Koblenz vor 100 Jahren
Als sich die Stadt zur Jahrtausendfeier herausputzte 
Der ehemalige Reichskanzler Constantin Fehrenbach (links vorn) gratulierte den Schulkindern, die anlässlich der Jahrtausendfeier bei einem Empfang Rheinlieder für die Ehrengäste sangen.
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Vor 100 Jahren herrschte Feierstimmung wegen der 1000-jährigen Zugehörigkeit des Rheinlands zu Deutschland. So auch in Koblenz, wo dieses Ereignis im Juni mit vielen Ehrengästen in der neuen Rheinhalle gebührend begangen wurde. 

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Im Sommer 1925 herrschte im Rheinland nationale Feierstimmung. Großflächig gab es in den Städten Feiern zur „1000-jährigen Zugehörigkeit des Rheinlands zu Deutschland“. Die mit großem Brimborium begangenen „Jahrtausendfeiern“, die sich historisch auf die Unterwerfung des lothringischen Herzogs Giselbert I. (925) unter den ostfränkischen König Heinrich I. bezogen, waren dabei auch gleichfalls eine Demonstration gegenüber den alliierten Besatzungsmächten, vor allem gegenüber den Franzosen. In Koblenz hatte die Jahrtausendfeier ihren Höhepunkt am 20. Juni.

Jahrtausendfeier: Der 20. Juni fiel 1925 auf einen Samstag und war damit eigentlich ein gewöhnlicher Arbeitstag. Doch anlässlich der Jahrtausendfeier war in Koblenz an diesem Samstag vieles anders. Behörden und Schulen hatten geschlossen, und auch die privaten Arbeitgeber waren im Vorfeld aufgefordert worden, ihren Bediensteten an diesem Tag nach Möglichkeit freizugeben. Und die Stadt selbst hatte sich herausgeputzt. So hatte unter anderem der Bahnhof im Vorfeld einen neuen Anstrich erhalten, und die Behörden hatten angeordnet, dass der Unrat einen Tag früher als gewöhnlich weggeräumt werden müsse.

Die neue Rheinhalle, eigentlich errichtet für die Reichsausstellung Deutscher Wein (8. August bis zum 13. September 1925), diente bei der Jahrtausendfeier als Raum für das große Festmahl.
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„Wegen der Tausendjahrfeier wird der Müll bereits am Freitag und nicht am Samstag abgeholt, um das Hinausstellen der Mülleimer zu vermeiden“, schrieb der „Coblenzer Generalanzeiger“. Als die fast 1000 Ehrengäste, die an den beiden Tagen zuvor zum Großteil an den Jahrtausendfeiern in Düsseldorf und Köln teilgenommen hatten, gegen 10 Uhr mit Sonderzügen am Koblenzer Hauptbahnhof eintrafen, erwartete sie ein Fahnenmeer. Denn die Koblenzer waren von Oberbürgermeister Karl Russell aufgefordert worden, ihre Häuser zu beflaggen. Die Alliierten hatten eine Beflaggung in den Farben Schwarz-Rot-Gold (Deutschland), Grün-Weiß (Rheinland), Rot-Weiß (Koblenz) und Schwarz-Weiß (Preußen) erlaubt. „Die preußische Flagge darf jedoch nur in Verbindung mit der Deutschland-, der Rheinland- oder der Stadtflagge gezeigt werden“, bemerkte die „Coblenzer Volkszeitung“. Die Liste der Ehrengäste war allerdings nicht so prominent, wie man es hätte erwarten können. So hatte Reichskanzler Hans Luther, ein entfernter Verwandter des Reformators Martin Luther und seit Januar 1925 Chef der Reichsregierung, aus Termingründen abgesagt. Und auch der preußische Ministerpräsident Otto Braun musste wegen „unaufschiebbarer Verpflichtungen“ passen. Der Zentrums-Politiker Josef Frentzen, Minister für die besetzten Gebiete und Reichsjustizminister, war somit der höchste Vertreter der deutschen Regierung.

