Koblenz vor 100 Jahren
Als es für neue Glocken von Herz Jesu eine Lotterie gab
Die Herz-Jesu-Kirche erhielt 1924 neue Glocken. Um sie zu finanzieren, veranstaltete die Gemeinde im März 1925 eine Glockenlotterie.
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Kreativ: Für die Finanzierung der fünf neuen Glocken von Herz Jesu veranstaltete die Gemeinde im März 1925 eine Lotterie. Um die gleiche Zeit erhielt das beliebte Berghotel auf dem Rittersturz elektrisches Licht.

Nach dem plötzlichen Tod von Friedrich Ebert, der am 28. Februar 1925 an einer Blinddarmentzündung starb, waren die Deutschen dazu aufgerufen, einen neuen Reichspräsidenten zu wählen. In Koblenz verlief der Wahlkampf recht ruhig, keiner der Spitzenkandidaten machte hier im Vorfeld des Urnengangs Station. Die Koblenzer wiederum zeigten wenig Interesse an der Wahl. So gaben nur 59 Prozent der Schängel ihre Stimme ab, 10 Prozent weniger als der Durchschnitt in Deutschland.

Reichspräsidentenwahl: Die erforderliche Mehrheit von mindestens 50 Prozent konnte keiner der Kandidaten bei der Wahl zum Reichspräsidenten erzielen. So stand am Abend des 29. März 1925 fest, dass es in vier Wochen einen zweiten Wahlgang geben würde, bei dem dann die relative Mehrheit der Stimmen ausreichen würde. Deutschlandweit konnte beim ersten Wahlgang der Kandidat des sogenannten Reichsblocks (Deutschnationale Volkspartei und Deutsche Volkspartei), der Duisburger Oberbürgermeister Karl Jarres, mit 38,8 Prozent die meisten Stimmen verbuchen. Zweiter wurde der preußische SPD-Ministerpräsident Otto Braun mit 29 Prozent, Dritter der Kandidat des katholischen Zentrums Wilhelm Marx (14,5 Prozent) und Vierter der Kommunist Ernst Thälmann (7 Prozent). In Koblenz und im Rheinland waren die Ergebnisse deutlich anders. So erhielten in Koblenz der Zentrumspolitiker Wilhelm Marx 49 Prozent, der Kandidat der Rechtskonservativen, Karl Jarres, 24 Prozent, der Sozialdemokrat Otto Braun 18 Prozent und Ernst Thälmann 4 Prozent. Hochburgen von Marx im damaligen Koblenz waren Moselweiß (75 Prozent) und Neuendorf (57 Prozent). Karl Jarres vom Reichsblock schnitt besonders gut in der Südlichen Vorstadt ab, wo er in einem Wahlbezirk 44 Prozent holte. Hochburgen der SPD und der KPD waren die Altstadt. Im Wahlbezirk „Castorstraße/Moselwerft“ erhielten der Sozialdemokrat Braun 27 Prozent und der Kommunist Thälmann 15 Prozent.

Im Wahlkreis Coblenz-Trier, der aus den beiden Regierungsbezirken Koblenz und Trier gebildet wurde, konnte Wilhelm Marx sogar 60 Prozent der Stimmen für sich verbuchen. Zweitplatzierter war im Wahlkreis Karl Jarres (21 Prozent), danach folgten Otto Braun (12 Prozent) und Ernst Thälmann (3 Prozent). Hochburgen von Wilhelm Marx waren besonders Dörfer mit einem hohen Anteil von Katholiken. So erhielt er in Macken 97 Prozent, in Waldesch 94 Prozent, in Oberfell 92 Prozent und im damals noch selbstständigen Kesselheim 84 Prozent. Hochburgen von SPD und KPD waren Orte mit einem hohen Arbeiteranteil. So erreichte der Sozialdemokrat Otto Braun in Metternich, das erst 1937 in Koblenz eingemeindet wurde, 36 Prozent und der Kommunist Ernst Thälmann 9 Prozent. Und im Schatten der Bendorfer Eisenhütten stimmten in Mülhofen 21, in Sayn 20 und in Bendorf 15 Prozent der Wähler für Ernst Thälmann. Die hohe Zustimmung für den KPD-Kandidaten ging hier nicht zuletzt zulasten der Sozialdemokraten. Otto Braun kam in Bendorf und Sayn nur auf 20 Prozent, in Mülhofen sogar nur auf 12 Prozent.

