Riedener Passionsspiele
Wie sich die Jesus-Darsteller vorbereiten 
Jochen Marx trägt das schwere Kreuz. Für den in Rieden tief verwurzelten Jochen Marx, der als Verwaltungsbeamter im Bundesarchiv in Koblenz seinen Dienst versieht, ist die Rolle des Jesus eine besondere Herausforderung und gleichzeitig Herzenssache.
Elvira Bell

Nur noch wenige Wochen - dann hebt sich für die Passionsspiele in Rieden der erste Vorhang. Im Rampenlicht sind die Jesus-Darsteller Jochen Marx und Claudio Civello-Hackenbruch. Sie skizzieren die heiße Phase vor dem ersten Spiel.

Seit mehr als 100 Jahren bringen die Riedener mit großem Erfolg die Passionsspiele auf die Bühne. Es beeindruckend, dass die Passion auch in der heutigen Zeit die Menschen zum Teil in ihrem Innersten berührt. Den guten Ruf, den die Riedener Passionsspiele in ganz Deutschland und im benachbarten Ausland genießen, haben den Ort am Waldsee berühmt gemacht. Eine exponierte Rolle ist die des Jesus von Nazareth. Sie wird bis einschließlich Ostersonntag von Jochen Marx und Claudio Civello-Hackenbruch verkörpert. Für Marx wie Civello-Hackenbruch ist die Rolle eine Herausforderung. Letzterer hat bereits im Kindesalter bei den Mysterienspielen mitgespielt. Der 40-Jährige, steht zum zweiten Mal als Sohn Gottes auf der Bühne der Pfarrkirche St. Hubertus. Der Gymnasiallehrer wohnt zwar nicht mehr in Rieden, aber er betont: „Den Wohnort wechselt man oft im Leben – seine Herkunft aber nie. Ich bin Riedener.“

Wie bereiten Sie sich vor der Aufführung vor? Wie herausfordernd ist es, Jesus Christus ein Gesicht zu geben?

Jochen Marx: „Ich darf nun schon zum fünften Mal als Darsteller bei den Passionsspielen mitwirken. Dreimal davon war beziehungsweise ist Jesus meine Rolle. Es ist schwierig, eine solche Rolle doppelt zu besetzen, sodass ich schließlich die Rolle übernahm, als mir diese angetragen wurde. Aber genau wie im Jahr 2005 ist es mir natürlich eine Ehre. Auf diese Weise kann ich meine Erfahrungen in die Passionsspiele einbringen. Zum einen halte ich es für sehr wichtig, den gesamten Text bereits vor Beginn der Proben vollständig verinnerlicht zu haben. Auf diese Weise ist es möglich, sich bei den Proben eher auf die darstellerischen Aspekte zu konzentrieren. Dies beschleunigt die Proben und gibt einem selbst, aber auch den anderen Darstellern Sicherheit, da der rote Faden während einer Szene erhalten bleibt und nicht durch Textunsicherheiten abreißt. Unmittelbar vor einer Aufführung hat es sich für mich bewährt, dass ich eine Stunde vorher zur Ruhe komme und die einzelnen Szenen noch einmal gedanklich durchgehe. Es hilft mir ungemein, wenn ich mich dann in den viel zitierten ,Tunnel’ begebe und Konzentration aufbauen kann. Ich glaube, dass dies gerade bei emotional intensiven Szenen hilft, dem Publikum die Dramatik der Situation durch entsprechende Gestik und Mimik zu verdeutlichen.“

Das Foto entstand bei den Proben der Szene "des letzten Abendmahl" Ende November vergangenen Jahres.
Elvira Bell

Claudio Civello-Hackenbruch: „,Und alles, was ihr tut, mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und danket Gott und dem Vater durch ihn’ (Kolosser 3,17). Die Vorbereitung auf eine solche Aufführung erfordert Hingabe und auch Demut. Es geht darum, mit ganzem Herzen und voller Ernsthaftigkeit die Botschaft zu verkörpern. Die größte Herausforderung ist, dass Jesus Christus eine göttliche und zugleich menschliche Gestalt hat, die sich nicht vollständig darstellen lässt. Man muss sich darauf konzentrieren, seine Liebe, Demut und Opferbereitschaft zu vermitteln, anstatt nur sein äußeres Erscheinungsbild nachzuahmen: „Denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen.“ (Korinther 5,7)

Wie zeitintensiv sind die Vorbereitungen?

Jochen Marx: „Das Lernen des Textes begann für mich etwa im Juni 2024. Die ersten Proben waren für Oktober angesetzt, sodass ich genug Zeit hatte, den Text, der mir aus früheren Spielzeiten in vielen Passagen noch halbwegs geläufig war, zu verinnerlichen. Hier hat wohl jeder Darsteller sein eigenes System, um zum Ziel zu kommen. Ich habe versucht, mich drei- bis viermal in der Woche mit dem Text zu beschäftigen. Mit Beginn der Proben steigt man dann richtig in die Vorbereitung ein, und man ist in diesem großen Projekt angekommen. Aber auch jetzt gehe ich den Text noch etwa zweimal in der Woche komplett durch, um den emotionalen Spannungsbogen hochzuhalten.“

Claudio Civello-Hackenbruch: „,Alles hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde.’ (Prediger 3,1).“

Die Faszination von Claudio Civello-Hackenbruch für diese Rolle lässt sich seit jeher bekunden: Im Alter von zehn Jahren spielte er auf der Terrasse des elterlichen Gasthauses (Hotel Haus Michael, Riedener Mühlen) vor zahlreichen Gästen den Jesus. Privat: Familie Civello-Hackenbruch
Privat: Familie Civello-Hackenbruch

Beeinflusst die Rolle als Jesus Ihre eigene Beziehung zum Glauben? Ist der Glaube ein Motor, der Sie beflügelt?

