Projekt der Caritas Koblenz ermöglicht das Kennenlernern von "Lebenswirklichkeiten"
Abgeordneter wird Müllsammler: Wie die Caritas Koblenz Politiker und „Normalos” zusammenbringt
Der Landtagsabgeordnete Peter Moskopp (rechts) lernte die Lebenswirklichkeit des aus der Türkei geflüchteten Kurden Müslüm Duran kennen. Die beiden sammelten gemeinsam auf Koblenzer Straßen säckeweise Müll ein.
Caritas Koblenz

Vom Landtag auf die Straße: Ein Modellprojekt der Caritas will dafür sorgen, dass Entscheidungsträger die Lebenswirklichkeit der Menschen kennenlernen, die sonst keine Lobby haben. MdL Peter Moskopp (CDU) sammelte mit Müslüm Duran Müll auf Koblenzer Straßen.

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Der Landtagsabgeordnete Peter Moskopp (rechts) lernte die Lebenswirklichkeit des aus der Türkei geflüchteten Kurden Müslüm Duran kennen. Die beiden sammelten gemeinsam auf Koblenzer Straßen säckeweise Müll ein.
Caritas Koblenz

Im Normalfall haben sie nur wenige Berührungspunkte: Entscheidungsträger aus Politik, Verwaltung, Kirche und Gesellschaft und beispielsweise Frauen oder Männer mit geistiger Beeinträchtigung, Wohnungslose, Geflüchtete und Arbeitssuchende. Entscheidungen werden oftmals ohne genaue Kenntnis der Lebenswirklichkeit derer, über die da entschieden wird, getroffen.

Dies zu ändern, ist das Ziel des gemeinsam vom Diözesan-Caritasverband Trier und dem Bistum Trier in Kooperation mit dem Bonner Verein Exposure- und Dialogprogramme (EDP) gestartete Programm, das in den vergangenen Wochen und Monaten erstmals in Koblenz realisiert und jetzt mit einer Abschlussveranstaltung in der Koblenzer Kirche der Jugend X-Ground beendet wurde und im kommenden Jahr im Saarland angeboten werden soll.

Kontakte zwischen Ungleichen

Dabei geht es eben genau darum, Räume zu schaffen für Begegnungen zwischen Interessierten und Verantwortlichen aus den verschiedensten Bereichen und ihnen so Einblicke in Lebenswirklichkeiten von Menschen zu geben, mit denen sie im Alltag wenig oder gar keine Kontaktpunkte haben.

Der Caritas-Verband Koblenz öffnete dafür einige seiner Einrichtungen, die CarMen gem. GmbH, Beschäftigungsgesellschaft und Inklusionsbetrieb, das Haus Eulenhorst, ein Wohnhaus für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung, die Fachberatungsstelle für Menschen ohne Wohnung, den Kontaktladen des Zentrums für ambulante Suchtkrankenhilfe, die Bahnhofsmission und den Migrationsdienst.

Im Tandem im Einsatz

Die dort lebenden, begleiteten und/oder arbeitenden Menschen waren bei dem Projekt „Gastgeber“ für diejenigen, die sich über ihre Lebenswirklichkeit informieren, ein paar Stunden lang mit ihnen arbeiten, Gespräche führen wollten.

„Tandems“ wurden auf diese Art und Weise gebildet, die, so resümierten alle Teilnehmer am Projekt, wechselseitig zu ausgesprochen nützlichen und sinnvollen Einsichten beitrugen. Ein solches Tandem bildeten beispielsweise der Landtagsabgeordnete Peter Moskopp und der aus der Türkei geflüchtete Kurde Müslüm Duran, Mitarbeiter von CarMen. Gemeinsam sammelten die beiden auf Koblenzer Straßen säckeweise Müll.

Die Gespräche, die wir dabei führten, waren ausgesprochen hilfreich und interessant.

Der Abgeordnete und Diplom-Verwaltungswirt Peter Moskopp über die Begegnung mit Müslüm Duran, der nie eine Schule besucht hat

„Die Gespräche, die wir dabei führten, waren ausgesprochen hilfreich und interessant“, erklärt Moskopp. „Diese Begegnung hat, wie ich denke, auch für beide Seiten einiges gebracht.“ Das findet auch Duran, stolz darauf, dass zwei seiner Töchter mittlerweile in Deutschland studieren, „obwohl ich und meine Frau nie eine Schule besucht haben“. Es sei gut gewesen, einmal über sein Leben und seine Arbeit mit einem interessierten Gegenüber sprechen zu können.

Nicht über Köpfe hinweg entscheiden

Deshalb unterstrich Domkapitular Benedikt Welter, Vorsitzender des Diözesan-Caritasverbandes, auch bei der Abschlussveranstaltung noch einmal die Bedeutung des Projektes: Es sei wichtig, nicht über die Menschen hinweg zu sprechen und zu entscheiden, sondern gemeinsam mit ihnen Projekte, Hilfsmaßnahmen und Unterstützungsangebote zu konzipieren.

Denn: „Man baut um seine geistige, seine soziale Person oft diesen Sicherheitsabstand auf. Das vermittelt uns ein Gefühl von Unantastbarkeit, von Sicherheit, von Distanz, aus der heraus wir agieren können“, wie es Anna Schlimpen, Projektassistenz von „Lebenswirklichkeiten“ formulierte, die zu Gast war bei Bewohnern des Hauses Eulenhorst. Eben diese Distanz zu verringern, indem man sich anderen Lebenswirklichkeiten aussetzt, war wesentliches Ziel dieses Projekts.

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