Beim zweiten Wahlgang zur Reichspräsidentenwahl, vier Wochen später, am 29. April 1925, fanden die Koblenzer mit Paul von Hindenburg dann einen Kandidaten vor, der beim ersten Wahlgang gar nicht auf dem Wahlzettel gestanden hatte. Der ehemalige Generalfeldmarschall, der von 1896 bis 1900 in Koblenz als Chef des Generalstabes des VIII. Armee-Korps stationiert war, war vom Reichsblock anstelle von Karl Jarres aufgestellt worden. Gegen ihn kandidierte der unter anderem von der SPD unterstützte Zentrumspolitiker Wilhelm Marx. Außerdem hielten die Kommunisten, obwohl chancenlos, an ihrem Kandidaten Ernst Thälmann fest. Hindenburg siegte, wurde 1932 im Amt des Reichspräsidenten bestätigt und übte es bis zu seinem Tod am 2. August 1934 aus. 

Sieben junge Damen legten 1925 kurz vor Ostern am Hilda-Gymnasium ihr Abitur ab. Das Hilda-Gymnasium, hier in einer Ansicht aus dem Jahr 1935 mit seiner Fassade in der Kurfürstenstraße, war bis 1981 eine reine Mädchenschule.
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A bitur: Mit den Osterferien endete das Schuljahr. Dass ein Schüler mit dem Abitur seine Schullaufbahn beendete, war in den 1920er-Jahren noch die Ausnahme. Am Kaiserin-Augusta-Gymnasium, dem heutigen Görres-Gymnasium, erhielten 24 und am Kaiser-Wilhelm-Realgymnasium, das heutige Eichendorff-Gymnasium, 17 Oberprimaner, darunter eine junge Frau, das Abitur. Am Hilda-Gymnasium erhielten sieben junge Damen ihr Abitur. Bei der Abschiedsfeier der Abiturienten des Kaiser-Wilhelm-Realgymnasiums nahm auch der Beigeordnete der Stadt Koblenz, Ernst Biesten, teil. Der Direktor des Kaiser-Wilhelm-Realgymnasiums gab, wie die „Coblenzer Volkszeitung“ berichtete, den jungen Abiturienten mit auf den weiteren Lebensweg, dass sie charakterfest nicht der Masse folgen sollten, sondern ihrer ehrlichen und begründeten Überzeugung.

Reichsbanner: Um die Republik gegen ihre Feinde von rechts und links zu verteidigen, wurde im Februar 1924 in Magdeburg von der SPD, der linksliberalen DDP (Deutsche Demokratische Partei) sowie dem katholischen Zentrum das Reichsbanner „Schwarz-Rot-Gold“ ins Leben gerufen. Zumindest ein Jahr später gab es auch in Koblenz eine Ortsgruppe der Selbstschutzorganisation der Republik. So schrieb die „Coblenzer Volkszeitung“: „Die Coblenzer Ortsgruppe des Reichsbanners ,Schwarz-Rot-Gold‘ entwickelt sich in erfreulicher Weise. Immer zahlreicher erkennen die ,Republikaner‘ auch hier die Notwendigkeit einer Organisation zum Schutze der Republik. Am vorigen Freitag fand im Zentralrestaurant die ordentliche Monatsversammlung statt, und die Kameraden waren zahlreich erschienen.“ Seine Geschäftsstelle hatte das Reichsbanner in der Koblenzer Altstadt, in der Castorpfaffengasse 22/24, Vorsitzender der Selbstschutzorganisation, die vor allem von der SPD getragen wurde, war der Metternicher Sozialdemokrat Johann Dötsch. 1939 wurde Dötsch von den Nazis in das Konzentrationslager Sachsenhausen nahe Berlin verschleppt. Im Mai 1945 wurde er von den Russen befreit, er starb ein Jahr später in Koblenz an den Folgen der KZ-Haft.

