Die Forscher hatten im Vorfeld ein Konzept entwickelt, um bewerten zu können, inwieweit Essbare Städte ihren Zweck im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung erfüllen. Erprobt wurde dieses in Andernach, München und in der bayerischen Gemeinde Haar. Folgende Schlüsse ziehen die Forscher aus den Antworten der Andernacher:
1 Die Essbare Stadt macht Andernach attraktiver. Das Team der zuständigen Projektleiterin des IÖR, Martina Artmann, war in der Kernstadt sowie in Miesenheim unterwegs, um die Andernacher zur Essbaren Stadt zu befragen. Dabei fanden sie heraus, dass die Akzeptanz der Essbaren Stadt außerordentlich hoch ist: 83 Prozent der Befragten gaben an, dass Andernach durch die Essbare Stadt attraktiver geworden ist. 59 Prozent gaben dabei an, das Konzept der Essbaren Stadt sehr gut oder gut zu kennen.
2 Die Flächen der Essbaren Stadt ziehen Erholungssuchende an. Wenn Andernacher die Anbauflächen der Essbaren Stadt, etwa am Stadtgraben, am Kurfürstendamm oder in der Permakultur in Eich, aufsuchen, wollen sie sich in erster Linie entspannen: 55 Prozent der Befragten erzählten den Interviewern, der Essbaren Stadt zu diesem Zweck mehrmals im Monat oder noch öfter einen Besuch abzustatten. Neben dem Erholungseffekt steht auch die Naturbeobachtung bei den Fans der Essbaren Stadt vergleichsweise hoch im Kurs: 43 Prozent sagten, regelmäßig dafür am Rande der Beete unterwegs zu sein.
3 Die Mehrheit der Andernacher erntet nicht selbst. Obst, Gemüse und Kräuter aus der Essbaren Stadt kommen bei den Andernachern kaum auf den Tisch. Das legen zumindest die Umfrageergebnisse des IÖR nahe: 70 Prozent der Befragten gaben an, nie etwas in der Essbaren Stadt zu ernten, weitere 23 Prozent sagten, dass sie selten etwas in den Beeten pflücken. Die Forscher vermuten an dieser Stelle einen Zusammenhang mit der Nutzung eigener Grünflächen: 55 Prozent erklärten, im privaten Garten beziehungsweise auf dem Balkon Lebensmittel anzubauen. Andere hätten auf den Fragebögen geäußert, sich um eine Verunreinigung der Lebensmittel der Essbaren Stadt durch Abgase oder Hundeurin zu sorgen.
4 Die meisten Andernacher beteiligen sich nicht aktiv an der Essbaren Stadt. Eine große Mehrheit der Andernacher ist nicht selbst in die Arbeiten an der Essbaren Stadt eingebunden: Gerade einmal zehn Prozent der Befragten gaben an, selbst in der Essbaren Stadt aktiv zu sein. Die große Mehrheit der Inaktiven möchte daran auch nichts ändern: 74 Prozent sagten, dass sie nicht planen, künftig aktiv in die Essbare Stadt involviert zu sein. Als Gründe nannten die Befragten laut der Wissenschaftler Zeitmangel, fehlendes Interesse, gesundheitliche Einschränkungen oder ein bestehendes Ehrenamt.
5 Nur wenige haben durch die Essbare Stadt etwas über Ernährung und Lebensmittel gelernt. Einen Lerneffekt durch die Essbare Stadt können die Teilnehmer an der wissenschaftlichen Umfrage nicht ausmachen. 55 Prozent erklärten, durch ihre Besuche der Essbaren Stadt kaum etwas über den Anbau von Lebensmitteln oder Ernährung gelernt zu haben. Lediglich 16 Prozent gaben an, durchaus Neues über diese Themenfelder erfahren zu haben.
Die Dresdener Wissenschaftlerinnen empfehlen für die Essbare Stadt Andernach, weitere Aktivitäten zu planen, um die Bürger stärker in das Projekt einzubinden. Damit beschäftigt sich aktuell auch das von der EU geförderte Forschungsprojekt „Edicitnet“. Um verschiedene Ansätze zu testen, entstand in der Nähe des Andernacher Juz unter der Leitung der Projektkoordinatorin Iris Kröger eigens auf 8000 Quadratmetern ein sogenanntes Reallabor. Im Austausch mit Wissenschaftlern aus ganz Europa soll in den kommenden Jahren ein Leitfaden zur Einführung Essbarer Städte entstehen. Auch am Dresdener IÖR bleibt man an dem Thema dran: Im Zuge des Folgeprojekts „Zukunftsstadt Dresden“, das vom Bundesbildungsministerium gefördert wird, untersucht man, welche Arten von Bürgerbeteiligung für die kooperative Umsetzung der Essbaren Stadt erfolgsversprechend sind.