500 Menschen wurden deportiert
An die Geschichte der Koblenzer Juden erinnert
In der Görgenstraße erinnerte Guido Groß beim Rundgang, der vom Kobelnzer Beirat für Integration und Migration ausgerichtet, unter anderem an die jüdische Familie Bernd.
Peter Karges

Ein zweistündiger Rundgang durch die Koblenzer Innenstadt, organisiert vom Beirat für Migration und Integration, erinnerte an die einst in Koblenz lebenden Juden. Zwischen 1942 und 1943 wurden einst 500 Juden aus der Großstadt vertrieben.

Sechs Jahre dauerte der von Deutschland entfesselte Zweite Weltkrieg. Als er am 8. Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht endete, lag Deutschland, das einer Trümmerwüste glich, nicht nur materiell am Boden, sondern auch moralisch. Millionen Tote hatte dieser Krieg gekostet, und Millionen Menschen waren während der Herrschaft der Nazis ermordet worden, darunter rund sechs Millionen Juden aus Europa. Der Koblenzer Beirat für Migration und Integration veranstaltete nun einen etwa zweistündigen Rundgang, der an verschiedenen Orten in der Koblenzer Innenstadt an die Opfer und Täter des Hitlerregimes erinnerte.

Rund 500 Koblenzer Juden wurden deportiert

Rund 500 Koblenzer Juden wurden 1942 und 1943 in den Osten deportiert, wo sie fast alle ermordet wurden. Guido Groß, der ehemalige Leiter der katholischen Hochschulgemeinde in Koblenz, erinnerte bei dem Rundgang durch die Koblenzer Innen- und Altstadt an verschiedenen Punkten an ihre Geschichte. So unter anderem in der Görgenstraße unweit des Eingangs zum Engelsgässchen. Hier lebten die Brüder Sally und Alfred Bernd mit ihren Familien, die gemeinsam ein Schuhgeschäft in der Balduinstraße hatten. „Die Familie Bernd ist seit dem 15. Jahrhundert in Koblenz nachweisbar und das Schuhgeschäft hatte ihr Vater, Alfred Abraham Bernd, 1876 gegründet“, sagt Guido Groß. Am 22. März 1942 wurden Alfred Bernd zusammen mit seiner Ehefrau Else und den beiden 15-jährigen Zwillingen Johanna und Bernhard sowie Sally und seine Ehefrau Paula in den Osten deportiert, wo sie von den Nazis ermordet wurden.

Am früheren Gefängnis im ehemaligen Karmeliterkloster befindet sich ein Relief für den Pallottinerpater Josef Kentenich, der hier von den Nazis 1941 inhaftiert wurde.
Peter Karges

Guido Groß, der bei der Führung durch die Koblenzer Altstadt unter anderem von Clara Röllinghoff, Koordinatorin der Geschäftsstelle des Beirates für Integration und Migration, sowie von Dirk Schaefer, Vorsitzender des Beirats, unterstützt wurde, erinnerte daran, dass die Deportation am 22. März 1942 in aller Öffentlichkeit stattfand. Die 338 Juden, die aus Koblenz und der Umgebung stammten, hatte man zuvor gezwungen, sich am 21. März in der Steinschule im Rauental einzufinden. „Von dort wurden sie am 22. März, einem Sonntag, gegen 14 Uhr über die Balduinbrücke zum Lützeler Güterbahnhof getrieben, wo sie gezwungen wurden, in Güterwaggons oder Waggons 4. Klasse einzusteigen.“

Stolpersteine dienen der Erinnerung

Von der Familie Bernd, die in Koblenz das Schuhgeschäft besaß, überlebte Adi Bernd den Holocaust. Nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager kehrte er im Sommer 1945 nach Koblenz zurück. Fünf Jahre später emigrierte er jedoch in die USA, da er, wie Guido groß betonte, die Entnazifizierung im Nachkriegsdeutschland als eine Farce erlebte. An weitere Schicksale von Opfern des NS-Regimes erinnerte die Führung unter anderem unweit der Liebfrauenkirche sowie am Denkmal für die aus Koblenz deportierten und ermordeten Sinti und Roma am Moselufer. Vor dem Haus „An der Liebfrauenkirche 11“ befinden sich die Stolpersteine für die Familie Otto und Flora Daniel sowie ihre Tochter Johanna. Auch sie wurden am 22. März 1942 deportiert und ermordet.

Guido Groß erinnerte im Rahmen des Rundgangs auch an die Zerstörung der Synagoge im ehemaligen Bürresheimer Hof durch die Nazis am 10. November 1938.
Peter Karges

Im Rahmen des Rundgangs ging Guido Groß auch auf Orte in Koblenz ein, die besonders für den Terror sowie die Propaganda der Nazis standen. So erinnerte er an das Gefängnis im ehemaligen Karmeliterkloster (Ecke Rheinstraße/Karmeliterstraße) und an die Zentrale der Gestapo (Ecke Im Vogelsang/Regierungsstraße). Gefangene waren unter anderem der katholische Pallottinerpater Josef Kentenich sowie des evangelischen Pfarrers Paul Schneider aus Dickenschied im Hunsrück. Beide Geistliche wurden von den Nazis nach ihrer hiesigen Inhaftierung in Konzentrationslager verschleppt. Pater Kentenich, Gründer der Schönstatt-Bewegung, kehrte nach seiner Befreiung aus dem KZ Dachau nach Vallendar zurück. Paul Schneider wurde 1939 im KZ Buchenwald von den Nazis ermordet. Der zweistündige, sehr bewegende Rundgang endete am Reichensberger Platz am „Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz“, das 2001 vom Traben-Trabacher Bildhauer Jürgen Waxweiler errichtet wurde.

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