Von unserer Redakteurin Anke Mersmann
„Wir haben diesen Wunsch, gemeinsam künstlerisch an einem Stück zu arbeiten, schon lange gehegt und jetzt endlich ein Zeitfenster gefunden, in dem wir diese große Produktion zusätzlich realisieren können“, sagt Dietze. Er inszeniert „Oliver!“. Dieses Stück für die Kooperation mit dem Jugendtheater auszuwählen, bot sich an: Etliche Figuren, so schreiben es die Urheberrechtsvorgaben vor, müssen in dem Werk mit altersgerechten Darstellern besetzt werden, darunter auch zwei große Rollen – unter anderem die des Protagonisten Oliver.
Darstellerischer Qualität wird erwartet
„Daher muss es qualitätvoll sein, was die Kinder und Jugendlichen zeigen. Sie müssen sich spielerisch und auf jeden Fall musikalisch auf einer Augenhöhe mit den erwachsenen Profis bewegen“, erklärt Dietze. Eine Herausforderung für die jungen Darsteller, die das Theater über ein Casting ausgewählt hat. Einige von ihnen sind über das Jugendtheater bereits erfahren auf der Bühne. Andere aber haben für „Oliver!“ völliges Neuland betreten – was in einem gewissen Maß auch für Markus Dietze gilt. Zwar hat er bereits Produktionen mit Kindern inszeniert, aber bislang nicht in der Form, dass sie ein ganzes Stück tragen. „Das ist neu. Und es ist ungemein bereichernd, in dieser Art und Weise etwas auf die Bühne zu stellen“, sagt Dietze und erzählt davon, dass der ein oder andere Kollege vor Beginn der Probearbeiten sich nicht vorstellen konnte, wie das Ganze vonstatten gehen sollte. „Aber von dem Moment, als es losging, herrschte ein große Begeisterung im ganzen Haus. Das ist dem Charme der Kinder zu verdanken, ich habe großen Respekt vor ihnen. Die Energie, die alle Beteiligten in diese Produktion stecken, ist großartig.“
Einer, der intensiv mit dem jungen Darstellern gearbeitet hat, ist Leslie Suganandarajah. Der zweite Kapellmeister des Theaters hat die musikalische Leitung dieser Produktion inne und schwärmt davon, wie schnell er die jungen Darsteller musikalisch an die professionellen Darstellern annähern konnte. „Natürlich bleiben Unterschiede, aber wir haben einen gemeinsamen Nenner gefunden. Es ist erstaunlich, wie schnell junge Menschen lernen.“ Musikalisch stimmt Suganandarajah auf einen klassischen, facettenreichen und opulenten Musicalsound für großes Orchester ein.
Tragik der Geschichte soll nicht ins Hintertreff geraten
Das Geschehen auf der Bühne belässt Regisseur Dietze in seiner Spielzeit, also Mitte des 19. Jahrhunderts – wiederum eine Urheberrechtsvorgabe, gleichsam wie die, dass die Kostüme nach historischem Vorbild sein müssen. Viel Spiel für Interpretationen bleibt nicht, weshalb Dietze es als Hauptaufgabe seiner Regiearbeit bezeichnet, „die tragische Geschichte eines Waisenjungen, die uns quasi märchenhaft erscheint, so zu erzählen, dass sie den Zuschauer von heute berührt und nachdenklich stimmt. Um es klar zu sagen: Wenn wir heute eine solche Geschichte von Not und Elend imaginieren wollten, müssten wir uns in den Slums eines Schwellenlandes befinden“, macht Dietze deutlich.
Ihm sowie auch Christian Binz, verantwortlich für Bühne und Kostüm, ist daher daran gelegen, dem Musical seine „Zuckrigkeit“, wie beide sagen, zu nehmen. „Das Stück bringt einen gewissen Kitsch mit sich, den wir aber zumindest über die Kostüme nicht bedienen. Dort sind wir historisch realistisch“, sagt Binz. Er will Elend und Dreck jener Zeit zwischen Frühkapitalismus und Spätindustrialisierung sichtbar machen – auch im Bühnenbild. „Damals begann das Leben in Hast. Maschinen gaben den Rhythmus des Tages vor, es gab mit einem Mal überall Uhren“, erklärt Regisseur Dietze. Diesen Umbruch, diese Unruhe wollen er und Binz in der Ausstattung thematisieren, weshalb die Darsteller in einem maschinenartigen Aufbau spielen, der es zudem ermöglicht, viele unterschiedliche Spielorte zu öffnen. Die braucht es nämlich, um die Geschichte des Waisenjungen Oliver in einem Moloch namens London Mitte des 19. Jahrhunderts zu erzählen.
Die Zusatzvorstellung findet am Sonntag, 1. März, um 18 Uhr statt. Karten sind ab dem heutigen Freitag, 10 Uhr, an der Theaterkasse erhältlich, Telefon 0261/129 28 40.