Um neun Uhr soll auf dem Winninger Marktplatz die Fahrt zu den wichtigsten Stationen im Leben von August Horch beginnen, eine Gesamtstrecke von 1000 Kilometern liegt vor Mensch und Maschine. Doch schon vorher herrscht reges Treiben auf dem Parkplatz am Moselhotel. Hier wird noch ein Chromteil poliert, dort ein Koffer festgezurrt, die Strecke besprochen. Vorfreude allenthalben.
Starke Nostalgiegefühle entstehen, betrachtet man die aufgereihten Automobilschönheiten am Winninger Moselstrand. Vor rund 90 Jahren erbaut, strahlen sie heute wie am ersten Tag. „Drei Jahre Vollzeit”, schmunzelt Klaus Kramer, Vorsitzender des Horch-Clubs, über seine persönlich durchgeführte Restauration. Die Acht-Zylinder-Motoren mit durchschnittlich 80 PS würden theoretisch eine Geschwindigkeit von 120 Stundenkilometern schaffen, aber für ihn persönlich seien 80 bis 90 Stundenkilometer völlig ausreichend. „Ich fahre nach Gehör. Wenn sich der Motor gut und gesund anhört, dann fühle ich mich auch gut.”
Der Spaß an den gemeinsamen Ausfahrten und der Austausch mit Gleichgesinnten gehört für ihn ebenso zur Faszination Horch wie die eigentlichen Restaurationsarbeiten. Er bewundert die Genialität von August Horch: „Es gab zum Beispiel früher schon Ausstattungen, die heute wieder als ganz modern angepriesen werden, so die schwenkbaren Scheinwerfer oder die doppelte obenliegende Nockenwelle.”
Mittlerweile haben sich auf dem Winninger Marktplatz einige Oldtimerfans eingefunden. Bürgermeister Rüdiger Weyh berichtet von der seit Jahrzehnten bestehenden exzellenten Beziehung zum Horch-Club. „Wir halten den Namen hier in bester Erinnerung. August Horch ist seit 1949 Ehrenbürger von Winningen.” Es gibt eine eigene Ausstellung im Ortsmuseum. Eine Straße und eine Sporthalle tragen seinen Namen.
Von meinem Urgroßvater ist das Zitat überliefert: Ich war unter allen Umständen bestrebt, nur starke und gute Wagen zu bauen.
Tanja Wörmann, Urenkelin von August Horch
Dann rollt der erste Oldtimer an. Klaus Kramer beschreibt die Besonderheiten der einzelnen Starter. „Hier unser Clubmitglied mit dem Nummernschild PO 57H mit der eindeutig weitesten Anreise. Denn dieser Horch kommt aus Polen.”
Mit dabei über die gesamte Strecke ist die Urenkelin von August Horch, Tanja Wörmann. Sie verbindet die Freude an der Ausfahrt mit einer gerne gelebten Pflicht, der Pflege der Familiengeschichte. „Von meinem Urgroßvater ist das Zitat überliefert: Ich war unter allen Umständen bestrebt, nur starke und gute Wagen zu bauen.“ In der Erinnerung der Familie bleibe er ein Mann, der Höhen wie Tiefen erlebt habe und stets fest davon überzeugt war, „dass man alles erreichen kann, wenn man an sich glaubt“. In diesem Sinne ist vielleicht auch das Emblem auf der Motorhaube der Horch-Boliden zu interpretieren, die Weltkugel mit Flügeln: Dem Tüchtigen steht die ganze Welt offen.
Am Sonntag heißt das Etappenziel Köln. Hier gründete der gelernte Schmied und studierte Maschinenbauingenieur August Horch im Jahre 1899 seine erste eigene Firma. Ende 1900 stand der erste Horch-Kraftwagen bereit zum Verkauf. Bereits 1902 wurde der Firmensitz nach Reichenbach verlegt, einem weiteren Etappenziel, weitere zwei Jahre später nach Zwickau. Nach dem Ausscheiden aus dem von ihm selbst gegründeten Unternehmen gründete Horch 1910 die Audi Automobilwerke GmbH. 1932 wurde die Auto Union AG gegründet, in der sich die bislang selbstständigen sächsischen Automobilfabriken Audi, DKW, Horch und Wanderer vereinigten.
Übrigens stellen die heute noch bekannten vier Ringe im Audi-Emblem diese vier Firmen dar. Ingolstadt stellte schließlich nach dem Krieg den Standort für die Erfolgsgeschichte der Audi AG dar. August Horch erlebte diese letzten Entwicklungen nicht mehr mit. Er verstarb im Jahre 1951 in Münchberg und wurde wenige Tage später in Winningen beigesetzt. Der Besuch am Grab des unvergessenen Autokonstrukteurs bildete denn auch den Beginn der jetzigen Jubiläumsfahrt. Am Zielort Ingolstadt werden am 1. Juni die Fahrzeuge im Audi Forum präsentiert, bevor die Jubiläumsfahrt mit einer abendlichen Gala ihr Finale findet.