Leitplanken für Mayens City
Was darf bleiben, was kann weg?
Was soll bleiben, was kann weg in der Marktstraße? Festlegungen soll das neue Gestaltungsbuch liefern.
Thomas Brost

120 Seiten ist er stark, der Vorentwurf für eine Gestaltungssatzung, die über die Mayener Innenstadt gelegt wird. Ein Fachbüro hat Vorschläge gemacht, jetzt sind Bürger, Einzelhändler, Gastronomen am Zug – und schließlich der Stadtrat.

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Mit Satzungen ist das so eine Sache: Sie grenzen ab, vereinheitlichen. Das kommt nicht bei jedem gleich gut an, wie ein Blick in die jüngere Mayener Geschichte verdeutlicht. Als exakt vor 20 Jahren im Stadtrat räsoniert wurde, die Dacheindeckung in der Kernstadt nur mit heimischem Schiefer zuzulassen, brach ein Streit aus. Der gipfelte darin, dass der Rathscheck-Geschäftsführer dem damaligen (und heutigen) Fraktionschef der Freien Wähler, Hans-Georg Schönberg, eine Frist setzte, seine Meinung gegen den Schiefer öffentlich zu widerrufen. Im November 2005 drohte Schönberg mit dem Rückzug der FWM-Fraktion aus dem Rat – und widerrief nicht. Heute steht eine Gestaltungssatzung für die Innenstadt zwischen den Ringen auf der Agenda. Ihr Ziel: Einzelhändler, Gastronomen, Gewerbetreibende. Umfänglich haben dazu ein Fachbüro und die Wirtschaftsförderung der Stadt Auskunft gegeben. Unter den gut 30 Zuhörern teilte sich das Feld in Befürworter und Kritiker. Der Diskussionsprozess ist eröffnet: Wie viele Vorschriften benötigt die Kernzone der Stadt, um nach außen hin ein einheitliches Gepräge zu bekommen? Die Stadtverwaltung will dies seit September 2023, aber im Stadtentwicklungsausschuss gingen kürzlich die Wogen hoch. Kritiker meldeten sich lautstark zu Wort.

1Was will die Stadt mit einer Gestaltungssatzung erreichen? 90 Prozent der Kernstadt wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, der Wiederaufbau nahm in den 50er-Jahren Fahrt auf. Allerdings sei, so sagt die Verwaltung in einer Sitzungsvorlage für den Ausschuss, bei den Bürgern „das Bewusstsein, sich im Kontext einer historischen Altstadt zu bewegen, nicht durchgehend vorhanden“. Dies erkläre aus Sicht der Stadt die „teilweise wenig einfühlsam gestalteten Fassaden der innerstädtischen Bebauung und die Gestaltung der Schaufenster, die von sehr unterschiedlicher Qualität sind. Insbesondere im Bereich der Erdgeschosszonen ist Handlungsbedarf erkennbar“, betont die Verwaltung. Mit einer „Satzung über die Gestaltung von Gebäuden und Werbeanlagen sowie Möblierung des Straßenraums (Gestaltungssatzung Innenstadt) und einem Gestaltungshandbuch für Mayen“ will die Stadt für mehr ästhetische Harmonie sorgen.

„Wir erhoffen uns in erster Linie, das Stadtbild zu bewahren und durchdacht weiterzuentwickeln.“
Dagmar Luxem, die Wirtschaftsförderin

In der Informationsveranstaltung, die in der Volksbank stattfand, ist zunächst die Zielrichtung erläutert worden. „Wir erhoffen uns in erster Linie, das Stadtbild zu bewahren und durchdacht weiterzuentwickeln“, sagte Dagmar Luxem, die Wirtschaftsförderin. Es gehe darum, dass Mayen eine harmonische, lebenswerte, attraktive und zukunftsfähige Innenstadt bleibe, und zwar mit gesteigerter Aufenthaltsqualität. Wichtig sei der Stadt, dass zunächst nur ein Gestaltungshandbuch vorgeschlagen wird, über dessen Inhalt der Dialog gesucht wird. „Wir geben ein Versprechen: Wir werden Bedenken ernst nehmen und in den Prozess einarbeiten“, betonte Luxem.

„Wir brauchen einheitliche Vorgaben für Werbeanlagen, sie sorgen für ein hochwertiges Erscheinungsbild.“
Architekt Philipp Skoda vom Büro Urbanophil (Köln)

2Was sind die nächsten Schritte, die die Stadt eingeleitet hat? Engagiert wurde das Fachbüro Urbanophil (Köln). Das hat zuerst eine Bestandsanalyse gemacht, also in Ortsbesichtigungen die räumlichen Besonderheiten und die typischen Gestaltungsmerkmale untersucht. Drei Architekten gaben jetzt Auskunft. Zunächst sparte Architekt Johannes Buchhammer nicht mit Komplimenten: Den Städteplanern sei es nach dem Krieg geglückt, die Stadt „relativ dicht am historischen Vorbild“ und „besonders sensibel und umsichtig“ aufzubauen. Die „große Schieferdachlandschaft“ sei ebenso gut gelungen wie der Einbau von regionaltypischen Besonderheiten wie Basaltlavasockel an den Häusern oder Tuffsteinfassaden. Er kenne keine Stadt, die solch einen „stringenten Wiederaufbau mit solchem Einfühlungsvermögen“ aufweise wie Mayen.

