Wer sein Auto reparieren lassen muss, braucht Zeit - oder eine Stammwerkstatt: Darum ist es gerade so schwierig
Zu wenig Hände für zu viel Arbeit: Autowerkstätten im Kreis Mayen-Koblenz sind komplett überlaufen
„In Deutschland fehlen 1,4 Million Facharbeiter. Das ist die Quittung“, ist Michael Mintgen in seiner Werkstatt in Mayen überzeugt.
Stefan Lieser

Wochenlange Wartezeiten, bis man einen Werkstatttermin für sein Auto bekommt. Darüber ärgern sich gerade viele Autofahrer in der Region. Doch warum ist das so? Und trifft es auf alle Kfz-Werkstätten zu?

KFZ-Werkstatt
Sie sind im Moment manchmal wertvoll wie Gold: Wer einen Termin in der Autowerkstatt bekommt, kann sich freuen.
picture alliance/dpa/Julian Stra

„Kleinigkeiten machen wir in fünf bis zehn Minuten!“ Wischerblätter wechseln, solche Sachen, das sind nicht die Sorgen, die Vadim Gusch, Inhaber des Car-Repair-Center Koblenz, gerade hat. Aber Auspuff kaputt an einem Serienfahrzeug eines deutschen „Volumenherstellers“? Unter sieben Tagen hat man bei Gusch derzeit keine Chance. Mehr schaffen seine zwölf Mitarbeitenden einfach nicht. Und es wird – durchaus branchenüblich wie in fast allen Handwerksberufen – auch ein kleiner, aber feiner Unterschied gemacht: Stammkunden first. Neu ist das nicht.

Die Ursache der Wartezeit nicht nur bei Gusch ist dabei ebenfalls schon lange bekannt: der Fachkräftemangel und der Rückgang bei den Azubi-Zahlen. Dass der Beruf des Kfz-Mechatronikers 2022 mit 21.592 abgeschlossenen Lehrverträgen der zweitbeliebteste im Land war, scheint nicht bei allen Betrieben anzukommen. Die Vier-Tage-Woche als Mittel, um den Job in der Autowerkstatt attraktiver zu machen und so mittelfristig den Auftragsstau abzubauen? „Wir haben eher die Sechs-Tage-Woche“, so Vadim Gusch. Wie branchenüblich hat er auch den halben Samstag die Werkstatt offen.

„Kleinigkeiten machen wir in fünf bis zehn Minuten!“ Vadim Gusch, Inhaber des Car-Repair-Center Koblenz, an einem Jaguar-Motor, der ersetzt werden muss.
Stefan Lieser

Keiner will sich schmutzig machen

Selbst bei noch kleineren Betrieben ist die Lage nicht wesentlich anders. Dean Maurer hat in seinem Kfz-MM-Meisterbetrieb in Koblenz vier Mitarbeitende beschäftigt. Wer hier den Auspuff reparieren lassen will, muss „14 Tage“ warten. Man suche aber immer nach einer Lücke, wie es schneller gehen könne, versichert er. Grundsätzlich gelte „binnen Wochenfrist“, so Maurer

„In Deutschland fehlen 1,4 Million Facharbeiter. Das ist die Quittung“, ist Michael Mintgen in seiner Werkstatt in Mayen überzeugt.
Stefan Lieser

Zwei Wochen muss man auch bei Kfz-Mechatronikermeister Christoph Dohle in Mayen „etwa für eine neue Zylinderkopfdichtung” einkalkulieren, der sich 2018 als klassischer Hinterhofschrauber selbstständig gemacht macht. Michael Mintgen, führt seine Kfz-Werkstatt in Mayen seit 1994 und hat zehn Mitarbeitende und einen Azubi. Warum alles so lange dauert? „In Deutschland fehlen 1,4 Millionen Facharbeiter. Das ist die Quittung“, ist er überzeugt. In der Autowerkstatt wolle sich eben „keiner mehr die Hände schmutzig machen“. Der kaputte Auspuff? „Termin in vier bis sechs Wochen“, meint Mintgen. Mintgen hat seinen Betrieb allerdings mit „an die 1000 Durchgängen pro Jahr“ für die E-Autos von 14 Standorten der Deutschen Post neu ausgerichtet.

„Für eine neue Zylinderkopfdichtung muss man leider 14 Tage warten“, bedauert Christoph Dohle (links), der mit Kumpel Michael Dietz seine KFZ-Werkstatt in Mayen betreibt.
Stefan Lieser

Seiner Meinung nach haben die akut langen Werkstattwartezeiten noch andere Gründe als die bekannten: „Während der Corona-Jahre wurden viele Autos weniger häufig benutzt. Die Leute waren im Homeoffice. Jetzt kommen sie zurück auf die Straße und in die Werkstätten“, ist seine Beobachtung. Einer, der wissen muss, wo die aktuellen Probleme seiner Branche liegen, ist Kfz-Meister Ralf Schwammkrug, mit 27 Jahren auf dem Posten „dienstältester“ Geschäftsführer der Löhr-Gruppe in Koblenz, die mit 34 Standorten und rund 2700 Mitarbeitenden zu den zehn größten Autohäusern Deutschlands gehört. Schwammkrug ist Chef von 200 Angestellten in den Koblenzer Autohauszentren von VW, Skoda, Seat/Kupra und des VW-Servicezentrums in Andernach.

Notfälle kommen früher dran

„Für Notfälle haben wir immer ein Zeitpolster eingeplant, das geht in ein, zwei Tagen“, so Schwammkrug. Wer aber kurzfristig etwa einen Inspektionstermin brauche, „der wartet bei uns derzeit sechs Wochen“. Eine solche Wartefrist müsse aber doch kein Problem sein, schließlich hätten alle modernen Autos ein Anzeigesystem zur anstehenden Inspektion.

„Für Notfälle haben wir immer ein Zeitpolster eingeplant, das geht in ein, zwei Tagen“, meint Ralf Schwammkrug vom VW-Zentrum der Löhr-Gruppe in Koblenz.
Stefan Lieser

Schwammkrug bekommt angesichts der Größe alleine des VW-Zentrums in Koblenz in voller Wucht das mit, was an den kleinen Betrieben ohne Neuwagenverkauf vorbeigeht. Der Mangel an Halbleitern zur Chip-Produktion durch die Unterbrechung von Lieferketten in der Pandemie, dann der Ukrainekrieg. Erst ein Jahr Wartezeit bei Neuwagen, und jetzt kommen die Fahrzeuge alle auf einmal an. Das führe – neben dem eigentlichen Werkstattbetrieb – zu einer „Riesenmenge an Übergabeinspektionen“– und damit natürlich zu noch mehr Arbeit.

Auf die Mitarbeiter gut aufpassen

Die Mitarbeitenden leisten schon seit einem Jahr immer mehr Überstunden ab, mehr gehe kaum noch, sagt er. Der Krankenstand sei entsprechend hoch: „Die Leute sind einfach überarbeitet.“ Terminwartezeiten, Fachkräftemangel, fehlende Ausbildungsreife der Azubis: Alles hängt mit allem eben zusammen. Dann wird Schwammkrug ernst: „Ich muss an die Gesundheit meiner Mitarbeiter denken. Das ist das Wichtigste. Man muss seine Leute hegen und pflegen!“

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