Jochen Marx: „Ich bin durchaus ein gläubiger Mensch. Jemand, der das Ganze für unnötig hält, würde sich dieser Herausforderung im Zweifel nicht stellen. Die Rolle des Jesus gibt mir Gelegenheit, etwas zu verkörpern, das mich bereits mein ganzes Leben gut begleitet. Vielleicht erreicht man auf diese Weise auch noch nachfolgende Generationen, obwohl dies immer schwieriger wird, was ich sehr schade finde.“

Claudio Civello-Hackenbruch: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“ (Galater 2,20). Die Rolle als Jesus kann die persönliche Beziehung zum Glauben prägen. Sie fordert nicht nur schauspielerisches Talent, sondern auch eine innere Auseinandersetzung mit Christus und seiner Botschaft.

Was bedeutet es für Sie, in dieser Spielzeit zehn oder elf Kreuzigungen hautnah zu erleben? Wie schaffen Sie es, eine gefühlte halbe Stunde am Kreuz ihrer Verzweiflung und Schmerzen Ausdruck zu verleihen und später als Leichnam regungslos im Arm der Mutter Maria zu verbringen?

Jochen Marx: „Die Kreuzigung ist neben der Klage am Grab eine der emotionalsten Szenen, auch wenn der Textanteil des Jesus ein sehr geringer ist und man die Szene weitestgehend regungslos am Kreuze hängend erlebt. Häufig kann man jedoch die Betroffenheit des Publikums zu diesem Zeitpunkt förmlich spüren. Gleiches gilt übrigens auch für die vorgenannte Klage am Grab oder die Auferstehung. Zu diesem Zeitpunkt erahnt man, ob man genug Emotion und Ausdruck in die Verkörperung des Jesus investiert hat, um das Publikum mitzunehmen auf den Leidensweg Christi.“

Claudio Civello-Hackenbruch: „Zehn oder elf Kreuzigungen hautnah zu erleben, ist eine tiefgehende körperliche und emotionale Herausforderung. Es bedeutet, sich immer wieder in das Leiden Christi hineinzuversetzen und es für die Zuschauer so authentisch wie möglich erlebbar zu machen. Jede Szene erfordert nicht nur körperliche Ausdauer, sondern auch eine intensive Konzentration, um die Verzweiflung, das Opfer und schließlich das Vertrauen in Gottes Plan zu vermitteln. ,Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?’ (Matthäus 27,46). Die Zeit am Kreuz verlangt ein völliges Aufgehen in der Rolle. Es ist eine Mischung aus kontrollierter körperlicher Anspannung und emotionaler Hingabe. Die Verzweiflung Jesu darzustellen, bedeutet, seine tiefste Einsamkeit und sein körperliches Leid spürbar zu machen – ohne dabei selbst zu zerbrechen. ,Vater, ich empfehle meinen Geist in deine Hände.’ (Lukas 23,46). Als Leichnam im Arm der Mutter Maria zu liegen, erfordert äußerste Disziplin und völlige Regungslosigkeit, während man gleichzeitig die spirituelle Dimension der Szene in sich trägt.“

Unsere Zeitung hatte die Gelegenheit mit Jochen Marx und Claudio Civello-Hackenbruch über die Herausforderung, Jesus zu verkörpern, zu sprechen. Bei der Premiere wird Claudio Civello-Hackenbruch zu sehen sein, während Jochen Marx am Ostersonntag Jesus verkörpert, wenn sich der Vorhang für die Spielzeit 2025 zum letzten Mal schließt. Beide Darsteller ehrt, dass ihnen die Rolle des Jesus von den Regisseuren Hans-Peter Doll und Stefan Müller angetragen wurde und sie dem Messias ein Gesicht verleihen dürfen. Das Foto entstand im Rahmen der Informationsveranstaltung an Palmsonntag 2024.
Elvira Bell

Können Sie sich vorstellen, dass Sie Menschen durch die Aufführung ermuntern, sich selbst mit der Geschichte vom Tod und der Auferstehung Jesu auseinanderzusetzen und sie zum Nachdenken über menschliche Werte anzuregen?

Jochen Marx: „Das hoffe ich doch sehr. Das muss eines unserer Hauptanliegen sein, auch wenn es immer schwieriger wird!“

Claudio Civello-Hackenbruch: „,Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist‘s eine Gotteskraft’ (1. Korinther 1,18). Ja, absolut. Eine Aufführung hat die Kraft, Menschen nicht nur emotional zu berühren, sondern sie auch zum Nachdenken über die zentrale Botschaft von Jesu Tod und Auferstehung anzuregen. Das Leid, das Opfer und letztlich die Hoffnung der Auferstehung sind Themen, die jeden Menschen betreffen – unabhängig vom persönlichen Glauben. ,Lasset euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen’ (Matthäus 5,16). Durch die Darstellung kann ein tieferer Zugang zur Botschaft des Evangeliums entstehen. Sie lädt das Publikum ein, über menschliche Werte wie Liebe, Vergebung, Demut und Hingabe nachzudenken und vielleicht eine persönliche Verbindung zu dieser zeitlosen Geschichte zu finden.“

Karten sind im Vorverkauf zu erwerben: Telefon (ab 16 Uhr) 02655/6409890 oder per E-Mail an info@passionsspiele-rieden.de

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