Der perfekte Sonntag von Anton Hofreiter sieht so aus: „Dass ich in Italien bin. Dass ich nach der Wanderung in den Bergen mit Frau und Kind auf einer Piazza sitze und am Abend gutes italienisches Essen und wunderbaren Wein genieße.“ Das antwortete der profilierte Grünen-Bundestagsabgeordnete zu Beginn einer Wahlkampfveranstaltung der Koblenzer Grünen im proppenvollen Gülser Weingut Lunnebach. Die von Janina Luipers und Leni Walmroth moderierte Veranstaltung wurde als Podcast live ausgestrahlt. Hofreiter sagte, er habe in seinen 20 Jahren als Politiker noch nie so viel Resonanz im Wahlkampf wie diesmal erlebt.
Mit der Idylle war es rasch vorbei, und die Themen verlagerten sich – insbesondere „in die katastrophale Woche für unsere Demokratie“, wie sie der Grünen-Vorsitzende Christopher Bündgen bezeichnete, als die CDU im Bundestag zweimal mit der AfD gemeinsam abgestimmt hatte. Hofreiter bezeichnete dies als einen unglaublichen Tabubruch. Die Steigerung sei dann gewesen, als der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz die demokratischen Parteien der Mitte mit der Forderung erpresst habe: „Ihr könnt ja einfach zustimmen, dann braucht es die AfD-Stimmen nicht.“
„Merz hat keine Kontrolle über sich selbst.“
Grünen-Politiker Anton Hofreiter über den Unions-Kanzlerkandidaten
Hofreiter betonte, dass Politik in einem demokratischen Parlament nur dann funktionieren könne, wenn man sich auf ein gegebenes Wort verlassen könne. Merz habe noch im November zugesagt, sich mit den demokratischen Parteien der Mitte verständigen zu wollen, damit man die Stimmen „von denen da“ (gemeint war die AfD) nicht brauche. Hofreiter sagte: „Merz hat keine Kontrolle über sich selbst.“ Wer das nicht habe, dürfe in diesen schwierigen Zeiten keine Kontrolle über die Republik bekommen.
Ein Besucher verteidigte die Strategie von Kanzlerkandidat Merz: Bei der Migration müsse jetzt gehandelt werden. Hofreiter erklärte, man solle sich gut überlegen, wie man die Sicherheitslage erhöhe und einen vernünftigen Umgang mit Migration finde – auch unter dem Gesichtspunkt, dass 25 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund haben.

Auf eine Frage zum neuen amerikanischen Präsidenten Trump sagte Hofreiter als Vorsitzender des Ausschusses für europäische Angelegenheiten: „Wir müssen noch enger mit unseren europäischen Nachbarn zusammenarbeiten. Dabei sollten wir auch unsere wirtschaftliche Stärke ausspielen.“ Man solle Trump schmeicheln und ihm, wenn es um Zölle gehe, klar machen, wie die EU reagieren wird.
Beim Thema Energie erklärte Hofreiter, Kernkraft habe sich erledigt, weil die im Vergleich zu den regenerativen Energien viel zu teuer sei. Zur Frage Infrastruktur brachte der Politiker ein Beispiel aus der Sicherheitspolitik: „Wir haben 4000 militärisch relevante Brücken, die schwere militärische Lasten nicht tragen können. Das Baltikum und Polen werden von Russland massiv bedroht. Wenn wir schweres Material an die Ostflanke bringen müssen, dann muss die Brücke dies tragen können.“ Außerdem müsste man Rekordinvestitionen in Bahn, Straßen und das Glasfasernetz leisten. Laut Hofreiter sollte die Schuldenbremse für einige Jahre ausgesetzt werden. Das ginge rechtlich, sagte er, „weil wir uns in einer außergewöhnlichen Situation befinden“.
„Wir dürfen nicht den Fehler machen, unsere Freiheit selbst zu zerstören.“
Anton Hofreiter (Grüne)
Der promovierte Biologe Hofreiter zeigte sich aber auch außergewöhnlich zuversichtlich. Es gebe keinen Grund, die Zukunft schlimm zu sehen. Denn es gebe einen technischen Durchbruch nach dem andern. So sei in Mainz bei Biontech in kürzester Zeit ein hoch wirksamer Impfstoff gegen das neue Coronavirus entwickelt worden. Das sei eine sensationelle wissenschaftliche Leistung, die Hunderttausenden Menschen das Leben gerettet habe. Außerdem hätten die Bundesbürger zu günstigen Preisen Energie zur Verfügung, ohne die Atmosphäre zu verändern. Hofreiter resümierte: „Wir sind eines der am besten funktionierenden Länder dieses Planeten. Wir dürfen nur nicht den Fehler machen, unsere Freiheit selbst zu zerstören.“