Betrüger versuchen auch in Koblenz, unter anderem dreimal in Güls, an begehrte digitale Zertifikate zu gelangen
Betrüger entlarvt: Falsche Impfausweise fliegen in Apotheken auf
Apotheker Sebastian Schmidt sieht zurzeit täglich mehr als Hundert Impfpässe, weil deren Besitzer ein digitales Impfzertifikat ausgestellt bekommen möchten. Manche Impfhefte sehen gefälscht aus. Dann heißt es, die Angaben zu überprüfen.
Reinhard Kallenbach

Koblenz. Der Fall des entlassenen Fußballtrainers von Werder Bremen hat ein Schlaglicht auf die dunkle Seite der Corona-Beschränkungen von 2G und 2G-plus geworfen: Mittlerweile kursieren immer mehr gefälschte Impfausweise – und nicht jeder fliegt wie Trainer Markus Anfang auf. Dabei sind auch in Koblenz etliche erfundene Dokumente in Umlauf. In Güls wurden drei Fälle anzeigt.

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Apotheker Sebastian Schmidt sieht zurzeit täglich mehr als Hundert Impfpässe, weil deren Besitzer ein digitales Impfzertifikat ausgestellt bekommen möchten. Manche Impfhefte sehen gefälscht aus. Dann heißt es, die Angaben zu überprüfen.
Reinhard Kallenbach

Die meisten gefälschten Dokumente werden laut Landeskriminalamt entdeckt, wenn sie in Apotheken vorgelegt werden. Diese sind wichtige Anlaufstellen, wenn von einem Papierdokument oder -heft ein digitales Impfzertifikat erstellt werden soll. Das ist mittlerweile Voraussetzung, um essen zu gehen oder an Veranstaltungen teilzunehmen.

Sebastian Schmidt von der Markenbildchen-Apotheke in der Koblenzer Vorstadt sieht täglich unzählige Impfpässe, „mehr als Hundert am Tag“. Ständig klingelt das Telefon, und es bildet sich eine Schlange, weil so viele Menschen einen digitalen Nachweis benötigen. Die neuen Beschränkungsbeschlüsse und die Booster-Impfungen haben das verstärkt. Denn wer seine dritte Impfung nachweisen kann, darf ohne Test rein.

Im Telefonat mit unserer Zeitung berichtet der angestellte Apotheker, dass er einiges beachtet, um Fälschungen zu erkennen. „Aber es rutschen mit Sicherheit auch falsche Impfhefte durch“, sagt Sebastian Schmidt. Vor allem wenn die erschlichenen Dokumente plump gemacht sind, wird er aufmerksam. „Die kommen dann mit einem Blankoausweis, in dem nur angebliche Covid-Impfungen dokumentiert sind“, sagt Schmidt.

Hildegard Paasch, Inhaberin der Servatius-Apotheke in Güls
Katrin Steinert

Allein in Koblenz hat die Polizei bislang etwas mehr als 47 Fälle registriert, teilt das Landeskriminalamt auf Anfrage unserer Zeitung mit. Drei dieser Fälle geschahen in der Gülser Servatius-Apotheke. Das stellt sich bei einem Telefonat mit Inhaberin Hildegard Paasch heraus. Sie berichtet: „Das ist schon ein komisches Gefühl, weil man jemanden anzeigt.“ Aber die Apothekerin betont, dass es wichtig ist, die Polizei zu rufen.

Das Landeskriminalamt teilt mit, dass es insgesamt bis Ende September landesweit nur einzelne Fälle gab, und sich dann das Blatt gedreht hat. „Für die Monate Oktober und November konnte ein erhöhtes Fallaufkommen verzeichnet werden“, teilt Pressesprecher Pascal Widder mit.

Den ersten Fall hatten die Gülser Anfang November. Hildegard Paasch hat ihre Apotheke seit mehr als 40 Jahren und ist aufgebracht, wenn sie daran denkt, welche Folgen so ein Betrug hat. „Es ist eine unglaubliche Unverschämtheit. Das ist nicht nur eine Fälschung, sondern eine Körperverletzung.“ Denn wer nicht geimpft und vielleicht sogar infiziert ist und sich mit gefälschtem Ausweis unter das Volk mischt, kann andere mit Corona anstecken. „Das kann für denjenigen lebensgefährlich sein“, sagt sie. Das reicht von einer schweren Erkrankung bis hin zum Tod.

Hildegard Paasch berichtet aus ihrer Erfahrung mit den Betrügern: „Die kommen mit mehreren Heften an. Die sehen alle gleich aus, haben die gleichen Chargenaufkleber und die gleichen Unterschriften.“ Dann wird sie skeptisch. Aber sie kann das auch überprüfen. „Wenn der Verdacht einer Fälschung besteht, hören wir über die Abfrage der Chargennummer nach.“ Der Weg deutscher Impfstoffe ist genau dokumentiert. Wenn klar ist, dass es diese Charge nicht gibt, wird die Polizei informiert. So fliegen die Betrüger auf.

Die werden beim Anfangsverdacht hingehalten, sie sollen später wiederkommen, heißt es dann. In der Zwischenzeit wird die Chargennummer kontrolliert und notfalls die Polizei informiert. Einmal sah ein Impfpass gefälscht aus. Bei dem Hinweis darauf riss der Besitzer den Apothekern den Pass aus der Hand und lief weg. Paasch sagt: „Meist versuchen es die Leute an verschiedenen Stellen.“ Sie merke auf, wenn jemand Auswärtiges ausgerechnet bei ihr den digitalen Nachweis erstellen lassen will. Sebastian Schmidt von der Markenbildchen-Apotheke sagt, dass man bei Verdacht auch versucht, den Arzt zu erreichen, der angeblich die Impfungen gemacht hat. Und wenn sich ein Verdacht nicht aufklären lässt? „Im Zweifelsfall stellen wir kein Impfzertifikat aus“, sagt der angestellte Apotheker.

Von unserer Redakteurin Katrin Steinert

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