Sylvia Reckenthäler und Maria Borger, die eine Geschäftsführerin des Demeter Bois Stadtladens in der Südlichen Vorstadt von Koblenz, die andere Geschäftsführerin des Biolandhofs Kohl in Urbar, muss man zum Thema nicht lange befragen. „Ja, der Kassenbon ist kürzer geworden“, meint Maria Borger.
Das hat auch Sylvia Reckenthäler im Markenbildchenweg in Koblenz so festgestellt. Andererseits: Wer einmal gern Bioprodukte einkauft, der bleibt auch dabei – selbst wenn der Einkaufswagen nicht mehr so gut gefüllt ist. „Man denkt angesichts der allgemeinen Preisentwicklung kurz darüber nach – und entscheidet sich dann doch für Bio“, so eine Kundin aus Koblenz, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.
Ja, der Kassenbon ist kürzer geworden.
Maria Borger, Geschäftsführein des Biolandhofs Kohl in Urbar
„Ja das ist es mir wert“, bestätigt auch Thomas Messingschläger aus Urbar, der zugibt, dass er „50 zu 50 konventionelle und Bio-Lebensmittel“ einkauft. Hat das auch mit den Preisen zu tun, die im Biomarkt eher etwas höher sind im Vergleich zum konventionellen Lebensmittelmarkt?
„Das ist mindestes teilweise ein Vorurteil“, betont Maria Borger, „beim Obst und Gemüse hat es schon eine deutliche Annäherung gegeben.“ Regionale Bio-Produkte können bei steigenden Produktions- und Transportkosten für konventionell produzierte Lebensmittel aufgrund der kürzeren Transportwege preiswerter sein.
Umsatzrückgang von 3,5 bis 4 Prozent gegenüber 2021
Was in der Südlichen Vorstadt von Koblenz und in Urbar durch eine gewisse Kaufzurückhaltung spürbar ist, haben der Deutsche Bauernverband wie der Bund Ökologische Landwirtschaft (BÖLW) bundesweit für 2022 belegt. Beide Verbände gehen von einem Umsatzrückgang von 3,5 bis 4 Prozent gegenüber 2021 auf jetzt 15 Milliarden Euro aus.
Damit, so der Baunervenband, schrumpfte der deutsche Öko-Markt 2022 „zum ersten Mal in seiner Geschichte“. Aktuell sind 11,3 Prozent der Ackerfläche in Deutschland auf Öko-Produktion umgestellt.
Biomarkt-Ketten melden Insolvenz an
Der Umsatzeinbruch hat allerdings seine Besonderheiten. Zum einen waren die beiden Corona-Jahre 2020 und 2021 für die Anbieter Rekordumsatzjahre, weil verstärkt zu Hause gekocht wurde. Während der Lockdowns waren Mensen, Kantinen und Restaurants geschlossen. Daher bietet eher 2019 den Referenzwert für 2022.
Verglichen damit liegen die Umsätze der Bio-Branche 2022 nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes immer noch „2,7 Milliarden Euro“ darüber. Zum anderen registrieren bundesweit zwar kleine Biomärkte wie in Koblenz und Urbar, Naturkostläden, Hofläden oder Wochenmärkte eine Zurückhaltung beim Kaufen, und große Biomarkt-Ketten wie Basic haben sogar Insolvenz angemeldet.
Alnatura und Denns bauen ihr Netz aus
Andere Anbieter auf dem Öko-Markt aber sehen die Entwicklung trotz der Rückgänge eher optimistisch: „Es werden verstärkt Produkte unserer Hausmarke Alnatura gekauft, die wir dauerhaft als Sparpreise gekennzeichnet haben“, so eine Sprecherin der Darmstädter Bio-Markt-Kette Alnatura.
Erstmalig in der Unternehmensgeschichte ging zwar auch hier der Umsatz 2022 mit 1,12 Milliarden Euro „leicht um 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr“ zurück, aber man habe „mit einem wesentlich stärkeren Rückgang gerechnet“, so Geschäftsführer und Unternehmensgründer Götz Rehn. Alnatura und Denns, die Kette ist auch in Koblenz und Mayen mit Filialen vertreten, bauten 2022 ihr Netz weiter aus, Alnatura will auch in diesem Jahr neue Standorte eröffnen. Denns wollte eine Anfrage zum Thema nicht beantworten.
Bleiben kleine Märkte auf der Strecke?
Anders die Konzernzentrale von Aldi Süd in Mülheim/Ruhr, wo man „aktuell eine gestiegene Nachfrage nach Bio-Produkten“ verzeichne, so eine Sprecherin. 2023 weitet die Kette die „strategische Partnerschaft mit dem Bio-Verband Naturland“ sogar noch aus. Immerhin zwei Drittel des Bio-Marktes entfallen mittlerweile schon auf den konventionellen Lebensmittelhandel (LEH) mit den großen Ketten wie Aldi, Lidl, Rewe und Edeka.
Nach Angaben des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) verzeichneten diese Ketten sogar 3,2 Prozent mehr Umsatz mit Bio-Produkten im Jahr 2022 als 2021. Alles zusammengenommen befindet sich der Bio-Markt offenbar in einem Verdrängungswettbewerb. Bleiben die kleinen Biomärkte, mit denen einst alles begann, auf der Strecke?
Bedienung macht jede Menge aus
An Thomas Messingschläger aus Urbar wird das offenbar nicht liegen. Es gehe ja nicht nur um den Kauf im Laden, meint er: „Hier ist auch die Bedienung sehr persönlich und kompetent.“
Ein Tante-Emma-Laden mit Nahversorgungsfunktion auf Bio-Niveau. Und den kann ihm so schnell keiner ersetzen.