Das Berghotel auf dem Rittersturz war eines der beliebtesten Ausflugslokale in Koblenz in den 1920er-Jahren. 1925 erhielt es elektrisches Licht, und die Fremdenzimmer bekamen eigene Bäder. Auf dem Bild von 1930 ist am unteren Bildrand noch die Tribüne des Stadions Oberwerth zu sehen.
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R ittersturz: Mit dem März kommt der Frühling und mit dem Frühling der Drang, ins Freie zu gehen. Eines der beliebtesten Ausflugsziele war für die Koblenzer in den 1920er-Jahren das Berghotel auf dem Rittersturz. Und 1925 erhielt es auch elektrisches Licht. „Der Rittersturz, der schönste und lohnendste Ausflugsort in der Umgebung, hat eine neue Anziehungskraft erhalten, nämlich neben verschiedenen sonstigen Einrichtungen auch elektrisches Licht vor und in dem Hause. Da auch der Abstieg mit versehen ist, können Gäste nun dort bis in die späten Abendstunden verweilen und sicher den Weg zur Landstraße hinunterfinden“, berichtete die „Coblenzer Volkszeitung“. Wer wollte, konnte sein müdes Haupt allerdings auch auf dem Rittersturz niederlegen. „Die Fremdenzimmer sind nach vollständiger Erneuerung wieder geöffnet, jetzt auch mit Bädern im Haus“, so die „Coblenzer Volkszeitung“.

Glocken: Im Oktober 1924 hatte die Herz-Jesu-Kirche neue Glocken erhalten, um die im Ersten Weltkrieg abgegebenen zu ersetzten. Für die Finanzierung der fünf Glocken veranstaltete im März 1925 die Gemeinde eine Glockenlotterie. Hauptgewinn der gestifteten Preise war ein Wohn- und Schlafzimmer im Wert von 1000 Mark, gefolgt von einer Kücheneinrichtung für 500 Mark. Außerdem gab es unter anderem Küchenherde, Nähmaschinen und Fahrräder zu gewinnen. Ein Los kostete 2,40 Mark. Ein stattlicher Preis, wenn man bedenkt, dass eine Zeitung damals 10 Pfennige kostete.

Am letzten Sonntag im März hatten die Glocken in der Herz-Jesu-Kirche einen ganz besonderen Grund, feierlich zu läuten. Der gerade in Trier geweihte Priester Jakob Böhm hielt dort nämlich seine Primizfeier, die erste Messe eines katholischen Priesters, die traditionell in der Heimatgemeinde stattfindet, ab. Und es war in der Altstadt nicht die einzige Primizfeier, denn am selben Sonntag zelebrierte Anton Eich seine erste Messe in Liebfrauen. „Ein schönes Zeugnis von echtem Gemeinschaftsgeist legten die Bewohner der Florinspfaffengasse ab, wo das elterliche Haus von Anton Eich steht. Die ganze Straße prangte von Fahnen- und Girlandenschmuck, und am Eingang der Straße war ein Triumphbogen mit zahlreichen elektrischen Lämpchen gespannt“, schrieb die „Coblenzer Volkszeitung“.