Bevor die Ehrengäste, darunter der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer, in Koblenz am 20. Juni empfangen wurden, fuhren sie vom Hauptbahnhof mit einem Konvoi aus „Privatautos und Postautomobilen“ zum Rittersturz. Dort gab es um 11 Uhr einen Empfang, bei dem rund 800 Sänger des Mittelrheinischen Sängerbundes zu hören waren. Mit Musik wurden die Ehrengäste, die zwei Stunden später in die Stadt zurückkehrten, auch direkt vor der neuen Rheinhalle, in unmittelbarer Nähe der heutigen Rhein-Mosel-Halle gelegen, begrüßt. 800 Koblenzer Kinder sangen vor der Festhalle „Das Lied vom Rhein“ von Hans Georg Nägeli (1773-1836) und „Ewig liebe Heimat“ von Emil Kraemer (1878-1958). Die Schulkinder durften sich für ihr musikalisches Ständchen über ein süßes Geschenk freuen. „Großer Jubel aber entstand unter den Kleinen, als sie nach vollbrachtem Werk als Belohnung je eine Tafel Schokolade in Empfang nehmen konnten“, schrieb die „Coblenzer Volkszeitung“. Die Rheinhalle war vor allem für die Reichsausstellung Deutscher Wein, die dort und im Weindorf vom 8. August bis zum 13. September 1925 stattfand, errichtet worden. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie weitgehend zerstört und dann auch nicht wieder aufgebaut.

Im Garten der Rheinhalle wurde bei der Jahrtausendfeier einige Reden gehalten.
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Nach dem musikalischen Empfang und einem Gedicht, das die Tochter von Oberbürgermeister Karl Russell vortrug, gab es zunächst ein Festmahl und dann eine „Vaterländische Kundgebung“, zu der 2600 Besucher in der Halle versammelt waren, darunter neben den Ehrengästen auch zahlreiche Koblenzer Bürger. Die Auswahl, wer in die Rheinhalle hineindurfte, trafen Vereine, Schulen, Behörden und andere Organisationen, schrieb die „Coblenzer Volkszeitung“. Die Veranstaltung in der Rheinhalle endete dann schließlich mit der Aufführung von Beethovens 9. Symphonie, gespielt vom städtischen Orchester. Anschließend verließen die Ehrengäste die Rheinhalle, um in den Rheinanlagen an Bord des Dampfers „Goethe“ zu gehen, der von Koblenz nach Godesberg fuhr. „Am Rhein war zum Abschied eine große Volksmenge versammelt“, berichtete die „Coblenzer Volkszeitung“. Und der „Generalanzeiger“ ergänzte: „Tausende und Abertausende umsäumen das Rheinufer. Auf der Schiffbrücke stehen die Menschen Kopf an Kopf, und bis zur höchsten erreichbaren Stelle am Deutschen Eck haben die Schaulustigen Aufstellung genommen.“

Und selbst vom Fluss aus werden die Ehrengäste umringt. „Schwimmer, Ruder- und Motorboote beleben das Wasser und umschwärmen den Dampfer“, so der „Coblenzer Generalanzeiger“. Und nachdem die „Goethe“ abgelegt hatte, wurde er vom Dampfer „Preußen“, auf dem Ehrengäste aus Koblenz Platz genommen hatten, noch bis Andernach begleitet. Einige Tage später schickte der zwei Monate zuvor zum Reichspräsidenten gewählte Paul von Hindenburg ein Telegramm, in dem er schrieb, dass er die Feier mit innerer Anteilnahme verfolgt und sich dabei der glücklichen Tage erinnert habe, die er in Koblenz verbracht hatte. Hindenburg war von 1896 bis 1900 Generalmajor des VIII. Armee-Korps. Bei der Wahl am 26. April 1925 votierten die Koblenzer allerdings mit 64 Prozent für den Kandidaten des katholischen Zentrums und der SPD, Wilhelm Marx, und nicht für den ehemaligen Feldmarschall.

Ob im Friseursalon von Hans Struth in der Kaiser-Friedrich-Straße 2a, heutige Südallee, auch ein Bubikopf geschnitten wurde? Mitte der 1920er-Jahre war dieser Kurzhaarschnitt bei Frauen sehr in Mode.
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Bubikopf: Dass Männer langes Haar tragen, war in den 1920er-Jahren noch undenkbar. Aber auch umgekehrt gab es Kritik, wenn Frauen ihr Haar kurz hielten. Der Bubikopf war zwar bereits wenige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg in Paris in Mode gekommen, doch bevor er in Koblenz Einzug hielt, dauerte es noch eine Weile. 1925 war es allerdings auch am Zusammenfluss von Rhein und Mosel so weit. „In der letzten Zeit mehren sich die Fälle, in denen sich die Langhaarigen ihrer Haare kurzweg entledigen“, schrieb der „Coblenzer Generalanzeiger“ unter der Überschrift „Schneid mir einen Bubikopf“. Und es waren nicht nur junge Frauen, die beim Friseur um einen kurzen Haarschnitt nachsuchten, sondern „auch Damen, die zwei, drei Dutzend Mal des Lebenslenzes Wonne gekostet haben, ,verjüngen‘ sich und mit einem Bubikopf bewaffnet ziehen sie dann stolz von dannen. Noch niemals ist solch ein Betrieb gewesen in den Damensalons, wie dies jetzt der Fall ist“, so der „Generalanzeiger“.

