„Hindenburg neuer Reichspräsident“ – mit dieser Schlagzeile erwachten die Koblenzer am Morgen nach der Wahl am 26. April 1925. Viele werden sich darüber allerdings eher geärgert haben, denn der ehemalige Generalfeldmarschall hatte in der Stadt keine Mehrheit. In Koblenz hielt man es mit dem Gegenkandidaten, dem Zentrums-Politiker Wilhelm Marx, der von der SPD und den Liberalen (DDP) unterstützt wurde. Dass der damals 77-jährige Hindenburg überhaupt eine relative Mehrheit in Deutschland erreichte, hatte zwei Gründe: Einerseits sprach sich die Bayerische Volkspartei, Schwesterpartei des katholischen Zentrums, für die Wahl des Protestanten Hindenburg aus. Und andererseits hielten die Kommunisten auch im zweiten Wahlgang an ihrem chancenlosen Kandidaten Ernst Thälmann, der 6,4 Prozent der Stimmen erhielt, fest. Die SPD-Parteizeitung „Vorwärts“ titelte denn auch nach der Wahl: „Hindenburg Präsident von Thälmanns Gnaden“.

Wahlkampf: Im Gegensatz zum ersten Wahlgang zur Präsidentenwahl, bei der keiner der angetretenen Kandidaten die absolute Mehrheit erreicht hatte, spürte man vor dem zweiten Urnengang in Koblenz Wahlkampfstimmung. Vor allem der Volksblock (SPD, Zentrum und DDP) warben hier für ihren Kandidaten. Drei Tage vor der Wahl sprach Wilhelm Marx dann auch in der Koblenzer Festhalle, die sich an der Stelle der heutigen Rhein-Mosel-Halle befand. Laut „Coblenzer Volkszeitung“ waren mehrere Tausende Besucher da, und die Straßenbahn setzte Sonderwagen für deren Transport ein, unter anderem nach Vallendar, Bendorf und Höhr-Grenzhausen. Der promovierte Jurist Wilhelm Marx stellte in den Mittelpunkt seiner Rede die Aussöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern Frankreich und Großbritannien. Für Hindenburg, der von der rechtskonservativen DVP (Deutsche Volkspartei) und der monarchistischen, teilweise rechtsextremen DNVP (Deutschnationale Volkspartei) aufgestellt worden war, sprach einen Tag vor der Wahl ebenfalls in der Festhalle Otto Most, Reichstagsabgeordneter der Deutschen Volkspartei (DVP), der Partei von Gustav Stresemann. Für Wilhelm Marx warb am Tag vor der Wahl hingegen noch einmal der Volksblock mit einer großen Kundgebung auf dem Clemensplatz, bei der unter anderem der Koblenzer Karl Theodor von Guérard, Reichstagsabgeordneter für das Zentrum von 1920 bis 1930, sprach. Zu Hindenburg, der als Chef des Generalstabs des VIII. Armee-Korps in Koblenz von 1896 bis 1900 stationiert war, hatte die Koblenzer Casino-Gesellschaft im Vorfeld der Wahl Kontakt gesucht. So erwähnte die „Coblenzer Volkszeitung“ wenige Tage vor dem Urnengang, dass Hindenburg der Casino-Gesellschaft folgende Nachricht als Antwort auf ein Geschenk zurückgesandt habe: „Ich erinnere mich oft und gerne der von mir in Coblenz verlebten schönen Zeit und insbesondere des Dreikönigsabends und -morgens im Zivil-Casino.“
Wahlergebnisse: 1917 ernannte die Stadt Koblenz Hindenburg zum Ehrenbürger. Acht Jahre später stimmten die meisten Koblenzer jedoch nicht für den ehemaligen Generalfeldmarschall. Während Wilhelm Marx in Koblenz 64 Prozent der Stimmen erhielt, entfielen auf Hindenburg nur 33 und auf Ernst Thälmann (KPD) 3 Prozent. Im Wahlkreis „Coblenz-Trier-Birkenfeld“ feierte Marx einen noch größeren Sieg: Dort kam der Zentrums-Politiker auf 67 Prozent, Hindenburg auf 30 und Thälmann auf 3 Prozent. Hochburgen von Marx waren im damaligen Koblenz vor allem Moselweiß mit 77 Prozent und Wallersheim mit 85 Prozent. Eine knappe Mehrheit konnte Hindenburg im damaligen Koblenz überhaupt nur in der Südlichen Vorstadt erzielen. So kam er in einem Stimmbezirk rund um den St.-Josef-Platz auf 54 und im Stimmbezirk für die Mainzer Straße auf 52 Prozent.
