Anna Drutin will bei Kriegsausbruch Ukrainerinnen helfen und eröffnet in Koblenz Studio - Sie erlebt Höhen und Tiefen
Beautysalon mit Flüchtlingen entpuppt sich als Abenteuer: Anna Drutin erlebt in Koblenz Höhen und Tiefen
Das Little Rose in der Pfuhlgasse ist mehr als ein Beautysalon. Ukrainerinnen, die wie Karina und Victoria geflüchtet sind, finden dort nicht nur Arbeit, sondern werden auch bei Alltagsdingen wie Korrespondenzen mit Behörden von ihrer Chefin Anna Drutin unterstützt.
Katrin Steinert

Als wir Anna Drutin zum ersten Mal trafen, hatte die 31-jährige Wirtschaftspsychologin den mutigen Plan, in Koblenz einen Schönheitssalon mit zehn geflüchteten Ukrainerinnen zu eröffnen. Jetzt neigt sich das Jahr dem Ende zu und wir wollten wissen, wie sich dieses Projekt entwickelt hat.

Das Little Rose in der Pfuhlgasse ist mehr als ein Beautysalon. Ukrainerinnen, die wie Karina (links) und Victoria geflüchtet sind, finden dort nicht nur Arbeit, sondern werden auch bei Alltagsdingen wie Korrespondenzen mit Behörden von ihrer Chefin Anna Drutin (rechts) unterstützt.
Katrin Steinert

Als gebürtige Ukrainerin wollte Anna Drutin ihren Landsfrauen helfen, eine Perspektive für die Flucht aus dem Kriegsgebiet zu haben. Denn viele hatten damals Angst, allein das Land zu verlassen, ohne zu wissen, wohin sie reisen sollten. Nachrichten machten die Runde, dass es nicht jeder gut mit ihnen meint, der sie an der Grenze einsammelt.

Anna Drutin hat ihr Vorhaben tatsächlich umgesetzt: Innerhalb von drei Wochen hatte sie ein zentral gelegenes Ladengeschäft und etliche zertifizierte Fachkräfte online gefunden. Das „Little Rose“ wurde im April in der Pfuhlgasse eröffnet.

Doch die vergangenen acht Monate waren nicht immer leicht für die Inhaberin. „Ich habe vielen Frauen geholfen hierherzukommen, habe ihnen mithilfe anderer Wohnungen und Kleidung besorgt, ihnen Arbeit gegeben“, sagt Anna Drutin beim Treffen in ihrem Laden. Man merkt ihr an, dass sie nach der Euphorie ernüchtert ist. „Von den Frauen, die hier angefangen haben, arbeitet nur noch eine einzige bei mir.“ Alle anderen hat sie rauswerfen müssen – oder sie sind gegangen und haben sich selbstständig gemacht. „Ich wurde bestohlen und hintergangen“, sagt die Lahnsteinerin. Was genau vorgefallen war, ist für unsere Zeitung leider nicht überprüfbar.

Das Little Rose in der Pfuhlgasse ist mehr als ein Beautysalon. Ukrainerinnen, die wie Karina und Victoria geflüchtet sind, finden dort nicht nur Arbeit, sondern werden auch bei Alltagsdingen wie Korrespondenzen mit Behörden von ihrer Chefin Anna Drutin unterstützt.
Katrin Steinert

Dennoch: Die 31-Jährige, die nach Zwischenstationen in Berlin und Taunusstein wieder mit ihrer kleinen Tochter in Lahnstein lebt, wo sie aufgewachsen ist, hat sich nicht unterkriegen lassen. Sie hat immer wieder neues gelerntes Personal gefunden, das das Team ergänzt. Aktuell arbeiten sieben Frauen im Little Rose. Dazu gehört auch die 18-jährige Victoria aus Kiew, die mit Bruder und Mutter in Lay lebt und per Digitalunterricht Architektur studiert. Sie hatte bis Kriegsausbruch zwei Jahre nebenberuflich als Nageldesignerin gejobbt. Gelernt hat sie das Handwerk in einem sechswöchigen Kurs in der Heimat, verrät Victoria lächelnd.