B ertolt Brecht: Sonntagmorgens um 11 Uhr präsentierte das Koblenzer Stadttheater im Rahmen einer Literaturmatinee aktuelle Theaterstücke. Ende März 1925 feierte zum ersten Mal in Koblenz ein Stück von Bertolt Brecht Premiere. Es wurde das Drama „Trommeln in der Nacht“ gezeigt. Für das Drama, das vor dem Hintergrund des Berliner Spartakusaufstandes von 1919 spielt, war der damals 24-jährige Bertolt Brecht 1922 mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet worden. Der Kritiker der „Coblenzer Volkszeitung“ fand unterdessen wenig Gefallen an Brechts Theaterstück. „Die Handlung ist dürftig und kommt auch zu keinem Ergebnis. Das Merkwürdige an diesem Drama, welches wie eine Folge von Explosionen erscheint, ist, dass im Grunde gar nichts geschieht, dass alles Scheinhandlung bleibt“, schrieb der Koblenzer Studienrat Johannes Maria Fischer.

Im offenen Personenbus kutschierte die Reichspost diese Fahrgäste von Koblenz 1925 zum Laacher See. Die "Coblenzer Kraftwagengesellschaft" kündigte im gleichen Jahr an, mit Bussen auf sechs Lininen Koblenz mit Orten in der Umgebung zu verbinden. Die Linien gingen unter anderem nach Mayen, Cochem, Bingerbrück und Bad Ems.
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Nahverkehr: Wer von Koblenz aus in die nähere Umgebung fahren wollte, der benutzte bis zum Ersten Weltkrieg entweder die Straßenbahn, den Zug oder er nahm sich eine Pferdedroschke. Mit der Weiterentwicklung der Kraftwagen kamen in den 1920er-Jahren dann die ersten Busse auf. Im März 1925 verkündete die Kraftwagengesellschaft Coblenz, dass sie sechs neue Verkehrslinien von Koblenz in die Umgebung anbiete. Verbindungen geplant waren von Koblenz nach Mayen, nach Cochem, nach Bingerbrück, nach Bad Ems, über die Rheindörfer nach Weißenthurm sowie eine Linie nach Braubach. Fahrgäste durften sich allerdings auf manch holprige Fahrt einstellen, denn das Straßennetz war auch auf den Hauptstrecken alles andere als optimal. So wurde im Frühjahr 1925 erst eine neue Pflasterung der Mainzer Landstraße von der Königsbach bis nach Boppard, der heutigen B9, in Angriff genommen. „Bei dem ständig zunehmenden Kraftwagenverkehr bleibt auf die Dauer gar kein anderes Mittel mehr übrig, als sämtliche Hauptverkehrsstraßen mit Kleinpflastermaterial zu versehen oder zu asphaltieren“, urteilte die „Coblenzer Volkszeitung“. Trotz des wachsenden Kraftwagenverkehrs wurden auch noch in den 1920er-Jahren neue Bahntrassen geplant. So wurde über eine Bahnstrecke von Montabaur über Niederelbert, Kadenbach, Neuhäusel, Arenberg, Arzheim nach Niederlahnstein mit den Vertretern der betreffenden Gemeinden diskutiert. Verwirklicht wurde sie bekanntlich nie.

W etter: Im Januar und Februar 1925 hatte sich der Winter in Koblenz von seiner milden Seite gezeigt: Dies änderte sich im März dann mit einem Schlag. Mitte des Monats meldete die „Coblenzer Volkszeitung“ strenge Kälte, sodass auf dem Goebenplatz, dem heutigen Görres-Platz, die Temperaturen nachts bis auf minus 7 Grad sanken. Zudem fiel bis zu zehn Zentimeter Neuschnee. Auf den Höhen war der Wintereinbruch naturgemäß noch viel stärker. „Infolge des starken Schneetreibens und der Verwehungen konnte das Automobil mit den Zeitungspaketen am Samstagmorgen nicht zu mehreren Hunsrückdörfern vordringen und musste unverrichteter Dinge wieder zurückfahren“, meldete die „Coblenzer Volkszeitung“ am 16. März. Der Wintereinbruch war jedoch nicht von langer Dauer. Am 26. März schrieb die „Coblenzer Volkszeitung“: „Frühlingsluft mit Temperaturen von 15 Grad.“

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