Für Eigner RWE ist das einstige Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich gleich mehrere Baustellen in einer - Abbruchroboterfällt einige Tage aus
Abrissbagger streikt: Nur eine von vielen Hürden beim KKW-Rückbau
Thomas Frey/dpa

Mülheim-Kärlich. Zuletzt hat sich der Spezialabbruchroboter auf dem Kühlturm am ehemaligen Kernkraftwerk (KKW) Mülheim-Kärlich ordentlich ins Zeug gelegt und den Betonriesen einen guten Kopf kürzer gemacht. War er mit 162 Metern einst höher als der Kölner Dom, misst der Kühlturm heute nur noch etwa 110 Meter. Doch die Abrissarbeiten an der massiven Stahlbetonkonstruktion fordern auch ihren Tribut: Aufgrund technischer Probleme steht der Abbruchroboter aktuell still. Wann es weitergehen soll, welche Rückbauarbeiten sonst noch auf dem KKW-Gelände laufen und wie es um die Vermarktung des Areals bestellt ist – darüber hat die RZ mit RWE-Sprecherin Dagmar Butz gesprochen.

Nachdem die Sonderkonstruktion mit dem Namen RDB 100, die einen serienmäßigen Caterpillar-Bagger der Zehn-Tonnen-Klasse als Basis hat, zuletzt aufgrund starker Windverhältnisse zwangsweise von Ende Februar bis Mitte März drei Wochen lang pausieren musste, ist es nun die Hydraulik die streikt. Das sei zwar ärgerlich, sagt die RWE-Sprecherin, aber aufgrund der Dimensionen irgendwie auch nachvollziehbar, dass so etwas auch mal passieren kann. „Wir hoffen, dass das Problem eventuell bereits in der nächsten Woche behoben ist“, sagt Dagmar Butz. Wie sehr Beton und Armierungen den Abbruchroboter fordern, würde sich auch daran zeigen, dass regelmäßig die Schneidezähne der Zange, die mit 70 Tonnen Brechkraft zubeißt, gewechselt werden müssen.

Wenn nach der Reparatur alles glatt läuft und der Turm weiterhin etwa drei Meter an Höhe pro Umrundung verliert, müsste der Betonkoloss laut Butz in ungefähr zehn Wochen auf 80 Meter geschrumpft sein. Dann will RWE, wie ursprünglich angedacht, den Roboter von der Kühlturmkante hieven lassen und auf konventionelle Abrisstechnik mit einem am Boden postierten hohen Bagger umschwenken. Dafür gibt es laut RWE-Sprecherin gleich zwei gute Gründe: „Mit zunehmender Neigung des Kühlturms im unteren Bereich wird es schwieriger für den Bagger. Und wenn wir konventionell arbeiten, muss auch keiner mehr in der Höhe arbeiten.“

Unbemerkt von den Augen der Öffentlichkeit läuft unterdessen die Demontage der beiden 23 Meter hohen Dampferzeuger, die zum Primärkreislauf – der am höchsten radioaktiv belastete Anlagenteil – gehören. Rund zwei Jahre wird die beauftragte Firma Bilfinger Noell damit beschäftigt sein, die jeweils 450 Tonnen schweren Bauteile zu zerlegen. Mithilfe einer Spezialsäge ist mittlerweile die obere Kalotte – die Kuppe – von einem der Dampfererzeuger durchschnitten worden, berichtet Dagmar Butz. In weiteren Arbeitsschritten werden die in den Großkomponenten befindlichen fingerdicken Röhren – insgesamt gibt es 16.000 Stück davon, die auf der Innenseite kontaminiert sind – in drei Meter große Segmente geschnitten und bis zum Abtransport in Containern unter der Reaktorkuppel zwischengelagert. Aktuell stehen 20 Container im alten Brennelementlagerbecken zur Aufnahme der zerlegten Dampferzeugerteile bereit. Optional haben noch sechs weitere Container Platz im Kontrollbereich.

Immer mehr Platz gibt es aufgrund der fortgeschrittenen Abrissmaßnahmen derweil auch rund um das Reaktorgebäude auf dem KKW-Gelände. Ausreichend freie Flächen, die nur darauf warten, nachgenutzt zu werden. Ist der Kühlturm erst einmal vom Erdboden verschwunden, werden es 29 Hektar sein. Lange Zeit hoffte RWE, die gesamte Fläche an einen Nachnutzer verkaufen zu können. „Es scheint aber so zu sein, dass es nicht so viele Interessenten gibt, die so eine große Fläche benötigen“, sagt Butz. Aus diesem Grund wird sie nun kleinteiliger vermarktet. Mit drei Firmen, die sich im neuen Industriepark „Am guten Mann“ niederlassen möchten, steht RWE kurz vor Vertragsabschluss, das bestätigt die Sprecherin auf RZ-Nachfrage. „Noch ist aber nichts in trockenen Tüchern“, sagt sie und schweigt zu den Branchen der Unternehmen. Im besten Fall, so erläutert Butz, könnte sich „ein halbes Dutzend“ Firmen auf dem Areal niederlassen.

Von unserem Redakteur Damian Morcinek

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