Bei der FWG stand der Montagabend im Zeichen des überwältigenden Wahlerfolgs, erzählt Spitzenkandidat Hartmut Dressel: Bei einem Treffen im Hotel zum Anker habe man darauf angestoßen, dass die FWG im kommenden Stadtrat die größte Fraktion stellt. „Ich habe mich am Morgen erst mal kneifen müssen, ob das überhaupt real ist“, freut sich Dressel. Die OB-Wahl, die FWG-Mitglied Christian Greiner Ende 2022 bereits im ersten Wahlgang für sich entscheiden konnte, habe sicher zum großen Stimmenzugewinn beigetragen, räumt Dressel ein.
Darüber hinaus sei es der FWG gelungen, von den Bürgern als Alternative zu den im Rat vertretenen Parteien wahrgenommen zu werden. Insbesondere im Hinblick auf die besorgniserregenden Zugewinne der AfD bei den Europawahlen, sei das ein ausgesprochen positives Signal, ist Dressel überzeugt: „Wir sind damit mitten im demokratischen Spektrum und nicht am Rand.“
FWG: Wunsch nach vernünftiger Politik
In dem Zuspruch für die FWG drücke sich der Wunsch der Wähler aus, die weder zum linken noch zum rechten Rand tendieren, sondern „vernünftige Politik“ wollen. Diesem Auftrag wolle man mit der politischen Arbeit im Rat auch in der neuen Wahlperiode gerecht werden. Mit dem Wahlerfolg gehe dabei eine gewisse Erwartungshaltung einher: „Das ist ein großer Rucksack, den uns die Bürger aufgebunden haben.“ Bevor die eigentliche Gremienarbeit wieder beginnt, habe man zunächst aber ganz praktische Herausforderungen zu bewältigen: „Unser Fraktionszimmer im Rathaus reicht von der Größe her nicht mehr aus.“
Das ist ein Problem, wie es die übrigen Ratsfraktionen auch gerne hätten: Im Fraktionszimmer der CDU bleibt im Vergleich zu 2019 ein Stuhl frei, wenn die zwölf gewählten Mitglieder dort ein erstes Mal in der neuen Konstellation zusammentreffen. „Es gibt Höhen und Tiefen“, bewertet CDU-Stadtverbandsvorsitzender Hans-Georg Hansen das Wahlergebnis seiner Partei. Über die Erfolge bei den Ortsvorsteherwahlen in Kell und Miesenheim habe man sich gefreut, in Eich allerdings eine herbe Enttäuschung hinnehmen müssen. Im Rat habe man das Ergebnis von 2019 fast halten können – und dennoch einen Sitz verloren.
Wähler sortieren CDU-Liste um
Die Liste der zwölf Ratsmitglieder, die für die CDU in den Stadtrat gewählt wurden, haben die Andernacher Wähler dabei kräftig umsortiert: Die Bundestagsabgeordnete Mechthild Heil und die erfahrene Kommunalpolitikerin Barbara Summerer, die die CDU auf den hinteren Listenplätzen aufgestellt hatte, schafften es aufgrund ihrer Popularität problemlos in die Top Ten. Kandidatinnen wie Falantina Ali und Anja Niemann, die weit vorne auf der Liste standen, verfehlten hingegen den Einzug in den Rat.
„Für die Betroffenen bedauere ich das sehr“, sagte Stadtverbandsvorsitzender Hansen. Andererseits habe man im Vorfeld ganz bewusst populäre Kandidaten auf die hinteren Positionen der Liste gesetzt: „Diese ziehen die ganze Liste mit nach vorne.“ Insgesamt habe sich die Fraktion verjüngt, womit man seitens des Stadtverbands zufrieden sei. Man habe einen engagierten Wahlkampf geführt, die Stimmung sei gut: „Entscheidend ist, dass wir uns nach der OB-Wahl konsolidiert haben.“
Bei der SPD ist die Enttäuschung groß
Auch die Andernacher SPD musste das unerwartet schlechte Abschneiden ihres Kandidaten bei der OB-Wahl verarbeiten. Mit der Kommunalwahl folgt jetzt die nächste Schlappe: Die Fraktion schrumpft um ein Viertel von zwölf auf neun Mitglieder. Erklären könne man sich diese deutlichen Verluste nicht, sagt Stadtverbandsvorsitzender Udo Dames: „Wir sind enttäuscht und hatten nicht damit gerechnet. Wir waren der Auffassung, dass wir inhaltlich eine sehr gute Arbeit geleistet haben.“ In den vergangenen fünf Jahre habe die SPD deutliche Akzente im Rat gesetzt und dafür über die Fraktion hinaus viel Zuspruch geerntet. Bei Themen wie bezahlbares Wohnen, Kita-Ausbau oder Barrierefreiheit habe man den Takt vorgegeben.
Entsprechend ratlos blicke man nun auf das Ergebnis: „Da fehlen mir die Worte.“ In der nächsten Zeit werde man sich parteiintern im kleinen Kreis zusammensetzen, um die Wahl zu analysieren.
Grüne Themen hatten es schwer
Auch die Andernacher Grünen mussten bei der Stadtratswahl Verluste hinnehmen und auf einen der fünf Sitze, die sie 2019 errungen hatten, verzichten. Spitzenkandidat Simon Schmitz vermutet, dass der Schwung der OB-Wahl der FWG zum Erfolg verholfen hat: „Da muss man sagen: Respekt für den klaren Wahlsieg!“ Seitens der Grünen habe man mit den Themen, die man vertrete, zurzeit eher einen schweren Stand. So stießen ambitionierte Vorhaben beim Klimaschutz, die auf Bundesebene angestoßen wurden, in den vergangenen Monaten nicht immer auf Zuspruch: „Die Widerstände werden größer.“ In Andernach sei man zudem mit einem jungen und eher unbekannten Team angetreten und habe damit nicht auf bewährte Kräfte zählen können.
Man hoffe jetzt darauf, die konstruktive Zusammenarbeit mit den übrigen Fraktionen im Rat fortsetzen zu können. Mit den vier eigenen Mitgliedern bilde man ein breites Spektrum an Themen ab und sehe sich für die künftige Arbeit im Rat gut aufgestellt: „Wir wollen Dinge mit vorantreiben.“
Die Andernacher FDP wird auch in der nächsten Wahlperiode von Judith Lehnigk-Emden als Einzelkämpferin im Rat vertreten – wie bereits seit 15 Jahren. Diese freut sich über das gute Abschneiden der FDP-Zweitplatzierten Mareike Daverkausen, die bei der Auszählung zeitweise sogar vorne lag. Letztlich reichte es doch für einen kleinen Vorsprung für Lehnigk-Emden: „Es sieht so aus, als werde ich die 20 Jahre noch voll bekommen“, schmunzelt sie.