Leni May aus Kottenheim
Wie wird man 100 Jahre alt?
Auch Ortsbürgermeisterin Corinna Behrendt ist zum Gratulieren der ältesten Bürgerin von Kottenheim gekommen.
Elvira Bell

Leni May aus Kottenheim hat gerade ihren 100. Geburtstag gefeiert. Unsere Zeitung hat sich mit ihr getroffen – und im Gespräch viel übers Leben gelernt.

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Nicht nur prominente Geburtstagskinder wie Margaret Thatcher, Hildegard Knef, Paul Newman und Hans Rosenthal wurden 1925 geboren, sondern auch Leni (Helene) May, geborene Müller. Die in Kottenheim lebende Seniorin erblickte am Pfingstmontag, 1. Juni, vor 100 Jahren in Thür das Licht der Welt. Unsere Redaktion hat sich mit Leni May zu einem Plausch in ihrem Zuhause – unweit des Kotteme Platz der Faasenacht – getroffen. Mit dabei ist auch Ortsbürgermeisterin Corinna Behrendt.

„Man soll sich nicht so viel ärgern, das hat keinen Wert. Es bringt nichts.“
Leni May über ihre Lebenseinstellung

Die braunen Augen der ältesten Bürgerin von Kottenheim strahlen, als sie von früher, von ihrem bewegten und heute immer noch selbstständigen Leben in der Vordereifelgemeinde erzählt. Nur wenige Menschen sind wie Leni May Zeitzeugen eines ganzen Jahrhunderts. Wie fühlt es sich an, ein Leben mit 100 Jahren? Wie lautet das Erfolgsrezept, auch mit 100 Lenzen noch fit zu sein und obendrauf noch blendend auszusehen? „Man kann und muss vieles verkraften. Aber man muss immer das Positive sehen und vor allen Dingen nach vorne blicken“, sagt die sympathische Seniorin. „Man soll sich nicht so viel ärgern, das hat keinen Wert. Es bringt nichts.“ Man solle immer gelassen bleiben. Das habe ihr ihr früher ihre Mutter geraten.

Geistig fit hält sich Leni May mit dem Lösen von Kreuzworträtseln.
Elvira Bell

Zunächst ein Blick zurück. „Als ich sechs Jahre alt war, ist unsere Familie nach Mayen gezogen. Mein vier Jahre älterer Bruder ist noch in Thür mit zur Erstkommunion gegangen.“ Ihre Schul- und Jugendzeit hat Leni Müller in Mayen verbracht. „Mein Vater war als Metzger in der Wurstküche bei Schrauth beschäftigt. Der Freitag, 13. Oktober 1944, war ein schwarzer Tag für die Familie. An diesem Tag ist das Familienoberhaupt in Mayen in der Stehbach ums Leben gekommen. 14 Monate später, kurz vor Weihnachten, mussten Leni Müller, ihre Mutter und ihr Bruder kriegsbedingt ihr Zuhause in Mayen in der Koblenzer Straße verlassen. „Wir konnten in Kottenheim bei Verwandten unterkommen.“

Die dunkelste Nacht in Mayen, als Bomber der Alliierten die Eifelstadt in Schutt und Asche gelegt hatten, hat die Familie zum Glück nicht hautnah miterlebt. Damals wurde Mayen zur „toten Stadt“ erklärt. Während des Krieges musste Leni Müller in einer Sperrholzfabrik arbeiten. Dass sie einmal in Kottenheim eine neue Heimat finden würde, ahnte die gelernte Einzelhandelskauffrau damals noch nicht. „Hier in Kottenheim habe ich meinen späteren Mann kennengelernt.“

Mit ihrem Mann Winfried konnte sie noch das Fest der Eisernen Hochzeit feiern.
Elvira Bell

Ernst May sei im Ort unter dem Namen „Sportler“ bekannt gewesen, erzählt sie. „Mein Mann hatte viele Verehrerinnen. Er hatte große Chancen bei den Frauen.“ So manche junge Frau im Ort habe die Eheschließung der beiden im Jahr 1949 neidisch betrachtet. Überhaupt seien „Fremde“ in Kottem früher kritisch beäugt worden. Ihrem Mann und seinem Engagement in den Vereinen hatte Leni May es zu verdanken, dass sie irgendwann doch anerkannt wurde. Doch das sei anfangs nicht einfach gewesen. „Mein Mann spielte Fußball in der Fortuna und war im Schützenverein als Kassierer. Ich habe bei Festivitäten die Vereine immer tatkräftig unterstützt.“ Auch das Schälen der Kartoffeln fürs Kröbbelchesfest zählte zu den Aktivitäten von Leni May, ebenso wie die Geselligkeit, die sie mit den Möhnen und ihrem Kegelclub pflegte. „Wir beteiligten uns mit unserer Möhnengruppe am jährlichen Rosenmontagszug. Das war immer sehr schön.“ Auch die von der Fortuna angebotenen sportlichen Aktivitäten hatten es ihr angetan. Bis vor wenigen Wochen machte sie auch beim wöchentlichen Seniorenturnen montags im Pfarrheim mit. „Das Turnen hat mir viel Spaß gemacht. Doch der Rückweg mit meinem Rollator nach Hause war sehr anstrengend.“

Leni May schwelgt in Erinnerungen. Im Hintergrund sind Fotos von der Silbernen und Goldenen Hochzeit zu sehen.
Elvira Bell

Begegnungen mit anderen Menschen sind Leni May sehr wichtig. „Ich muss unter Leute.“ Sie freue sich immer auf den monatlichen Seniorennachmittag im Pfarrheim und darauf, einmal in der Woche im Rahmen der Tagespflege mit anderen Gleichgesinnten einen ganzen Tag zu bringen. Leni May ist alleinstehend. Ihr Mann ist nach der Eisernen Hochzeit gestorben. „Ich habe innerhalb eines Jahres vier ganz nahe Angehörige verloren.“

„Mein Sohn hat mich zu einem Tanz aufgefordert. Ich habe immer so gerne getanzt.“
Leni May über ihr Geburtstagsfest

Ihr ganzer Stolz ist ihr 74-jähriger Sohn Winfried und ihr 14-jähriger Urenkel, die ihr als einzige Verwandte geblieben sind. „Ich wünsche mir, dass ich den 75. Geburtstag meines Sohnes und den 15. meines Enkels noch erlebe.“ Eine Überraschung hat ihr im Übrigen die Nachbarschaft an ihrem Geburtstag bereitet. Alle Nachbarn, darunter auch etliche junge Paare, waren als Überraschungsgäste zum Gratulieren gekommen. „Und die Royal Music of Kottenheim, ein einzelner Saxofonspieler, und auch Drehorgelspieler Wolli brachten mir ein Ständchen. Und Marc Bell-Schäfgen, der das Ganze organisiert hat, hat sogar eine Rede gehalten.“ Das schönste für Leni May war jedoch: „Mein Sohn hat mich zu einem Tanz aufgefordert. Ich habe immer so gerne getanzt.“ Mit ihrem Sohn hat sie im Übrigen jeden Donnerstag ein Date. „Wir gehen dann zusammen einkaufen und trinken danach gemütlich Kaffee.“

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