Eberhard Nikitsch zeigt,welche Informationenhistorische Inschriftenspeichern können
Auch Glocken können Geschichten erzählen: Das Geheimnis historischer Inschriften
Das Innere des alten Wehrturms in Kobern birgt eine Glocke des Peter von Echternach aus dem Jahr 1506.
Reinhard Kallenbach

„Der Landkreis Mayen-Koblenz ist zu groß für einen Band“. Mit diesen Worten weckte der Historiker Eberhard Niktisch Neugier bei seinem jüngsten Vortrag im Schloss von der Leyen Neugier auf das Kommende. Einen genauen Termin für die Fortsetzung seines großen Inschriftenbuchs nannte der Mitarbeiter der Mainzer Akademie für Wissenschaften und der Literatur jedoch nicht. Als Entschädigung für diese „Unsicherheit“ gab es dafür einen eigens auf die Untermosel zugeschnittenen Vortrag.

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Das Innere des alten Wehrturms in Kobern birgt eine Glocke des Peter von Echternach aus dem Jahr 1506.
Reinhard Kallenbach

Ein Blick zurück: Das von der Akademie herausgegebene Werk mit seinen 580 Seiten und den 230 Bildseiten war bereits am 29. Oktober im Spiegelsaal der Burg Namedy vorgestellt worden – und das bei einem unerwartet großen Publikumsinteresse. Allerdings nahmen seinerzeit nur zwei (!) Interessenten von der Untermosel teil. Dabei spielt das Gebiet der heutigen Verbandsgemeinde in dem Band eine wichtige Rolle. Grund genug für den Heimat- und Kulturvereins Gondorf sowie des Kuratoriums für Heimatforschung und -pflege, eine zweite Präsentation zu organisieren. Auch diese fand verdientermaßen großen Zuspruch.

Nur etwas für Spezialisten

Eberhard Nikitsch, der Historiker, Germanist und Archäologe ist und sich auf den Bereich der Inschriftenkunde (Epigraphik) spezialisiert hat, begann seine Reise durch die Region mit Funden aus dem europaweit bekannt gewordenen spätantik-frühmittelalterlichen Gräberfeld in Gondorf und den 60 erhaltenen Grabsteinen aus dieser Zeit, die sich heute im Rheinischen Landesmuseum Bonn, im Andernacher Stadtmuseum oder im Mayener Eifelmuseum befinden. Diese können nur von Spezialisten entziffert und eingeordnet werden. Wer es nicht glaubt, möge sich dem Bildteil des monumentalen Werks widmen, in dem vor allem Kleindenkmäler des 16. und 17. Jahrhunderts im Mittelpunkt stehen.

Der Wissenschaftler beschränkte sich weder in seinem Werk – das den alten Landkreis Koblenz und die Stadt Andernach behandelt –, noch in seinem Vortrag auf die in der Region allgegenwärtigen Grabsteine, sondern stellt zum Beispiel auch Schlusssteine von Gewölben, Glocken oder Wandmalereien vor. Und selbst so mancher Ortskundige wunderte sich darüber, was sich hinter unscheinbaren historischen Mauern befindet. Denn meist sind die Dinge nicht so offensichtlich wie in der spätmittelalterlichen Dreikönigskapelle auf dem Koberner Friedhof, die vor allem durch ihre wertvolle Ausmalung bekannt geworden ist. Für so manchen beginnt das Rätselraten schon wenige Schritte weiter in Richtung Ortsinneres.

Das Fragment einer Grabplatte für den Schöffen Nikolaus Innich.
Reinhard Kallenbach

Oberhalb des Mühlengrabens ist der um 1150 wohl als Wehrturm errichtete Glockenturm zu sehen, in dem sich immer noch eine Glocke aus dem frühen 16. Jahrhundert befindet. Sie ist eine von drei Glocken und gehört, so Nikitisch, zu den 30 im Bearbeitungsgebiet nachweisbaren spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Glocken, von denen nur noch 18 im Original erhalten sind. Für die Öffentlichkeit zugänglich sind sie nicht, da sie nur auf beschwerlichem, manchmal sogar gefährlichem Weg erreichbar sind. Eberhard Nikitsch hat sie trotzdem untersucht. Die der Jungfrau Maria gewidmete große Koberner Glocke mit einem stolzen Gewicht von 1350 Kilogramm wurde, so die Inschrift 1506 von Peter von Echternach geschaffen. Ihm werden insgesamt 60 Glocken aus der Zeit zwischen 1496 und 1536 zugeschrieben.

Nur ein Jahr jünger ist die Totenglocke in der Evangelischen Kirche in Winningen. Sie wurde 1507 von Meister Heinrich von Prüm gegossen. Sie wäre im Zweiten Weltkrieg fast eingeschmolzen worden, konnte aber 1947 aus einem alten Hamburger Glockenlager wieder an ihren alten Standort zurückgeführt. Und auch die im Wesentlichen im 17. und 18. Jahrhundert errichtet Kirche, deren Chorturm aber noch romanisch ist, eignet sich als Ausgangspunkt für die Spurensuche in der Winzergemeinde.

Drei Fragmente von Grabplatten

Schon im Außenbereich der Kirche findet man drei Fragmente von Grabplatten. Die am besten erhaltene Platte stammt aus dem Jahr 1600. Sie ist dem am 22. Dezember jenes Jahres verstorbenen Bürger und Schöffen Nikolaus Innich gewidmet. Er arbeitete als Tuchmacher in Mayen und wurde wohl deshalb im seit 1557 protestantischen Winningen bestattet, weil er evangelisch war. Nikolaus Innich war nicht irgendwer. In den Jahren 1560 und 1576 amtierte er sogar als Bürgermeister seiner katholischen Heimatstadt. Eine standesgemäße Bestattung war offenbar nur in Winningen möglich.

Man sieht, welche erstaunlichen Geschichten sich auch hinter den kleineren Denkmälern verbergen. Schon allein deshalb sei das Werk von Eberhard Nikitsch empfohlen. Man darf schon jetzt gespannt auf die Fortsetzung sein, die ebenfalls im Wiesbadener Dr. Ludwig Reichert Verlag erscheinen wird.

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