Für viele Millionen Euro ließ Koblenz eine Anlage zur Schlammverwertung bauen: Warum steht sie nun still?
Anlage zur „Klärschlammvergasung“: Warum steht ein millionenschweres Koblenzer Vorzeigeprojekt vor dem Aus?
SynGas Klärschlammverwertungsanlage in Koblenz
Eigentlich noch ziemlich neu: die Klärschlammvergasungsanlage in Koblenz-Wallersheim. Foto: Sascha Ditscher
Sascha Ditscher

Erst vor wenigen Jahren wurde in Koblenz-Wallersheim eine nagelneue "Klärschlammvergasungsanlage" in Betrieb genommen. Hochmodern, viele Millionen Euro teuer und EU-gefördert sollte sie aus Schlamm Gas zur Stromerzeugung gewinnen. Nun steht das hochgelobte Projekt vor dem Aus. Seit vergangenem Jahr steht die Anlage still, offenbar gibt es wirtschaftliche und personelle Probleme. Die Stadt denkt sogar darüber nach, den Koblenzer Klärschlamm künftig nach Mainz zu schicken. Was ist da los?

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Es ist noch nicht lange her, da galt die „Klärschlammvergasungsanlage“ in Koblenz als Modell, das den Weg in eine ressourcenschonende Zukunft weist. Das moderne Verfahren sollte zur Stromerzeugung beitragen. Sprich: Aus Klärschlamm wird brennbares Gas, aus dem Gas kann in einem Kraftwerk dann Energie gewonnen werden. Man wollte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Das Klärwerk sollte energieautark, die Frage nach dem Verbleib des Schlamms elegant gelöst werden. An die 8 Millionen Euro kostete die Anlage, die auf dem Klärwerksareal in Wallersheim angesiedelt wurde. Ein Teil der Mittel stammt aus EU-Fördertöpfen, die im Rahmen der Klärwerks-Modernisierung in die Rhein-Mosel-Stadt kamen. Ab 2018 nahm die Anlage Stück für Stück den Betrieb auf.

Nun ist die Zukunft dieses energiepolitischen Vorzeigeprojekts offenbar ernsthaft in Gefahr, wenn es nicht sogar vor dem Aus steht. Auf Nachfrage unserer Zeitung bestätigt die Stadtverwaltung, dass die Anlage seit 2023 komplett stillsteht. „Das Ziel, die Klärschlammvergasungsanlage betreiben zu können, konnte leider nicht erreicht werden“, heißt es im „Lagebericht für das Wirtschaftsjahr 2023“ der Koblenzer Stadtentwässerung, der als Teil der Feststellung des Jahresabschlusses der Stadtentwässerung am Montag im Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Koblenz Thema wird.

Vermarktung eingestellt

Die weitere Vermarktung und Akquise der Anlage sei eingestellt worden. Zu erfahren ist außerdem, dass die Firma „Kopf Syngas“, Betreiber der Anlage, den entsprechenden Dienstleistungsvertrag aufgekündigt habe und, die Anlage mit eigenem Personal nicht weiterbetrieben werden könne.

Die Lage ist komplex. Einerseits ist die Menge der anfallenden „Trockenmasse“, also des Schlamms, der verarbeitet werden kann, immer weiter zurückgegangen. Lag diese Menge 2015 noch bei gut 3300 Tonnen, waren es nach Angaben der Stadt im vergangenen Jahr noch etwa 2400 Tonnen. Angelegt ist die Anlage auf 4000 Tonnen pro Jahr.

Indes: Wie erwähnt, werden mittlerweile nicht einmal mehr die anfallenden Schlammmengen verarbeitet. Es ist angedacht, so heißt es von der Stadt, den anfallenden Schlamm künftig „im Wege einer interkommunalen Kooperation“ nach Mainz zur Verbrennung zu schicken, „sollte die Vergasungsanlage wegen fehlendem Personal oder Unwirtschaftlichkeit nicht wieder in Betrieb genommen werden“. Neben dem Personalmangel, der schon in der Vergangenheit mit einer hohen Fluktuation einhergegangen zu sein scheint, gibt es offenbar diverse Schwierigkeiten im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und Technik beim Betrieb der teuren Anlage.


Möglich sind unter anderem ein Abbau der Anlage unter Veräußerung von Anlagenteilen als auch ein nur zeitweiliger Betrieb im Jahresverlauf

Stellungnahme der Stadt

Die Klärschlammvergasung galt in der Vergangenheit als überaus zukunftsträchtig, setzt sich aber offenbar nicht recht durch. In einer nicht öffentlichen Vorlage des städtischen Werkausschusses vom August, die unserer Zeitung vorliegt, heißt es unter anderem, die Betreiberfirma spreche von „schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ und der allgemeinen „Unsicherheit kommender gesetzlicher Anforderungen an die Industrie“.

Es werde demnach künftig wieder eher auf etablierte Anlagetechniken wie die Monoverbrennung des Klärschlamms gesetzt. Bei geringeren Schlammmengen ist zudem der Verschleiß größer, insgesamt leidet die Wirtschaftlichkeit der Anlage.

Was sagt das Dezernat?

„Die Klärschlammvergasungsanlage hatte das Ziel, CO2-Emissionen bei der Verwertung von Klärschlamm zu reduzieren und die Eigenstromproduktion zu erhöhen“, heißt es hierzu von Andreas Lukas (Grüne), dem noch neuen Baudezernenten der Stadt Koblenz, der ein Augenmerk auf das Thema gelegt hat. Aufgrund zunehmender Klärschlammverbrennung und gleichzeitig abnehmender Mengen an angefallenem Klärschlamm reiche der Klärschlamm derzeit jedoch nur aus, um die Anlage in Intervallen von drei Wochen zu betreiben, ergänzt er, „was einen überhöhten Verschleiß der Anlagenteile zur Folge hätte“.

Wie könnte es nun weitergehen mit der Klärschlammvergasungsanlage in Koblenz? Einige Vorschläge kursieren. Ein neuer Betreiber könnte gesucht werden, die Anlage für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt oder dauerhaft stillgelegt und verwertet werden.

„Möglich sind unter anderem ein Abbau der Anlage unter Veräußerung von Anlagenteilen wie auch ein nur zeitweiliger Betrieb im Jahresverlauf“, heißt es aus der Pressestelle der Stadt. Der Stadtrat jedenfalls wolle dazu in seiner Sitzung am 14. November beraten – diesmal öffentlich –, danach geht das Thema in weitere städtische Gremien. Und: Auch der Oberbürgermeister David Langner (SPD) hat „interne Prüfungen“ zur Klärschlammverwertungsanlage veranlasst, heißt es aus der Koblenzer Pressestelle weiter.

Von Peter Meuer

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