RHI Magnesita investiert über 20 Millionen in Werk an der B 9 - Hersteller von Feuerfestprodukten lädt zum Rundgang
23-Millionen-Investition bei RHI Magnesita: Hauptrolle für Urmitz auf dem Europa-Markt
Noch ist nicht viel zu sehen von dem neuen Tunnelofen. Er sei das Herzstück der Großinvestition bei RHI Magnesita in Urmitz, sagt Werkleiter Markus Pung.
C. Hartmann

Urmitz. Das Thermometer ist am Donnerstagvormittag längst weit über die 30-Grad-Celsius-Marke gestiegen. Der sandige Staub lässt die Rheinau in Urmitz wie einen Drehort für eine amerikanische Dystopie erscheinen. Zumindest vor dem Tor 3, wo der Rundgang durchs RHI-Magnesita-Werk gleich starten soll.

Die Einladung von dem Weltmarktunternehmen kam schnell nach der Ankündigung einer Mega-Investition am Standort, von der bisher noch wenig zu sehen ist. Allein eine Tafel zeigt, wo der Tunnelofen positioniert wird, 125 Meter lang. Das letzte Mal sei irgendwann in den 1970er- oder 1980er-Jahren ein Tunnelofen in Deutschland neu gebaut worden, sagt Rajah Jayendran, Senior Vice President und Head of Operations bei RHI Magnesita. Bei der Jahreszahl ist er nicht ganz sicher, weiß aber: Es ist lang her.

Feuerfestmaterialien kommen in vielen Industrien zum Einsatz

RHI stellt Feuerfestmaterialien für den Weltmarkt her. Die braucht es in der Autoindustrie, in der Glasindustrie, in der Stahlindustrie, sagt Werksleiter Markus Pung. Feuerfest seien Materialien, die Temperaturen von über 1200 Grad Celsius aushalten. Ganz so heiß ist es am Donnerstag immerhin nicht.

In Urmitz werden vor allem nicht-basische Stoffe verarbeitet, anders als in anderen Werken für Feuerfestmatierialien. Künftig soll Urmitz ein europäischer Hub für ebendiese werden. Das heißt im Groben: Urmitz wird für den europäischen Markt besonders wichtig.

Der Tunnelofen sei das Herzstück der Investition in Urmitz, sagt Pung, immerhin gut 20 Millionen Euro fließen in das Werk in der Verbandsgemeinde Weißenthurm. Es gehe dabei auch darum, das Unternehmen zukunftsfest aufzustellen, durch Digitalisierung, durch Nachhaltigkeit, aber eben auch durch die Konzentration auf weniger Standorte.

Die Region bekommt das zu spüren. Die RHI Magnesita betreibt noch ein anderes Werk im wenige Kilometer entfernten Kruft. Das wird geschlossen (die RZ berichtete). Die 70 neuen Arbeitsplätze, die in Urmitz entstehen, sind für Mitarbeiter aus Kruft reserviert. „Wer will, kann kommen“, sagt Jayendran. Gut 100 Mitarbeiter sind in Kruft beschäftigt. Heißt: Nicht alle können künftig in Urmitz weiterarbeiten.

Betriebsrat: Investition ist „wie ein Sechser im Lotto“

Für den Betriebsrat in Urmitz sind die Pläne Grund zur Freude. „Wie ein Sechser im Lotto“, sagt der Ratsvorsitzende Christoph Spohr. Für die gesamte Verbandsgemeinde Weißenthurm sei die Investition ein Gewinn, betonen auch die beiden Bürgermeister Gerd Harner (FWG, Mülheim-Kärlich) und Norbert Bahl (SPD, Urmitz). Schon die Tatsache, dass zwei Bürgermeister zur buchstäblich hitzigen Werksführung gekommen seien, zeige, wie wichtig die RHI Magnesita für beide Orte sei, betont Harner, macht gleich auch Werbung für die Verbandsgemeinde. Infrastrukturell sei sie günstig gelegen, Gewerbesteuern lägen deutlich unter denen, die andere Kommunen aufriefen. Bauplätze seien begehrt. Bahl berichtet: 70 neue Baufelder habe ein Unternehmer in Urmitz kürzlich zum Verkauf ausgeschrieben, 350 Interessenten hätten sich gemeldet. Es boomt am Rande von Koblenz.

