bringen.

Das Ergebnis, das jetzt vorliegt, zeigt: Beim nun ausgehandelten Haustarif scheint man sich darum keine Sorgen zu machen. Der Tarifvertrag sei auf Canyon maßgeschneidert, wird CEO de Ros Wallace weiter zitiert. Weitere Informationen zu den Inhalten des Tarifvertrages wollte auch Canyon auf Nachfrage zum jetzigen Zeitpunkt nicht herausgeben.

Mitglieder müssen dem Ergebnis zustimmen

Nach außen betonten sowohl die IG Metall als auch die Gewerkschaft stets, dass der Umgang miteinander respektvoll gewesen sei. So auch nach der jüngsten Mammutsitzung, die sich sogar über zwei Tage hinzog. Beendet sind die Gespräche noch nicht. Der Haustarifvertrag muss nun in den Gremien der IG Metall abgestimmt werden. Danach wollen sich beide Seiten auch zu den Inhalten des Vertrags äußern. Spannend bleibt die Frage, ob die Gewerkschaftsmitglieder bei ihrer Versammlung am 23. September ihr OK geben.

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