Kriminalpolizist schildert vor Gericht, wie seine Kollegen und er den Tätern nach ihrem Beutezug bei einer 77-jährigen Koblenzerin auf die Spur kamen - Schnelle Anzeige dank RZ-Artikel
77-jährige Koblenzerin am Telefon betrogen: Sieben Angeklagte vor Landgericht
dpa

Im Prozess gegen sieben Angeklagte aus dem Kreis Neuwied vor dem Landgericht Koblenz werden jetzt nach und nach die Zeugen gehört. Den Männern im Alter von 23 bis 27 Jahren wird vorgeworfen, an einer besonders perfiden Variante des Telefontrickbetrugs beteiligt gewesen zu sein.

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Die Beteiligten riefen bevorzugt ältere Menschen an, die sie mittels der Vornamen aus Telefonbüchern filterten. Bei den Telefonaten gaben sie sich als Mitarbeiter der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft aus und gaukelten ihren künftigen Opfern vor, ihr Vermögen sei in Gefahr. Zum Beispiel dadurch, dass man angeblich Mitglieder einer Einbrecherbande verhaftet und bei ihnen Zettel mit der Adresse der Angerufenen gefunden habe. Daher sei jetzt dringender Handlungsbedarf gegeben, man müsse die Vermögenswerte der Senioren „sichern“ und „in amtliche Verwahrung nehmen“. Zur Unterstützung ihrer Anrufe gaukeln die Verbrecher amtliche Telefonnummern vor, was zurzeit noch möglich ist und sich „Spoofing“ nennt.

Die ganze Betrugsmasche läuft dabei wie eine gut geölte Maschine. Die Anrufe kommen für gewöhnlich aus Call-Centern in der Türkei, werden aber von deutschen Muttersprachlern durchgeführt. Kennzeichnend ist hier ein meist Stunden dauernder, regelrechter Telefonterror mit wechselnden Protagonisten, sodass die Opfer gar keine Möglichkeit haben, zum Beispiel Hilfe oder Rat von Familienangehörigen zu erbitten. Am Ort in Deutschland kümmern sich dann sogenannte Logistiker um die weitere Organisation. Sie bestellen Abholer, die die Wertsachen einsammeln, und kümmern sich darum, dass das Geld anschließend in die Türkei gebracht wird. Aus diesem Bereich sollen die sieben Angeklagten stammen, zwei der Abholer haben ihre Tatbeteiligung bereits eingestanden.

Das Opfer war in diesem Fall eine 77-jährige Frau aus Koblenz, die aufgrund des geschilderten Telefonterrors am frühen Morgen des 7. September 2017 gegen 2 Uhr dem 23-jährigen Angeklagten eine fette Beute übergab. Es geht hier tatsächlich um 250.000 Euro Bargeld, zwei Kilogramm Gold und Schmuck im Wert von weiteren 27.000 Euro, verpackt in zwei großen Plastiktüten. Allerdings schlug die Frau einige Stunden später die Rhein-Zeitung auf und las dort einen Artikel zu genau dieser perfiden Vorgehensweise. Daher rief sie unverzüglich die Polizei und erstattete Anzeige.

Was sich daraufhin in Gang setzte, schilderte der für die Ermittlungen zuständige Beamte der Kriminalpolizei Koblenz, und zwar sehr detailliert. Abgekürzt war es letztlich eine Funkzellenabfrage für den betreffenden Teil der Stadt Koblenz, der zu einer ersten Spur führte. Natürlich sind jede Menge Telefone in eine solche Zelle eingeloggt, der Beamte berichtete von fünfstelligen Zahlen. Allerdings ist die Zahl nachts um 2 Uhr deutlich geringer, speziell die Zahl der Mobiltelefone, mit denen rege telefoniert wird.

So blieben nach längerer Filterung exakt zwei Anschlüsse übrig, von denen einer tatsächlich zum betreffenden Angeklagten führte. Der machte aber bei der ersten Befragung als möglicher Zeuge ungewöhnliche Angaben, behauptete, das Telefon inzwischen an einen Cousin im Kosovo verschenkt zu haben, die SIM-Karte sei ihm beim Herausnehmen zerbrochen. Wie sich dann später herausstellte, hatte er die Karte aber unmittelbar nach der Tat bei seiner Telefongesellschaft als gestohlen gemeldet. Es wurde weiter ermittelt, und die Ergebnisse führten zu weiteren möglichen Beteiligten. Richter Martin Schlepphorst war beeindruckt: „Ihr Gedächtnis möchte ich haben“, gab er dem Zeugen mit auf den Heimweg.

Von unserem Mitarbeiter Thomas Krämer

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