K inderspielplätze: Im Vergleich zu unseren Tagen war Koblenz 1925 eine extrem junge und vor allem kinderreiche Stadt. Spielplätze für die Kinder waren allerdings, wie die „Coblenzer Volkszeitung“ anmerkte, nicht besonders zahlreich. Und wegen des Baus der Rheinhalle und des Weindorfs fiel auch noch „ein besonders günstig gelegener weg“, schrieb die „Coblenzer Volkszeitung“. Darüber hinaus war es um den Zustand der übrigen Spielplätze nicht besonders gut bestellt, vor allem bezüglich geeigneter Sandgruben. „Tausende Mütter und Väter wären der Stadtverwaltung deshalb dankbar, wenn die Spielplätze auch mit genügendem Rheinsand versehen wären, denn in Ermangelung desselben kratzen die Kinder allen Dreck zusammen, was bestimmt nicht der Reinlichkeit und noch weniger der Gesundheit förderlich ist. Ein bis zwei Karrenladungen sauberer Rheinsand würden wohl für jeden Platz genügen“, meinte die „Coblenzer Volkszeitung“.

Telefon: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Telefon erfunden. 1925, gut 50 Jahre später, war ein eigener Telefonanschluss in Koblenz noch immer die absolute Ausnahme. Letztendlich war es vor allem eine Kostenfrage. So gab es nach den Angaben des Koblenzer Adressbuchs 1925 in der Castorstraße, in der auf engem Raum damals mehrere Tausend Menschen zusammenwohnten, gerade einmal 16 Telefonanschlüsse. In der Hohenzollernstraße hingegen waren es 80 und in der gut betuchten Bismarckstraße 18 Anschlüsse. Wie kostspielig längere Ferngespräche damals waren, verdeutlicht eine Notiz aus der „Coblenzer Volkszeitung“. Das Blatt schrieb: „Ein junges Mädchen führte mit ihrer in Aachen wohnenden Mutter ein telefonisches Gespräch, das anscheinend anregend war, worüber unsere Kleine aber vergaß, die Zeit einzuhalten. Als das Gespräch zu Ende war, da wurde ihr eröffnet, dass sie die ,Kleinigkeit‘ von über 30 Mark zu zahlen habe! Das bestürzte Mädchen schwor darauf hoch und heilig, nie wieder in seinem Leben ein Telefongespräch zu führen.“ Zum Vergleich: Eine Ausgabe der „Coblenzer Volkszeitung“ kostete damals 10 Pfennige. Der Eintritt für den Richard-Wagner-Abend, mit dem die Rheinhalle offiziell am 23. Juni 1925 eröffnet wurde, betrug für einfache Plätze 1 Mark. Und eine Flasche Rheinwein kostete auf einem Ausflugsschiff 1,20 Mark.

Kastanienbäume: Um die Bäume in der Innenstadt sorgten sich die Koblenzer bereits vor 100 Jahren. So schrieb die „Coblenzer Volkszeitung: „Auf dem Münzplatz ist einer der alten Kastanienbäume bereits eingegangen, während ein oder zwei weitere anscheinend auch den Weg alles Irdischen zu beschreiten scheinen. Es kann wohl angenommen werden, dass die schönen alten Bäume deswegen allmählich alle eingehen, weil sie ungenügend Luft bekommen und der Boden, soweit er rings um die Stämme ungepflastert ist, niemals gelockert und begossen wird. Die Bürgerschaft bedauert allgemein das immer weitere Verschwinden der alten Kastanien auf dem Münzplatz.“

W etter: Ähnlich wie im April und Mai ist auch der Juni 1925 sehr warm. Lufttemperaturen findet man zwar nicht in den beiden damaligen Koblenzer Zeitungen, dem „Coblenzer Generalanzeiger“ und der „Coblenzer Volkszeitung“, aber es gibt Wassertemperaturen: Demnach war der Rhein 21 Grad und die Mosel 23 Grad warm. Außerdem schrieb der „Coblenzer Generalanzeiger“ Mitte Juni: „Die Sonne brennt am Himmel, als stünden 500 Teufel hinter ihr und heizten. Die Strahlen machen den Asphalt unterdessen weich und in den Anlagen sind die Bänke glühend heiß.“ Gleichwohl fällt aber auch ergiebiger Regen, denn einige Tage später meldet die „Coblenzer Volkszeitung“: „Starke Regenfälle gingen mit kurzen Unterbrechungen den ganzen Tag nieder.“

Der Zentrumspolitiker Johannes Fuchs, Oberpräsident der preußischen Rheinprovinz, hielt anlässlich der Jahrtausendfeier auf dem Rittersturz eine Ansprache
Stadtarchiv Koblenz

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