Team aus 16 Gassigehern
85-jähriger Bendorfer kann Hündin trotz Sturz behalten
Der beste Freund des Menschen: Der 85-jährige Hans Hagen und seine 10-jährige Hündin Sky sind ein eingespieltes Paar. Wenn ihm das Gehen ohne Rollator wieder leichter fällt, will er auch selbst wieder mit Sky seine Runden durch Bendorf drehen
Johannes Kirsch

Collie „Sky“ ist ihm ans Herz gewachsen – Riesige Hilfsbereitschaft ermöglicht außergewöhnlichen Gassi-Service

Es war nur eine klitzekleine Unaufmerksamkeit, doch die Folgen waren schwerwiegend. Als der Bendorfer Hans Hagen kurz nach Jahresbeginn den Müll rausbringen wollte, stürzte er – und zog sich nach eigenem Bekunden eine Prellung zu. Die im Eifer des Gefechts gestellte Eigendiagnose erwies sich jedoch rasch als völlig falsch. Der 85-Jährige erlitt einen offenen Bruch am Bein und kam per Krankenwagen ins Evangelische Stift nach Koblenz. Seinen Unfall habe er inzwischen verdaut, verrät Hagen vor wenigen Tagen schmunzelnd im Gespräch mit unserer Zeitung. Große Sorgen machte sich der Senior aber um Sky, seine zehnjährige Hündin.

„Bis zu jenem Tag Anfang Januar drehte ich jeden Tag meine Runde mit Sky“, erzählt das stolze Herrchen, „meistens waren wir bis zu einer Dreiviertelstunde unterwegs. Zweimal am Tag führte ich Sky aus, das war Routine.“ Oft ging der Witwer zum Friedhof, auf der Nachmittagsrunde schaute er regelmäßig auch in einer benachbarten Kneipe vorbei. Ein Bier zu trinken und die sozialen Kontakte zu pflegen, das sei der Antrieb gewesen. „Sky gehört zur Familie. Sie ist wie eine Lebenspartnerin für mich und hat mich immer auf Trab gehalten“, so Hagen, dessen Frau vor zwei Jahren verstarb.

Silvia Petzold besitzt selbst einen Hund. Das tägliche Gassigehen ist für sie also längst zur Gewohnheit geworden. Wenn man ihr aktuell im Bendorfer Stadtpark begegnet, hält sie häufig auch die Collie-Hündin Sky (rechts) ihres Bekannten Hans Hagen an der Leine.
Johannes Kirsch

Die Verbundenheit zu Sky, einer Collie-Hündin, ist dem Bendorfer ins Gesicht geschrieben, wenn er die vierbeinige Schönheit mit dem Wuschelfell in seiner Nähe weiß. Und „Schönheit“ ist hier nicht nur ein subjektiver Eindruck. „In jungen Jahren wurde Sky als Deutschlands und sogar Europas schönster Collie ausgezeichnet“, berichtet er voller Stolz. Sie nach dem Unfall einem anderen Besitzer anzuvertrauen, war keine Option, obwohl er zeitweise im Rollstuhl saß und sich noch immer nur mühsam fortbewegen kann. Kirstin Höfer, Leiterin des Tierheims Koblenz, wo Sky vorübergehend untergebracht war, startete also einen Aufruf via Facebook. Sie suchte nach Personen, die mit Sky Gassi gehen möchten.

Die Resonanz war gewaltig. Dutzende Hilfsbereite meldeten sich innerhalb kürzester Zeit beim Tierheim. Höfer und Hagens Stiefsohn Marcus Müller bauten Kontakt zu allen Bewerberinnen und Bewerbern auf. „Wir wollten uns sicher sein, dass Sky in guten Händen ist“, stellt Müller klar, der selbst in Berlin lebt und sich daher nicht um die Hündin kümmern kann.

Team aus 16 Männern und Frauen geht nun mit Sky Gassi

Silvia Petzold ist eine von 16 Frauen und Männern, die nun den unentgeltlichen „Gassi-Service“ für Sky anbieten. Sie habe Hagen schon vorher gekannt, erzählt die Bendorferin. Daher habe sie es als eine Selbstverständlichkeit angesehen, ihre Hilfe anzubieten. „Da ich mit meinem eigenen Hund sowieso regelmäßig an die frische Luft muss, ist es für mich mit keinerlei Umständen verbunden, auch Sky mitzunehmen“, so Petzold.

Der Großteil der 16-köpfigen Gruppe besitzt selbst einen Hund oder zumindest ein anderes Haustier. Michèle Hodneland aus Vallendar fällt da etwas aus dem Rahmen. Ihr und ihrem Mann ist es aus zeitlichen Gründen schlicht nicht möglich, sich einen Vierbeiner anzuschaffen. Doch als sie auf den Facebook-Beitrag des Tierheims aufmerksam geworden sei, habe sie nicht lange gezögert. „Ich fahre mit dem Rad nach Bendorf und kann den Ausflug beispielsweise mit einem Einkauf verbinden. Am wichtigsten ist mir aber, dass ich der Hündin und Herrn Hagen etwas Gutes tun kann. Man spürt, dass die beiden sich sehr mögen, und ich bin froh, einen kleinen Teil dazu beizutragen“, so Hodneland.

Was Hans Hagen nach einem Sturz für eine Prellung hielt, war in Wirklichkeit ein offener Bruch, der operiert werden musste. In seiner Zeit im Rollstuhl musste Sky im Tierheim Koblenz bleiben.
Johannes Kirsch

Auch der erst 15-jährige Florian Stettler zählt zum Unterstützerteam: „Ich bin in fünf Minuten bei Herrn Hagen und habe nachmittags in der Regel Zeit“, erklärt der Schüler seine Beweggründe. Seine Freizeit ein- bis zweimal in der Woche zu opfern, sei für ihn keine Last. Im Gegenteil: „Es macht mir sehr viel Spaß, und Sky ist eine sehr umgängliche Hündin.“ Und dank der riesigen Hilfsbereitschaft kann sie weiterhin die beste Freundin des 85-jährigen Hagen bleiben. Sobald ihm das Gehen ohne Rollator wieder leichter fällt, möchte Hagen auch selbst gern wieder seine Runden mit Sky drehen.

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