Aber: Es würden Ungereimtheiten existieren, zudem hätten sich „leider oftmals die Erdgeschosse verändert“: Statt einstmals geschwungener Fensterbögen dominieren große Schaufensterflächen. Es müssten gestalterische Leitlinien her. „Wir wollen mit der Satzung einen Weg weisen, wie man Qualität stärker herausarbeiten kann“, erklärte Architektin Tanja Hütter. Was nicht dazugehöre: Plastikstühle in der Fußgängerzone, eine geschlossene Windschutzverglasung oder farbige Fensterläden.

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Thomas Brost

Die „harte Gegenwart“ (Hütter) stelle sich so dar, dass es zu viele Aufsteller auf engem Raum gebe, dies mindere die Werbewirkung. Zudem mache eine voll gestellte Ladenfront „den öffentlichen Raum unattraktiv“. Ein Vorschlag der drei Architekten für diesen Bereich: „Wir brauchen einheitliche Vorgaben für Werbeanlagen, sie sorgen für ein hochwertiges Erscheinungsbild“, so formulierte es Architekt Philipp Skoda. Das schlage sich in einheitlicher Farbgebung und Beschriftung nieder. Die Fassaden sollen ferner nicht dominiert werden von Werbeanlagen.

Für die Gastronomie sei es wünschenswert, dass diese in der Außenbestuhlung auf wertiges Mobiliar setze. Auch in den Bereich von Neubauten greift die Gestaltungssatzung ein. Ebenso betrifft sie Gebäudefassaden, Dächer oder Läden. Das 120 Seiten starke Handbuch gebe Hinweise und Festlegungen. Übergangsregelungen – diese betreffen Warenauslagen wie Rollwagen oder Kartenständer, ortsfeste Werbeanlagen sowie Schirme, Tische, Bestuhlungen und Windabweiser – werden wirksam werden. Seit Kurzem ist der Entwurf im Bürgerinfosystem auf der Webseite der Stadt einsehbar. Die Verwaltung sei überdies bestrebt, nach maßgeschneiderten Förderprogrammen für Eigentümer zu forschen, sagte Dagmar Luxem.

3 Wie kommt das Konzept einer Gestaltungssatzung an? Der Geltungsbereich der Satzung soll in der kompletten Altstadt mitsamt dem Ringsystem (beidseits) liegen. Die Kaufmannschaft hat sich nach einer Abstimmung laut Stadt derart geäußert: „Die Gestaltungssatzung ist insgesamt gut durchdacht und passt sehr gut zur Stadt Mayen.“ Sie stärke die historische Identität, werte das Stadtbild auf und unterstütze „durch ein harmonisches Erscheinungsbild auch den Einzelhandel“. Gleichzeitig sehen die Kaufleute jedoch einige Herausforderungen für Einzelhändler, Immobilieneigentümer und Bauherren, die sich an zum Teil sehr strikte Vorgaben halten müssten. Die Übergangsregelungen für Warenauslagen und Außengastronomie waren von Verwaltung und Kaufmannschaft einstimmig festgelegt worden.

„Wir wollen, dass vieles erhalten und fortgeschrieben wird, aber das Ganze muss finanzierbar sein.“
Wolfgang Schlags, stellvertretender Vorsitzender der MY-Gemeinschaft

Textilhändler Adolf Oetz wollte wissen, wie mit seiner hängenden Werbeanlage verfahren werde. Diese genieße Bestandsschutz, bekam er von Yvonne Müller aus der Verwaltung zu hören. Nach drei Jahren müsse man sich anschauen, ob sie den Gestaltungsvorgaben entspreche. Stadtratsmitglied Josef Runkel (CDU) monierte, es könne nicht sein, dass Werbeanlagen abgerissen werden müssten, wenn sie erst zwei Jahre alt sind. Enge Vorgaben bei Fenstern würden zudem die Baukosten erhöhen, zumal Holz vorgeschrieben werde. „Wir bleiben bei Holzfenstern, weil dies das Gesicht der Stadt ist“, bekräftigte Architektin Hütter.

Wolfgang Schlags, stellvertretender Vorsitzender der MY-Gemeinschaft, begrüßte, dass Leitplanken zur Innenstadtentwicklung eingebracht werden. „Wir wollen, dass vieles erhalten und fortgeschrieben wird, aber das Ganze muss finanzierbar sein“, so Schlags. Es müsse ein „ausgewogenes Gleichgewicht bei der Gestaltung“ gefunden werden, etwas, das Eigentümer auch mitnehme. Und es müsse rechtssicher sein. Martin Reis, der CDU-Fraktionsvize im Stadtrat, regte ein weiteres Infotreffen für Betroffene und Interessierte an – nach dem Workshop im Juni. „Wir brauchen noch mehr Zeit, um die Leute mitzunehmen“, sagte Reis.

4Wie geht es weiter? Zunächst wird es einen weiteren Workshop geben, bei dem an dem Vorentwurf gearbeitet wird. Anregungen schließlich fließen in die Endfassung des Entwurfes an, der von der Politik bewertet wird. Im Herbst soll die Gestaltungssatzung im Mayener Stadtrat beraten und womöglich dann beschlossen werden.

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