Ein wenig muss sich Landtagspräsident Hendrik Hering wohl vorgekommen sein wie ein Popstar. Oder vielleicht wie ein Profikicker der Fußballbundesliga: Dass sich eine ganze Gruppe beim Besuchstag im Mainzer Landtag gleich ein Autogramm des Sozialdemokraten je auf den Arm oder die Hand schreiben lassen will, erlebt Hering gewiss nicht jeden Tag. Und so lächelt er und zückt fleißig den Kugelschreiber – und schreibt. Für Ahmet zum Beispiel, für Marius, für Emma, für Lou, für Cihan und auch für alle anderen Kinder der Klasse 3b und 4c der Bendorfer Bodelschwingh-Grundschule. Für die Kinder ist dieser Moment am Ende ihres Besuchstages gewiss ein Höhepunkt.
Den Präsidenten des Parlamentes so hautnah zu erleben, „das ist ja voll cool, der ist schließlich richtig berühmt“, flüstert Vahid seinem Kumpel Johannes zu. Für die meisten der Grundschüler ist Hering zwar ein ganz neues und fremdes Gesicht. Aber auch eines, welches Demokratie und Politik greifbar macht und den Kindern das Gefühl gibt, ernst genommen zu werden. Das, so sagt Hering, sei auch Ziel und Zweck der Besuchstage, die die Landtagsverwaltung Schulen anbietet. „Demokratie muss bei ganz jungen Menschen anfangen. Demokratie ist eine Lebensform, hier können die Kinder miterleben, was das bedeutet“, betont der Landtagspräsident.
Demokratie erlebbar machen. Den Ort kennen lernen, von dem aus unser Bundesland regiert wird. Reinschnuppern in die Arbeit des Landtags. Auf den Stühlen der Abgeordneten sitzen, eine Debatte führen, abstimmen und das Votum der Mehrheit akzeptieren: All das ist Teil des Grundschulprogramms, welches die Landtagsverwaltung seit einigen Jahren initiiert und an dem die Bendorfer Kinder mit ihren Lehrern Thomas Benders und Annette Unverzagt kürzlich teilgenommen haben.
Soll es Hausaufgaben geben – oder besser nicht? Darüber sollen die Bendorfer Grundschüler heute debattieren und dann ein Votum dafür oder dagegen stellen. Die Kindergruppe wird dazu in zwei Fraktionen aufgeteilt. Marie schlüpft mit Mikro und Glocke in die Rolle der Landtagspräsidentin. Sie darf nicht nur die Diskussion leiten, sondern auch zur Ordnung aufrufen, sollte es einmal drunter und drüber gehen.
Doch für die Glocke gibt es kaum Einsätze. Dass die Bodelschwingh-Grundschüler in ihrer Schule ein Schulparlament haben, Klassensprecher wählen und regelmäßig auch einen Klassenrat abhalten, zeigt sich in der Debatte ganz deutlich. So erklärt Finn gleich zu Anfang der Diskussion: „Denkt dran, geht respektvoll miteinander um.“ Dann werden die Argumente ausgetauscht. Leonard ist für Hausaufgaben. „Das hilft Kindern, besser in der Schule zu werden“, ist er überzeugt. Diana stimmt zu. Und auch Lou hat nichts gegen Hausaufgaben. „Die machen mir meistens sogar Spaß und sind kreativ“, sagt die Drittklässlerin.
Doch es gibt auch Stimmen gegen Hausaufgaben. Ahmet will den Nachmittag lieber frei haben. Dem stimmt auch Thea zu: „Hausaufgaben führen nur zu zusätzlichem Stress“, wirft sie ein. Und Jana gibt zu Bedenken, dass sie einfach oft nach dem langen Schultag auch zu müde ist für Hausaufgaben und kritisiert, dass jeder Lehrer nur nach seinem Fach schaut. „Und dann gibt es von verschiedenen Lehrern viel zu viele Hausaufgaben“, schiebt sie hinterher. Emma meint: Hausaufgaben sind ungerecht. Denn ob die gut oder schlecht gemacht sind, hänge einfach auch davon ab, ob Eltern Zeit für ihre Kinder hätten oder nicht.
Dann kommt es zur Abstimmung. Nur sieben der 38 Kinder sind für Hausaufgaben. Das wäre also geklärt.
Dass abgestimmt werden darf, ist, so haben die Grundschüler zuvor gelernt, alles andere als selbstverständlich. „Früher gab es Könige. Und die haben einfach festgelegt, was gemacht werden muss“, geht Moritz, der junge Politikwissenschaftsstudent, viele Jahre in der Zeit zurück, als er die Schulgruppe am Morgen begrüßt. Wie die Kinder das finden? „Dooooof“, hallt es aus der Menge. Jeder soll sagen dürfen, was er mag. Matilda fasst es für ihre Mitschüler zusammen: „Jeder soll sagen dürfen, was er mag. Und wer die meisten Stimmen bekommt, der ist gewählt. Und das ist gut so.“