Noch größer war der Erfolg für Wilhelm Marx in den Koblenzer Stadtteilen, die 1925 noch selbstständig waren und nicht zur Stadt gehörten. So erhielt der Zentrums-Politiker und studierte Jurist in Lay 94 Prozent, in Bubenheim 91, in Kesselheim 90, in Arzheim 85 und in Güls 81. Hindenburg erzielte die höchsten Ergebnisse in dem gleichen Gebiet in Pfaffendorf mit 34 Prozent, in Stolzenfels und Arenberg mit jeweils 28 Prozent und in Rübenach mit 25 Prozent. Die Kommunisten hatten ihre besten Ergebnisse in Metternich und in Güls mit jeweils 10 Prozent.
Im Umland von Koblenz lagen die Hochburgen von Wilhelm Marx vor allem im linksrheinischen Gebiet. So kam er in Wolken auf 97 Prozent, in Waldesch auf 94, in Oberfell auf 93, in Niederfell und Ochtendung auf jeweils 90 Prozent. Hindenburg hingegen hatte im Koblenzer Umland in Winningen sein stärkstes Ergebnis mit 84 Prozent. Der Kommunist Ernst Thälmann war vor allem in der Arbeiterstadt Bendorf stark. Dort holte er 13 Prozent und in Mülhofen, das damals noch selbstständig war, sogar 17 Prozent.

Fußball: Ende April 1925 stand der Fußballverein (FV) 1911 Neuendorf, Vorläufer der Turn- und Spielvereinigung (TuS) Koblenz-Neuendorf 1911, im Finale um die Meisterschaft der Kreisligabesten des Rheingaus. Gegner im Endspiel in Köln war die Spielvereinigung Rhenania Würselen 05. Das Spiel verloren die Neuendorfer, die zuvor die Teams aus Bendorf und Höhr in der Qualifikation ausgeschaltet hatten, mit 0:2. Der Reporter der „Coblenzer Volkszeitung“ attestierte den Neuendorfern allerdings, dass sie ebenbürtig gewesen seien. „Würselen hat den Sieg nur deshalb verdient, weil sie auf heroische Art den einmal erspielten Vorsprung zu halten verstanden. Würselen zeigte bei Weitem nicht das technische Können wie Neuendorf“, urteilte der nach Köln entsandte Sportreporter der „Coblenzer Volkszeitung“.
Rollendes Fass: Ein ungewöhnliches Vehikel, ein 320 Kilo schweres Fass, rollte im April 1925 durch die Koblenzer Straßen. Bewegt wurde es von drei Männern des Krefelder Turnvereins Gut Heil 1895. „Die Männer haben eine Wette abgeschlossen, ein 640 Pfund schweres Fass bis zum Jahresende durch Deutschland zu rollen. Die Höhe der Wette beträgt 3000 Mark, Hilfsmittel sind untersagt“, berichtete die „Coblenzer Volkszeitung“. Zum Vergleich: Eine Ausgabe der „Coblenzer Volkszeitung“ kostete damals 10 Pfennige. „Nachweislich müssen die Herren 8200 Kilometer zurücklegen, den Weg nach Koblenz nahm das Fass über Neuss, Köln, Bonn und Andernach. Weiter gehen soll es über Boppard, Bingen, Mainz, Frankfurt, Nürnberg, München, Rosenheim und hinauf nach Thüringen und Oberschlesien und schließlich über Norddeutschland zurück nach Krefeld. Das Innere des Fasses ist wohnlich eingerichtet und die drei Herren haben sich dort eine bequeme Schlafstätte eingebaut“, schrieb die „Coblenzer Volkszeitung“.