Die Schutzkleidung auf den Tischen im Besprechungsraum wirkt mit laufender Klimaanlage deutlich weniger bedrohlich als befürchtet. Helm, Schutzschuhe, Warnweste, Schutzbrille, obligatorisch bleibt auch die FFP2-Maske an – beim ersten Schritt in Richtung unklimatisierten Werkshallen ist die Drohkulisse zurück. Es wird warm, auch wenn die Hallendächer die Sonne zurückhalten. Immer wieder streift der Blick in Richtung derer, die ihren gesamten Arbeitstag in der Schutzkluft verbringen. Bald werden es 70 mehr sein am Standort an der B9, 70 mehr, denen man im Sommer noch eine Extrarunde Respekt zollen will.

Werksrundgang in Schutzmontur und bei Wüstentemperaturen

Aus Zeitgründen könne der Rundgang nicht ganz so lange dauern, sagt Pung. Ins Bedauern, weil das Innere der RHI Magnesita durchaus interessant ist, mischt sich ein Stück Erleichterung. Der klimatisierte Besprechungsraum rückt näher. Aber erst nachdem Pung vor einer Tafel Halt gemacht hat, die den geplanten Tunnelofen als Grafik zeigt. Erst hier wird deutlich, was für ein Monstrum nach Urmitz kommt. Eins, das ganz offenbar nur noch selten in Europa als Neubau zu entdecken ist. Die RHI Magnesita will damit auch ein Zeichen setzen für den Standort Europa, sagt Constantin Beelitz, verantwortlich für die europäischen Märkte.

Mehr als die Hälfte der Produkte bleibt auf dem Kontinent

65 Prozent der Produkte, die in Urmitz das Werk verlassen, bleiben auf dem Kontinent. Das betont Pung. Umso wichtiger sei es dem Unternehmen, auch abnehmernah zu produzieren. Beelitz nennt das festgefahrene Schiff im Suezkanal und die Corona-Krise als Beispiele für Hindernisse, die den freien Welthandel in den vergangenen Monaten stark eingeschränkt haben. Insofern sei die Produktion in Europa wichtig für die Liefertreue, die sich die RHI Magnesita ganz groß auf die Fahne geschrieben habe.

Damit erklärt sich auch die Summe, die die RHI Magnesita insgesamt in Europa investiert. 2021 und 2022 sind es Rajah Jayendran zufolge rund 150 Millionen Euro in Deutschland, in Frankreich und in Österreich. Allen 23 Millionen fließen in die Verbandsgemeinde Weißenthurm.

Das Gelände, auf dem die RHI Magnesita in Urmitz ihre Produkte herstellt, wächst mit der Investition nicht. 220 000 Quadratmeter misst das Werksgelände an der Rhienau, gerade einmal ein Drittel davon ist tatsächlich bebaut. Grund seien Grundstückskäufe der Vorgängerfirmen, sagt Pung. Summa summarum etwas mehr als 100 Jahre alt ist der Standort Urmitz.

Umritz wächst, Kruft schließt, wer will, kann wechseln

Die Belegschaft in Urmitz wächst mit den Investitionen der RHI Magnesita. Aus derzeit etwa 230 Mitarbeitern sollen 300 werden. Für den Standort in der Pellenzgemeinde Kruft sucht man einen neuen Nutzer, man sei „in Gesprächen mit verschiedenen Partnern, die das nachnutzen wollen“, heißt es beim Werksrundgangtermin am Donnerstag. Konkreteres sei noch nicht zu sagen.

Die Stahlbranche in Europa sei ausgelastet, sagt Beelitz. Der Nachfrage wolle das Unternehmen nachkommen. Der Hauptkonkurrent sitze – wie so oft – in Asien. Die RHI Magnesita wolle mithalten. „Wir legen hier das Fundament für eine moderne Industrie-4.0-Produktion“, sagt Beelitz. „The driving force of the refactory industry“ steht auf dem Werbeplakat, das den künftigen Standort des neuen Tunnelofens markiert, „die treibende Kraft in der Feuerfestindustrie“ heißt das zu Deutsch.

Die Urmitzer Investition scheint notwendig, damit die RHI Magnesita dem Anspruch weiter nachkommen kann. Immerhin: Die Strecke zwischen der Pellenzgemeinde Kruft und dem neuen RHI-Hub in Urmitz ist überschaubar. 18 Kilometer liegen zwischen den Standorten. Ein durchaus wichtiger Aspekt für die, die aus Kruft nach Urmitz wechseln.

Von unserem Redakteur Daniel Schauff

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