Koblenz – Das Forum Mittelrhein steht kurz vor der Vollendung, die Bauarbeiten im Umfeld laufen auf Hochtouren und die Fußgängerzone ist abgesehen vom Altlöhrtor bereits seit Frühjahr 2011 fertig: Insofern überrascht es, dass sich der Stadtrat erst in seiner jüngsten Sitzung mit dem städtebaulichen Entwicklungskonzept „Aktive Innenstadt“ befasste. Bei näherer Betrachtung wurde jedoch deutlich, dass es auch um ein großes Thema geht – den Handlungsbedarf für die Löhrstraße.
Das im Auftrag der Stadt von der Deutschen Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft in Bonn erarbeitete Konzept nahm der Rat gegen die Stimmen der Bürgerinitiative Zukunft für Koblenz (BIZ) und bei zwei Enthaltungen an. Erstaunlich ist, dass das Konzept vom Rat ohne Diskussion angenommen wurde. Enthält es doch über weite Strecken wenig Neues und bezieht sich auf Fakten oder Projekte, die bereits seit Monaten erledigt oder veröffentlicht sind. „Normalerweise erfolgt eine Beschlussfassung über eine Konzeption, bevor eine Baumaßnahme durchgeführt wird. Schließlich soll die Baumaßnahme das vollziehen, was das Konzept vorgibt“, kritisierte einzig Stephan Wefelscheid. Der BIZ-Fraktionschef sprach von einer nachträglichen Legitimierung der Fußgängerzone Löhrstraße und des Forums Mittelrhein und von einer Abstimmung aus rein formalen Gründen. „Die BIZ-Fraktion lehnt es ab, erst zu bauen und dann im Nachgang die städtebauliche Begründung für die Baumaßnahme zu beschließen“, betonte Stephan Wefelscheid, der sich auch mit dem Inhalt des Konzeptes nicht anfreunden kann.
Aus Sicht der BIZ enthält das Konzept viele Wertungen ohne Beweis. Dazu gehöre die Annahme, dass die Leerstände in der Schlossstraße und in der Casinostraße im engen Kontext mit der über Jahre desolaten Situation am Zentralplatz stehen. Dies habe wiederum das Forum Mittelrhein zur Stärkung der Einkaufsstadt erforderlich gemacht. Die Kritik der BIZ: Die Gutachter nennen Zusammenhänge, ohne sie belegen zu können. Auch die Beurteilung des Angebots in Koblenz ist aus Sicht der Fraktion nicht begründet. So kritisieren die Gutachter unzeitgemäße Betriebe im Bereich der Gastronomie. „Was soll diese nicht näher verifizierte Behauptung bezwecken? Ist es die nachträgliche Legitimation für den erhöhten Gastronomieanteil im neuen Shoppingcenter? Ist es die städtebauliche Begründung für die durch die Stadt geförderte Ansiedlung von Vapiano?“, so der bissige Kommentar des Fraktionschefs in der Ratssitzung.
Für Außenstehende stellt sich nun die Frage, ob das Konzept umsonst gewesen ist. Die Antwort: nicht ganz. Enthält es doch neue Zahlen zum Einzugsbereich und zur Kaufkraft. Demnach hat der örtliche Einzelhandel die Chance, rund 970 000 Menschen mit einem Kaufkraftpotenzial von 5,3 Milliarden Euro im Großraum Koblenz anzusprechen. Fakt ist aber, dass lediglich ein Bruttoumsatz von 899,5 Millionen Euro erwirtschaftet wird. Da die Stadt Koblenz selbst ein Kaufkraftpotenzial von 608 Millionen Euro hat, liegt der Schluss nahe, dass der örtliche Einzelhandel seine Umsätze vor allem in der näheren Umgebung erwirtschaftet. Die Gutachter begründen dies mit Defiziten in Bereichen wie Sportartikel und Spielwaren. Auch vermissen sie eine ausreichende Versorgung mit Baby- und Computerfachmärkten. Die Bonner Experten fordern deshalb eine Erweiterung des Einzelhandelsangebotes.
Für die Gutachter reicht es nicht, mit einer Steigerung des Angebotes für Touristen und Kongressgäste gegenzusteuern. Hier liegt das Umsatzpotenzial aktuell lediglich bei 35 Millionen Euro. Das Fazit: Wenn es um die Ausschöpfung von Kaufkraftpotenzialen geht, liegt Koblenz im Vergleich im unteren Drittel. Für die Experten ist da noch viel Luft nach oben, zumal die vorhandenen Geschäfte Potenzial haben. Als Beispiel arbeiten sie die inhabergeführten Betriebe heraus, die in der Altstadt einen Anteil von 30 Prozent erreichen.
Die Forderung der Gutachter, die Einkaufsbereiche gestalterisch als Einheit zu verbinden, überrascht. Genau das ist bereits geschehen und wird nun rund um das Forum Mittelrhein fortgesetzt. Auch der Hinweis auf eine Neuentdeckung des baukulturellen Erbes und dessen Vernetzung ist nicht neu. Vieles wurde bereits vor der Buga umgesetzt.
Reinhard Kallenbach