Einige Attacken in der ersten Sitzung nach der Sommerpause - Drohen weitere Turbulenzen?
Attacken und kurze Unterbrechung: Koblenzer Rat nimmt Arbeit mit Aufregern auf
Im Juli hat der Rat in dieser Zusammensetzung erstmals getagt. In der Sitzung Anfang September dann wurde einstimmig entschieden, wie die Ausschüsse und anderen Gremien besetzt sind. Doch dies hat die CDU nun wieder infrage gestellt.
Jan Lindner (Archiv). Jan Lindner

Der Koblenzer Stadtrat ist nach der Sommerpause zurück im Arbeits- und Streitmodus. Die jüngste Sitzung hatte einige Aufreger zu bieten: eine scharfe Attacke gegen AfD-Fraktionschef Joachim Paul, mehrfache Ausflüge in die Migrationspolitik von Bund und EU, kleine Keilereien mit dem Stadtvorstand, Rufe nach Ordnungsrufen an die Adresse von Oberbürgermeister David Langner (SPD), der klarmacht: „Ich bin nicht der Oberaufseher im Kindergarten.“

Vor Beginn der Sitzung am Freitag blickte man in sonnengebräunte, gut gelaunte und bisweilen hochmotivierte Gesichter. Freie-Wähler-Fraktionschef Stephan Wefelscheid sagte im Vorbeigehen „Endlich geht's wieder los“ und rieb sich die Hände. Und wie es dann losging. Oliver Antpöhler-Zwiernik, Fraktionschef von Die Linke-Partei, hatte eine persönliche Erklärung beantragt, in der er AfD-Mann Paul scharf attackierte – und dabei Stadtrat und Stadtvorstand Untätigkeit vorwarf.

Der Kern seiner Erklärung: Die AfD-Fraktion und vor allem Paul hätten in der vergangenen Ratsperiode eine Drohkulisse aufgebaut. Antpöhler-Zwiernik nannte dafür einige Zitate Pauls aus den vergangenen Jahren – etwa am 30. Juni 2022: „Herr Wilhelm (Kevin Wilhelm, Fraktion Die Linke-Partei, Anm. d. Red.), wenn für Sie Grenzen und das Eigentumsrecht so unverständlich sind, komme ich gerne ungefragt bei Ihnen zu Hause mit ein paar Freunden unangekündigt vorbei. Danach werden Sie Grenzen bestimmt zu schätzen wissen.“

Es ist Zeit, die Narrenfreiheit der Rechtsextremen in dieser Stadt, aber auch in diesem Raum zu beenden. Es ist an der Zeit, das Schweigen zu brechen.

Oliver Antpöhler-Zwiernik

Als deren Konsequenz hätten Antpöhler-Zwiernik und einige Kollegen wegen ihrer Ratsarbeit „Morddrohungen“ erhalten, zudem habe es Angriffe auf das Fraktionsbüro gegeben. Er sagte weiter: „Es gibt kaum eine Stadtratssitzung, in welcher nicht weitere Beispiele zu finden sind.“ Und an Stadtrat und Stadtvorstand gerichtet: „Das Schweigen aller anderen wird dadurch lauter.“ Während diese jene Kommentare nicht weiter beachtet hätten, hätten sie sehr wohl Pauls Kritik an Land, Bund und dem menschengemachten Klimawandel zurückgewiesen. Antpöhler-Zwiernik schloss mit den Worten: „Es ist Zeit, die Narrenfreiheit der Rechtsextremen in dieser Stadt, aber auch in diesem Raum zu beenden. Es ist an der Zeit, das Schweigen zu brechen.“

Eine direkte Antwort von Paul auf diese Vorwürfe ließ die Gemeindeordnung nicht zu. Er beantragte daraufhin eine Aussprache, die alle anderen Ratsmitglieder außer der AfD aber ablehnte. Paul dürfte in eine der nächsten Sitzungen ebenfalls eine persönliche Erklärung abgeben. Antpöhler-Zwiernik indes sorgte für die erste erzwungene Unterbrechung der Sitzung: An seinem Polo-Shirt trug er einen Button (ein zerschlagenes Hakenkreuz), an dem sich laut Langner einige Ratsmitglieder störten.

Kurze Unterbrechung mit Ordnungsruf

Aufmerksame Beobachter werden sich erinnern: Vor fast fünf Jahren hatte es eine rege Debatte um angeheftete Buttons beziehungsweise Sticker gegeben und dem Unwillen, sie abzunehmen. Daraufhin musste eine Ratssitzung nach wenigen Minuten abgebrochen werden; es war der vorläufige Höhepunkt eines Eklats mit Ansage. So weit kam es diesmal nicht. Nach fünf Minuten Unterbrechung, einigem Zureden und einem Ordnungsruf durch den OB nahm Antpöhler-Zwiernik den Button ab.

Auch AfD-Fraktionschef Paul trat im weiteren Verlauf der Sitzung noch mehrfach in Erscheinung und gab diverse Stellungnahmen ab. Fast immer und wenn sich nur der Ansatz einer Chance bot zu dem AfD-Thema überhaupt, der Migrationspolitik, die, wie man weiß, auf EU- und Bundesebene bestimmt wird und bei der die Stadt Koblenz fast immer nur Auftragnehmer und Aufgabenerfüller ist – und das gelegentlich wider Willen. Die Exkurse Pauls, teils minutenlang und fern jeglicher Handlungsfähigkeit der Stadt Koblenz, gipfelten schließlich in einer Attacke an die Grünen, die sich in ihrer älteren Vergangenheit mit Pädophilie-Vorwürfen und zu viel Nähe zu Linksterroristen beschäftigen mussten.

Mir gefällt auch nicht alles, manchmal käme ich mit den Ordnungsrufen nicht nach. Aber ich bin nicht der Oberaufseher im Kindergarten.

Oberbürgermeister David Langner

Eine klare Distanzierung zur Gruppierung Revolte Rheinland und zum österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner – für die sich beide Verfassungsschützer interessieren – lehnte Paul indes erneut ab. Diese Distanzierung hatte Ulrich Kleemann (Grüne) diesmal nach der Sitzung im Haupt- und Finanzausschuss erneut gefordert. Die diversen Wortmeldungen Pauls hatten indirekte Forderungen an Langner, einen Ordnungsruf auszusprechen, zur Folge, und auch direkte. Dazu sagte Langner an den Rat gerichtet: „Sie sind alle demokratisch und müssen manche Formulierung aushalten. Mir gefällt auch nicht alles, manchmal käme ich mit den Ordnungsrufen nicht nach. Aber ich bin nicht der Oberaufseher im Kindergarten.“

Dabei hatte die Verwaltung in mancher Hinsicht schon vorgesorgt: In dieser Ratsperiode sollen es Anträge, in denen die Koblenzer Stadtpolitik keine Silbe zum Inhalt hat, gar nicht auf die Tagesordnung schaffen. Die Sitzungsleitung Langners, die manche Ratsmitglieder in der Vergangenheit hin und wieder als zu passiv kritisierten, dürfte weiter ein Thema bleiben. Zwar wähnt er sich zurecht nicht im Kindergarten. Doch hin und wieder fühlt es sich genau so an.

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