Arbeiten neben dem Studium

Wie sie ins Little Rose kam? „Ich war hier, weil ich draußen eine ukrainische Flagge sah und mir die Nägel machen lassen wollte“, erzählt sie auf Englisch. Dann habe sie Anna gefragt, ob sie bei ihr arbeiten kann. Seit diesem Tag im Juni ist sie täglich im Salon. Wenn Kundschaft kommt, arbeitet sie. Ansonsten erledigt sie Aufgaben für ihr Studium. „Eine Win-win-Situation“, sagt Victoria. Sie ist froh über ihren Minijob und die Vereinbarkeit mit ihrem (gezwungenermaßen) Fernstudium.

Auch die 36-jährige Karina ist glücklich, wieder als Kosmetikerin arbeiten zu können. „Das ist mein Leben“, sagt sie und lacht. In Charkiw hatte die gelernte Pharmazeutin eine Ausbildung zur Kosmetikerin draufgesattelt und seit zehn Jahren ein eigenes Kosmetikstudio betrieben.Bei Kriegsausbruch flüchtete sie mit ihrer heute dreijährigen Tochter und Mutter aus Charkiw.

Die 18-jährige Victoria studiert online Architektur und zeichnet Ideen, während sie als Minijobberin im Little Rose auf eine Kundin wartet.
Katrin Steinert

„Wir wussten nicht wohin, Hauptsache weg“, erzählt sie auf Englisch. Im März landeten sie bei Bekannten in Koblenz. Und weil die russischsprachige Gemeinschaft in Koblenz und Umgebung gut vernetzt ist, was auch Drutin bestätigt, fand Karina nach acht Wochen ein eigenes Appartment bei entfernten Bekannten ihrer ersten Gastgeberin. Seitdem leben die drei in Arenberg.

Gern würde die 36-Jährige in Vollzeit arbeiten. „Aber ich besuche viermal die Woche einen Deutschkurs“, schildert sie. Davor oder danach arbeitet sie immer mal wieder im Laden – und ihre Mutter passt währenddessen auf die Kleine auf. Einen Kitaplatz hat sie nicht gefunden. Selbst Einheimische warten teils Monate darauf. Wenn Karina ihren Deutschkurs beendet hat, wird ihre Mutter diesen besuchen – und die 36-Jährige ihre Tochter hüten.

Anna Drutin schüttelt den Kopf, als sie das hört. „Man kann niemandem erklären, warum das in Deutschland nicht funktioniert.“ In der Ukraine gebe es für jedes Kind einen Platz. „Die sind dort in vielem weiter“, betont die Lahnsteinerin. „Dort überweist du etwas online, und zack ist es im selben Augenblick auf dem Konto.“ Wer einen Arzttermin braucht, bekomme sofort einen. Auch der viele deutsche Papierkram sei unbegreiflich.

Viele Menschen sparen aktuell

Anna Drutin ist nicht nur Chefin, sondern auch Kümmerin. „Ich helfe gern. Ich bin einfach so.“ Auch an diesem Tag füllt sie mit Karina zwei Formulare für deren Mutter aus, erklärt ihr, was einzutragen ist. „In Deutschland geht man mit einem ausgefüllten Forumlar zum Jobcenter und bekommt direkt wieder etwas Neues mit.“ Die 31-Jährige lacht.

Obwohl die vergangenen Monate nicht einfach waren, betont Anna Drutin: „Ich würde es immer wieder genauso machen. Ich wollte helfen. Und das tue ich.“ Ändern könne man schlechte Erfahrungen nicht. Sie hofft nun, dass die finanzielle Unsicherheit, die viele Menschen seit September und den angekündigten Preiserhöhungen spüren, bald wieder nachlässt. Denn dann wären sicher auch wieder mehr Menschen bereit, ihr Geld in Massagen, Haut und Nägel zu investieren.

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