Zu Corona gebe es sehr viele ernst zu nehmende Anfragen aus ihrem Wahlkreis Koblenz/Lahnstein, die die beiden Gülser möglichst konkret und ausführlich beantworten. Es gebe aber auch orchestrierte Kampagnen, Ketten- und Drohmails, die erkennbar gesteuert an eine Vielzahl von Abgeordneten gehen würden.
Vor allem immer dann, wenn im Bundestag schwerwiegende und heiß diskutierte Entscheidungen anstanden: Wie Mitte November 2020, als das Parlament das Infektionsschutzgesetz beschloss. Oder Mitte April, als die bundesweite Corona-Notbremse samt Ausgangssperre verabschiedet wurde. Oster sagt: „Damals im November habe ich in drei Tagen mehr als 1000 Mails bekommen.“ Auch er war Ziel einer Kampagne geworden, die das technische System des Bundestags an seine Grenzen brachte.
Aber: Einfach so löschen konnte er die Mails nicht, sagt Oster: „Wir haben alle durchgeschaut, um zu sehen, ob darunter ernsthafte Anfragen sind, vor allem mit Bezug zu meinem Wahlkreis.“ Der 55-Jährige, der sich im September für eine zweite Amtszeit im Bundestag bewirbt, hat den Anspruch, alle Anfragen aus dem Wahlkreis konkret zu beantworten: „Das ist eine große Herausforderung, die man aber an mich als Abgeordneten stellen kann, da wir Kümmerer sind. Bei konkreten Anfragen aus dem Wahlkreis stelle ich fest, dass der Ton immer noch angemessen ist.“ Natürlich ist es fast nie mit einer einfachen Ja- oder Nein-Antwort getan. Fast immer ist eine längere Recherche nötig, für die Oster seinen Mitarbeiterstab einspannt.
In der Hälfte der Anfragen geht es um Corona-Themen
In der Hälfte der Anfragen, die sein Büro erhält, geht es um Corona, sagt der CDU-Politiker. In der Anfangszeit im Frühjahr 2020 habe er viel Post zu Hilfsprogrammen erhalten von Gastronomen, Touristikern und Kulturschaffenden. Oster sagt: „Wir hatten zu der Zeit eine wichtige Rolle inne, indem wir Anliegen aus dem Wahlkreis in Berlin vorgebracht haben.“ Dadurch hätten die staatlichen Förderprogramme passgenau zugeschnitten werden können: „Dass diese Anfragen schon länger abgenommen haben, ist ein gutes Zeichen. Das zeigt mir, dass die Hilfen ankommen.“
Sein Wahlkreiskollege Pilger berichtet von ähnlichen Erfahrungen: „Die Zahl der Mails und Anrufe hat durch Corona extrem zugenommen. Darunter sind auch Beschimpfungen und Beleidigungen von Personen mit ganz klar zurückverfolgbaren Adressen. Dieser Ton ist der Situation und der Person nicht angepasst.“ Wer so formuliere, habe jeden Anstand verloren.Aber auch der 66-jährige SPD-Mann, der im Herbst nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidiert, erhält viele ernsthafte Anfragen, vor allem aus dem Wahlkreis. Verstärkt aus dem Schulbereich, wie Pilger sagt: „Die Leute wissen um meinen Hintergrund als Lehrer.“ Da gehe es um Anfragen zu Lüftungsgeräten, zum Impfen in Schulen oder um die unterschiedliche Bewertung und Benotung von Schülern im Vergleich zu anderen.
Für ihn steht fest: „Wir müssen ganz stark aufpassen, dass Kinder und Jugendliche nicht zu den ganz großen Verlierern der Pandemie werden. Sie haben schon ein Lebensjahr verloren, da kann einiges im psychosozialen Bereich nicht mehr aufgeholt werden.“
Ernsthafte Anfragen, vor allem aus seinem Wahlkreis, nimmt natürlich auch Pilger sehr ernst und beantwortet sie mit seinen Mitarbeitern; hin und wieder holt er dazu Informationen bei der Stadt Koblenz oder Verwaltungen im Rhein-Lahn-Kreis ein. Der Anteil dieser seriösen Anfragen liege bei 80 Prozent.
An einer Ampel und einer Imbissbude von der Seite angepöbelt
Beschimpfungen und Beleidigungen in Mails, Briefen und am Telefon muss man „ein Stück weit ertragen“, meint Pilger. Auch von Leuten, die man gut kennt und eigentlich als recht normal und kompetent einschätzt, die aber seit Beginn der Corona-Pandemie mit Verschwörungstheorien um sich schmeißen. Pilger sagt: „Mich trifft es eher, wenn mich jemand auf der Straße anpöbelt.“
In Koblenz, wo er relativ bekannt ist, ist ihm das in diesem Frühjahr zweimal passiert. Einmal stand er mit seiner Frau an einer Ampel in der Pfuhlgasse, als er von der Seite von einem Mann mittleren Alters dumm angemacht wurde, den er nicht kannte. Pilger erinnert sich: „Er sagte, was ich denn für einen Sch... in Berlin machen würde, das mit Corona, das würde zu mir passen.“ Und weiter: „Die älteren Leute wären sowieso gestorben. Und ich sei ja sowieso ein A... . Meine Frau war total erschrocken.“
Beim zweiten Mal stand er vor einer Imbissbude in der Görgenstraße und aß eine Bratwurst. Wieder war es ein ihm unbekannter Mann, der ihn beleidigte: „Was ihr in Berlin macht, ist unter aller Sau. Ihr macht die Wirtschaft total kaputt.“ Mit etwas Abstand sagt Pilger dazu: „Ich musste mich damals sehr zusammenreißen und mir sagen, dass ich auch Bundestagsabgeordneter bin. Wer mich kennt, weiß, dass ich sonst anders reagieren würde.“ Solche Beleidigungen auf offener Straße habe er in Berlin noch nicht erlebt, es sei denn, unmittelbar vor dem Parlament.
In Koblenz oder sonstwo in seinem Wahlkreis ist Josef Oster „zum Glück noch nicht persönlich beleidigt oder bedroht worden“. In seiner Zeit als MdB erhielt er bislang eine Bedrohung an Leib und Leben, die er angezeigt hat. Das war in der Vor-Corona-Zeit, in Zusammenhang mit der Migrationsdebatte. Als Innenpolitiker bezieht er regelmäßig Stellung zum Thema Grenzschutz. Oster sagt: „Die E-Mail, die ich bekommen habe, bezog sich auf konkrete Inhalte auf meiner Homepage und war so verfasst, dass sie nicht nachverfolgbar war.“
Für ihn steht fest, dass man sich in dieser aufgeheizten Gemengelage samt persönlicher Beleidigungen, die man ertragen muss, „auf gar keinen Fall zurückziehen darf. Es ist ein Zeichen dafür, dass der Gesprächsbedarf in der Gesellschaft sehr hoch ist.“ Sein Rezept: „So oft es geht informieren, erklären und argumentieren.“