E rstkommunion: Gemessen an heutigen Verhältnissen, war Koblenz in der Mitte der 20er-Jahre des vorigen Jahrhunderts eine noch sehr junge Stadt. Und gleichsam spielte die Religion eine sehr bedeutende Rolle. Laut einer Statistik gehörten 1925 knapp 80 Prozent der rund 58.000 Koblenzer der katholischen Kirche, 19 Prozent der protestantischen Kirche und 1 Prozent der jüdischen Gemeinde an. Das Stadtgebiet beschränkte sich damals auf die linke Rheinseite, die heutigen Stadtteile Stolzenfels, Lay, Rübenach, Metternich, Güls, Bubenheim und Kesselheim gehörten nicht dazu. Gleich ob in der Stadt oder in den Vororten, war für die meisten katholischen Koblenzer der Weiße Sonntag ein ganz besonderer Tag, denn entweder gingen die eigenen Kinder zur Erstkommunion oder Kinder aus der näheren Verwandtschaft. Im Vergleich zum Weißen Sonntag 1920, dessen Kommunionkinder alle noch vor dem Ersten Weltkrieg geboren waren, lässt sich dennoch ein Rückgang feststellen. Gab es 1920 noch 830 Erstkommunionkinder, so waren es 1925 nur 767 Jungen und Mädchen, und dies, obwohl sich Koblenz seit der Eingemeindung von Wallersheim 1923 flächenmäßig vergrößert hatte. Dass männliche Kleinkinder damals noch eine signifikant höhere Sterblichkeit als weibliche hatten, zeigt die Statistik ebenfalls, denn von den 767 Erstkommunionkindern waren 413 Mädchen und 354 Jungen. Die Ausrichtung der Kommunionfeier sowie vor allem die Einkleidung der Kinder, die Mädchen im weißen Kleid und die Jungen im dunklen Anzug, dürfte nicht wenige Koblenzer Familien dabei vor ernsthafte finanzielle Probleme gestellt haben. In Lützel führte der Jugendverein deshalb in der Gaststätte „Zum Hähnchen“ die Komödie „Der Raub der Sabinerinnen“ von Paul und Franz von Schönthan auf. Der Schwank war in den 1920er-Jahren ein Renner. Der bekannte jüdische Theaterkritiker Alfred Kerr, der 1933 vor den Nazis nach Großbritannien floh, schrieb: „Die Leute liegen vor Lachen unter den Stühlen. Ich auch.“ Der Erlös der Aufführung, für die 75 Pfennige Eintritt genommen wurde, war für bedürftige Erstkommunionkinder der Pfarrei St. Antonius in Lützel bestimmt. 1925 gingen in Lützel 70 Mädchen und 50 Knaben zur Erstkommunion.
Mit dem Weißen Sonntag waren die Feierlichkeiten zur Erstkommunion allerdings nicht vorbei. So gab es am Weißen Montag eine Rheinschiffsfahrt zum Wallfahrtsort Bornhofen. „Die Fahrt war ein voller Erfolg. Nicht nur in Koblenz mussten Kinder wegen der Überfüllung abgewiesen werden, sondern auch in den Zwischenstationen bis Bornhofen. Auch Arenberg mit dem Bibelgarten verzeichnete einen starken Besuch. Von morgens bis abends kamen viele Kommunionkinder mit ihren Eltern hierher. Taschendiebe hatten sich den Andrang zunutze gemacht“, berichtete die „Coblenzer Volkszeitung“.
Holz aus Afrika: Im Koblenzer Moselhafen wurden afrikanische Bäume von einem Lastschiff ausgeladen. „Die Stämme werden mit der Werftbahn verladen und gehen weiter, um zu allen möglichen Zwecken Verwendung zu finden. Es sind 14.000 Zentner Urwaldstämme“, schrieb die „Coblenzer Volkszeitung“. Die Werftbahn führte vom Moselhafen, der sich von der Balduinbrücke bis kurz vor das Deutsche Eck erstreckte, am Schlachthof im Rauental bis hin zum Güterbahnhof in Moselweiß.
Wetter: Der April verwöhnte die Koblenzer durchweg mit frühlingshaften Temperaturen: Bereits in den ersten Apriltagen berichtete die „Coblenzer Volkszeitung“ von flatternden Schmetterlingen, und am Palmsonntag (5. April) „strahlte die Sonne so warm, dass erstmalig in diesem Frühling die wärmenden Kleidungsstücke überflüssig waren“. Eine Woche später, zu Ostern, gab es in Koblenz ein kräftiges Gewitter. „Bei dem Gewitter schlug ein Blitz in der Nähe des Ehrenfriedhofs in einen Tannenbaum, der von oben bis unten zersplitterte und dessen Stücke auf die verschiedenen Gräber fielen. Auch anderorts gingen heftige Blitze nieder und der Donner krachte oft so mächtig, dass die Fenster laut klirrten“, so die „Coblenzer Volkszeitung“.